US-Automobilindustrie:Lang lebe der Rostgürtel

Es brummt wieder in der amerikanischen Automobilindustrie: Als letzter der drei großen Konzerne kehrt nun auch der Sorgenfall Chrysler in die Gewinnzone zurück - dank einer schrägen Partnerschaft.

Thomas Fromm und Moritz Koch

Fiat-Chef Sergio Marchionne hatte es in den vergangenen zwei Jahren nicht leicht, seine Kritiker zu überzeugen. Es fing damit an, dass er zwei schwache Autobauer zusammenlegte, um daraus einen starken zu bauen - Fiat und Chrysler.

Street Mag Show

Ein Model posiert auf der Street Mag Show 2008 in Hannover vor einem historischen Chrysler. Der Konzern ist nach Jahren des Darbens in die Gewinnzone zurückgekehrt.

(Foto: dpa)

Als er dann bekanntgab, die Autos des US-Herstellers in Europa künftig unter dem Namen Lancia zu verkaufen, wurden die Experten erst recht skeptisch: Die amerikanische Traditionsmarke, die eher für große Straßenkreuzer als für europäische Eleganz steht, und die italienische Marke - das schien nicht zusammen zu passen.

Jetzt hat der Italiener, der heute sowohl Chef von Fiat als auch von Chrysler ist, einen ersten Erfolg vorzuweisen: Chrysler hat im ersten Quartal des Jahres erstmals seit seiner Insolvenz 2009 wieder einen Gewinn eingefahren. 116 Millionen Dollar verdiente der Autobauer aus Detroit zuletzt; der Umsatz kletterte im gleichen Zeitraum um 35 Prozent auf 13,24 Milliarden Dollar.

Am Tag, an dem die USA den Tod des Terroristen Osama Bin Laden feiern, ist die Gewinnmeldung von Chrysler allerdings auch ein weiterer Erfolg für US-Präsident Barack Obama. Seine Regierung hatte die amerikanische Autoindustrie 2009 vor dem Kollaps bewahrt und zukunftsfähig gemacht. Chrysler galt stets als besonderer Sorgenfall unter den Big Three, den drei führenden amerikanischen Autoherstellern.

Während Ford die tiefe Rezession der Jahre 2008 und 2009 ohne die direkte Hilfe Washingtons überstand und der zeitweise verstaatlichte Großkonzern General Motors im vergangenen Jahr an die Börse zurückkehrte, schien die wirtschaftliche Erholung an Chrysler vorbei zu gehen. Kritiker des Unternehmens sahen sich bestätigt. Auch innerhalb der US-Regierung hatte es Stimmen gegeben, die darauf drängten, Chrysler abzuwickeln statt den Konzern mit Milliardenkrediten zu stützen und durch eine geordnete Insolvenz zu führen.

Chrysler war nach der Trennung von dem deutschen Autohersteller Daimler und der Übernahme durch die Beteiligungsgesellschaft Cerberus nie wieder in Gang gekommen. Die klotzigen Modelle des Unternehmens fanden immer weniger Abnehmer. Der Marktanteil sank auf sieben Prozent.

Marchionnes nächstes Ziel

So war es erst der Einstieg des italienischen Autobauers Fiat, der Chrysler wieder eine strategische Perspektive eröffnete - eine Lösung, die auch von Obama selbst favorisiert wurde. Aus laufenden Geschäften erwirtschaftete Chrysler schon im vergangenen Jahr wieder einen Gewinn. Doch die enormen Zinszahlungen auf die Staatskredite, 1,23 Milliarden Dollar in 2010, drückten das Unternehmen schließlich wieder in die roten Zahlen.

Der jüngste Gewinn hilft dem Autobauer nun, sich dieser Last zu entledigen: Die Staatskredite sollen bis Ende Juni durch private Darlehen abgelöst werden.Obamas Entscheidung, Chrysler und GM zu retten, ging vor allem auf den Wunsch zurück, den industriellen Kern Amerikas zu bewahren, den "Rostgürtel", der sich von New York über Michigan bis nach Indiana erstreckt.

Die Region hat eine jahrzehntelange Geschichte des Niedergangs erlebt. Viele Fabriken machten dicht, Arbeitsplätze wanderten nach China und Mexiko ab. Doch inzwischen erlebt der Rostgürtel eine Renaissance: Getragen durch einen niedrigen Dollar-Kurs und die Erholung des Automarkts entwickelt sich die Industrie zum Jobmotor. Fabriken sind der schnellstwachsende Sektor der US-Wirtschaft und haben allein in Michigan im vergangenen Jahr fast 30.000 Jobs geschaffen.

Doch nun bedroht der hohe Benzinpreis den Aufschwung schon wieder. Gerade die US-Hersteller bleiben von schweren Modellen wie Pick-up-Trucks und Mini-Vans abhängig, die viel Sprit schlucken. Für Chrysler kommt es nun darauf an, die Integration mit Fiat schnell voranzutreiben, damit das Unternehmen sein Angebot um sparsame Kleinwagen ergänzen kann. Ein erster Schritt ist bereits getan: Seit April ist der Fiat 500 in den USA erhältlich.

Fiat hält derzeit 30 Prozent an Chrysler; schon bald sollen für 1,3 Milliarden Euro weitere 16 Prozent an dem US-Autobauer erworben werden. Damit stünde Fiat dann kurz davor, die Kontrolle zu übernehmen. Ein Börsengang Chryslers war zunächst für das zweite Halbjahr geplant, dürfte nun aber erst Anfang 2012 anstehen. Marchionnes Ziel: Der Mann, dessen Markenzeichen ein blauer Pullover ist, will Fiat, den sechstgrößten Autobauer in Europa, zu einem der führenden Hersteller weltweit ausbauen. Die Chancen darauf sind nun gestiegen.

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