Es ist dies ein verträgliches Urteil gegen einen unverträglichen Lärm: Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig bringt Rechts- und Nachtfrieden an den Frankfurter Großflughafen. Es ist dies gewissermaßen auch ein Diktatfrieden. Das Gericht hat dem bis zuletzt widerstrebenden Betreiber des Flughafens und der hessischen Landesregierung, die sich an ihre früheren Versprechungen nicht mehr halten wollten, diesen Frieden diktiert. Aber auch im Zwang zeigt sich die befriedende Kraft des Rechts: Leipzig hat gesprochen, die Sache ist beendet.
Der Flughafenbetreiber fügt sich brummelnd. Und die hessische Landesregierung beteuert, das Nachtflugverbot akkurat umzusetzen. Die Zeit der Trickserei ist, hoffentlich, zu Ende. Vertreter der Luftverkehrswirtschaft beklagen zwar nun wortreich den angeblichen Niedergang; aber die Luftverkehrswirtschaft darbt nicht, wenn sie ihr bisheriges Geschäftsmodell überarbeiten und den nächtlichen Frachtverkehr teilweise verlagern muss.
Es ging auch um Glaubwürdigkeit von Politik
Immerhin gibt es nun Rechtssicherheit - auch sie ist ein wichtiger Standortfaktor; man weiß, woran man ist. Im Übrigen ist auch in der Wirtschaft des einen Leid des anderen Freud: Das Nachtflugverbot ist für die Frankfurter Luftverkehrswirtschaft von Nachteil, für viele andere Firmen und ihre Mitarbeiter ein Vorteil; es macht ihren Arbeits- und Lebensraum Frankfurt attraktiver. Standortfragen sind komplexer, als es die jeweils interessierte Lobby glauben machen will.
Bei dem Urteil über die Nachtruhe (die nicht ganz fluglärmfrei ist, weil es Ausnahmen gibt) ging es nicht nur um Nachtruhe. Es ging auch um Glaubwürdigkeit von Politik und die Verlässlichkeit ihrer Zusagen. Es gab nämlich stets eine klare Geschäftsgrundlage für den Bau der neuen Startbahn in Frankfurt: ein Nachtflugverbot. Dieses Verbot wurde den Anwohnern und Gegnern der neuen Startbahn versprochen.
Als sie endlich gebaut und in Betrieb genommen war, war das Versprechen vergessen. Das Gericht hat die Betreiber und Regierungspolitiker nun beim alten Wort genommen. Das Urteil ist daher auch eines gegen den Wankelmut der Politik. Und es bestärkt die Landesregierung darin, sich die Lärmschutz-Anliegen der Bürger zu eigen zu machen.
Ein Urteil gegen wohlfeiles Globalisierungsgebrabbel
Das Urteil ist schließlich auch ein Urteil gegen wohlfeiles Globalisierungsgebrabbel, das pauschal auf die "neuen Herausforderungen " verweist, um damit jedwede Bedenken beiseitezuräumen. Es gibt nun einmal in der deutschen Rechtsordnung kein Super-Grundrecht auf ungestörte Investitionsausübung, das allen anderen Grundrechten vorginge.
Es müssen