Urteil zur Kündigung:Wie Bausparkassen teure Kunden loswerden

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Siedlung mit neugebauten Wohnhäuser in Gelsenkirchen: Langjährige Bausparer können ihr Eigentum mit einem normalen Kredit günstiger finanzieren als mit dem Bauspardarlehen. (Foto: Oliver Berg/dpa)
  • Viele Bausparkassen wollen ihre Altkunden loswerden, denen sie in den Achtziger- und Neunzigerjahren bis zu vier Prozent Guthabenzinsen versprochen haben.
  • Nun entschied das Oberlandesgericht Stuttgart, dass solche Verträge nicht einfach gekündigt werden dürfen.

Von Benedikt Müller, München

Als die Klägerin im Jahr 1978 ihren Bausparvertrag abschloss, waren das noch ganz normale Konditionen: Auf ihr Sparguthaben sollte die Kundin drei Prozent Zinsen bekommen; wenn sie ein Bauspardarlehen aufnahm, sollte sie fünf Prozent Zinsen bezahlen. So hatte sie es mit der Bausparkasse Wüstenrot vereinbart. 38 Jahre später wirken diese Konditionen wie aus der Zeit gefallen. Wer heute eine Immobilie finanziert, zahlt im Schnitt knapp zwei Prozent Kreditzinsen. Spareinlagen werfen dagegen kaum noch was ab.

Am Mittwoch haben sich die Kundin und die Bausparkasse wieder getroffen, vor dem Oberlandesgericht Stuttgart. Denn der Vertrag von 1978 sollte im Streit enden, wie es zurzeit tausendfach passiert: Viele Bausparkassen wollen ihre Altkunden loswerden, denen sie in den Achtziger- und Neunzigerjahren bis zu vier Prozent Guthabenzinsen versprochen haben. Das Bauspardarlehen, das ihnen zugestanden hätte, nahmen viele Kunden nicht auf. "Für solche überlangen Sparphasen waren die Verträge nie gedacht", sagt Andreas Zehnder, Vorsitzender des Verbandes der Privaten Bausparkassen.

Den Vertrag von 1978 hätte Wüstenrot trotzdem nicht kündigen dürfen. Das entschieden zumindest die Stuttgarter Richter. Mit ihren Einzahlungen hat die Klägerin noch nicht das festgelegte Sparziel - die sogenannte Bausparsumme - erreicht. Deshalb habe sie weiterhin das Recht, ein Darlehen über den Restbetrag aufzunehmen. Der Fall in Stuttgart war der erste in dieser Angelegenheit, der mündlich vor einem Oberlandesgericht verhandelt wurde. Zuvor hatten die meisten Amts- und Landgerichte zugunsten der Kassen entschieden, auch die Vorinstanz. Allerdings nahmen viele Sparer ein Vergleichsangebot an, bevor es zum Urteil gekommen wäre.

Verbraucherschützer begrüßen die Entscheidung vom Mittwoch. Denn viele Bausparer wollen ihre alten Verträge behalten - zumal die Kassen jahrelang dafür geworben hatten, den Vertrag auch als Kapitalanlage zu nutzen. "Es gab sogar Bonuszinsen für Sparer, die kein Darlehen in Anspruch nehmen", sagt Thomas Beutler von der Verbraucherzentrale Saarland.

Doch für die Bausparkassen wird es immer schwieriger, ihre Zinsversprechen zu erfüllen. Die Institute dürfen die vielen Einlagen nur in sehr sichere Wertpapiere anlegen. Diese bringen zurzeit aber kaum Rendite. "Aufgrund der Nullzinspolitik kommen die Bausparkassen um unpopuläre Maßnahmen nicht herum", sagt Zehnder.

Verträge kündigen

Der klassische Fall: Viele Institute kündigen Bausparern, die ihr Darlehen nicht aufgenommen haben, obwohl das schon zehn Jahre oder länger möglich gewesen wäre. Das ist rechtens, wenn der Kunde so viel Geld eingezahlt hat, dass die Bausparsumme schon erreicht ist. Könnte der Sparer dagegen noch ein Darlehen aufnehmen, ist die Rechtslage spätestens seit Mittwoch wieder offen. "Es kommt auf das Motiv an, weswegen der Bausparer seinen Vertrag beibehalten will", sagt Christian Fiehl, Anwalt der Nürnberger Kanzlei Zimmermann König Kollegen.

Die Stuttgarter Richter haben eine Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. "Entschieden werden muss es vom BGH", sagt Richter Thomas Wetzel. Es gehe schließlich um Millionen Spargeld. Wüstenrot prüft diesen Schritt zurzeit.

Scheck ausstellen

Die nächste Eskalationsstufe: Reagiert der Kunde nicht rechtzeitig auf die Kündigung, stellen manche Bausparkassen einen Scheck über die angesparte Summe aus. In solchen Fällen sollte man abwägen, ob man sich das Geld auszahlen lässt oder nicht, sagt Verbraucherschützer Thomas Beutler.

"Wenn ein Bausparer den Scheck einlöst, bestätigt er, dass er mit der Auflösung des Vertrags einverstanden ist." Wer Bausparer bleiben will, sollte am besten gar nicht auf den Scheck reagieren, so Beutler. "Schickt der Bausparer den Scheck zurück, trägt er das Risiko, falls die Sendung verloren geht." Es ist allerdings unklar, ob der Sparer noch ein Recht auf Zinsen hat, nachdem die Bausparkasse den Betrag als Scheck ausgebucht hat. Bausparer sollten deshalb überlegen, ob sie sich das Geld nicht doch auszahlen lassen, um es möglichst gewinnbringend anzulegen, raten Verbraucherschützer.

Alternativen anbieten

Ganz diplomatisch wollen viele Institute ihre Kunden davon überzeugen, in andere Bauspartarife oder Festgeldkonten zu wechseln. Dann sollten Kunden hellhörig werden, sagt Beutler: "Aus freien Stücken wird die Bausparkasse keinen Vertrag anbieten, der für den Kunden besser ist als der alte Bausparvertrag." Vor allem sollte man darauf achten, dass beim Tarifwechsel nicht erneut die Abschlussgebühr fällig wird. Das ist mitunter Verhandlungssache.

Sparrate kürzen

Viele Menschen zahlen regelmäßig mehr Geld auf ihr Bausparguthaben ein, als es der Regel-Sparbeitrag vorsieht - etwa weil sie sonst nicht die volle staatliche Förderung erhalten würden. In Zeiten niedriger Zinsen verbieten erste Bausparkassen diese Sonderzahlungen. "Betroffene sollten nachlesen, ob die Bausparkasse gemäß den Vertragsbedingungen das Recht hat, die Einzahlung zu begrenzen", sagt Verbraucherschützer Beutler. In vielen Fällen sei diese Kürzung aber vertragskonform.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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