Bundesverfassungsgericht:Was sich für Grundbesitzer ändern könnte

Neubaugebiet einer Wohnsiedlung BLWX034236 Copyright xblickwinkel McPhotox BerndxLeitnerx

Der Bau eines Hauses kostet viel Geld. Hinzu kommen Kosten wie die Grundsteuer.

(Foto: Bernd Leitner/imago stock&people)
  • Das Bundesverfassungsgericht entscheidet heute darüber, ob die bisherige Berechnung der Grundsteuer zulässig ist.
  • Für die Kommunen - aber auch für Eigentümer und Mieter - geht es um viel Geld.
  • Die wichtigsten Fragen und Antworten vor dem Urteil.

Von Thomas Öchsner

An diesem Dienstag geht es vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe um viel Geld. Ob Privatpersonen oder Unternehmen - Eigentümer eines Grundstücks oder einer Immobilie müssen dafür Grundsteuern zahlen. Knapp 13 Milliarden Euro nehmen die Kommunen jährlich mit der Abgabe ein. Die Immobilienwerte, auf denen die Höhe der Grundsteuer beruht, sind jedoch völlig veraltet. Deshalb müssen die Verfassungsrichter entscheiden, ob die Steuer noch richtig festgesetzt wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten:

Wie hoch ist die Grundsteuer bisher?

Im Jahr 2015 betrug sie für ein Grundstück mit einem Einfamilienhaus in Großstädten mit mehr als 100 000 Einwohnern durchschnittlich 577 Euro pro Jahr. Für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus lag sie bei durchschnittlich 229 Euro. Das hat das Institut der Deutschen Wirtschaft errechnet. Die Grundsteuer A ist für land- und forstwirtschaftliche Flächen fällig. Typ B gilt für übrige Grundstücke, bebaut wie unbebaut, wobei Eigentümer für bebaute Grundstücke mehr zahlen müssen. Vermieter dürfen die Grundsteuer als Nebenkosten auf die Mieter umlegen.

Wie wichtig ist die Grundsteuer für die Kommunen?

Die Abgabe gehört neben der Gewerbesteuer zur wichtigsten Einnahmequelle der Städte und Gemeinden. Das Geld fließt immer in die Haushaltskassen, auch wenn die Wirtschaft einmal nicht so gut läuft.

Wie wird die Grundsteuer berechnet?

35 Millionen Grundstücke gibt es in Deutschland. Für jedes erlassen die Finanzämter einen eigenen individuellen Bescheid. Dafür bestimmen sie den Wert des Objekts, den Einheitswert anhand Lage, Nutzung und Bebauung des Grundstücks. Daraus wird ein Grundsteuermessbetrag ermittelt, der mit dem jeweiligen Hebesatz der Kommune von mehreren hundert Prozent multipliziert wird. Gerade Städte in Geldnot haben in den vergangenen Jahren die Hebesätze kräftig erhöht. Nach einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags gibt es dabei große Unterschiede: In Witten in Nordrhein-Westfalen liegen die Hebesätze bei mehr als 900 Prozent, in Ingelheim in Rheinland-Pfalz bei unter 100 Prozent.

Worin besteht das Problem bei der Erhebung der Grundsteuer?

Grundbesitzer, Mieter, Hauseigentümer, alle zahlen eine Steuer, die mit den tatsächlichen Werten der Grundstücke und Immobilien oft nicht mehr viel zu tun hat. Das liegt daran, dass die Grundlagen für die Bemessung völlig veraltet sind. In Westdeutschland stammen die Kriterien für die Bewertung des zu versteuernden Grundvermögens von 1964, in Ostdeutschland sogar von 1935. Diese Einheitswerte gelten immer noch, egal ob ein Gebäude verfallen ist oder der Wert im Zuge des Immobilienbooms erheblich gestiegen ist.

Warum muss jetzt das Bundesverfassungsgericht entscheiden?

Der Bundesfinanzhof hat das Bundesverfassungsgericht angerufen, da es die Vorschriften zur Bemessung des Einheitswerts für verfassungswidrig hält. Auch andere Kläger haben es durch die Instanzen bis Karlsruhe geschafft. Ein Berliner Kläger vergleicht die Grundsteuer mit einer "Wohnraumsteuer", die in einem praktisch geheimen und nicht mehr nachvollziehbaren Verfahren erhoben werde. Die Kläger und Beschwerdeführer sehen unter anderem den Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verletzt. Außerdem wird ein Vollzugsdefizit beklagt, weil die Wertenwicklung der Immobilien beim Festsetzen der Steuer nicht berücksichtigt wird.

Wie wird das Gericht entscheiden?

Bei einer mündlichen Verhandlung im Januar ließen die Richter bereits durchblicken, dass sie das bestehende System kritisch sehen. Beobachter wie der Immobilienexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Claus Michelsen, erwarten, dass das Gericht die Regeln zu Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklären wird - und dann den Politikern nicht allzu viel Zeit für eine Reform lässt. Ein Richter verwies bereits im Januar darauf, dass in solchen Fällen Übergangsfristen von zehn Jahren nicht üblich seien. "Vermutlich wird das Verfassungsgericht nur eine kurze Frist für eine Neuregelung vorgeben", heißt es beim Spitzenverband der Immobilienwirtschaft IZA.

Wie könnte ein Reform der Grundsteuer aussehen?

Die Mehrheit der Bundesländer hat bereits ein "Kostenwertmodell" vorgeschlagen. Das sieht vor, die 35 Millionen Grundstücke und Immobilien neu zu bewerten. Dies könnte für viele Eigentümer teuer werden. Blieben dann die Steuermesszahlen und Hebesätze unverändert, würde dies im Durchschnitt zu einer "Verzehnfachung der Grundsteuer" führen, kritisiert der Immobilienverband IZA. Der Eigentümerverband Haus und Grund warnt gar davor, dass sich die Belastung für einzelne Eigentümer gar vervierzigfachen könne. Auch dürfte es viele Jahre dauern, die neuen Einheitswerte zu ermitteln.

Welche Vorschläge gibt es noch?

Das sogenannte Südländer-Modell, angelehnt an einen Vorschlag der Länder Bayern, Hessen und Baden-Württemberg sieht vor, die Grundsteuer nach der Größe des Grundstücks und der Nutzfläche zu bemessen - nicht jedoch nach dem Wert. Das wird von der Immobilienwirtschaft favorisiert, weil damit "kein automatischer Erhöhungsmechanismus" verbunden und dies viel leichter umzusetzen wäre.

Was plant die große Koalition?

Union und SPD wollen laut Koalitionsvertrag eine Grundsteuer C. Damit sollen Kommunen nicht genutzte Grundstücke höher besteuern können, um Spekulationen mit unbebauten Grundstücken zu bekämpfen und mehr Bauland zu mobilisieren.

Was ist von dieser neuen Grundsteuer zu halten?

Der Verband Haus und Grund argumentiert: Die Grundsteuer C würde diejenigen bestrafen, die keine oder nur geringe finanzielle Reserven zum Bauen haben. "Die wahren Bodenspekulanten würden die Grundsteuer C aus der Portokasse zahlen." DIW-Experte Michelsen kann sich deshalb stattdessen eine erweiterte Bodensteuer als Lösung vorstellen. Diese müsste der Gesetzgeber so ausgestalten, dass als Bewertungsgrundlage die Erträge aus der Vermietung einer möglichen Bebauung angesetzt würden. "Dies belohnt diejenigen, die ein Grundstück effizient nutzen und belastet die Eigentümer stärker, die Flächen wenig oder ganz ungenutzt halten", sagt der Berliner Ökonom. Dabei gelte es auch Härtefälle zu berücksichtigen, wie zum Beispiel "ältere Menschen, die ein Gebäude auf einem großen Grundstück selbst nutzen oder denen das nötige Eigenkapital fehlt, um zu investieren".

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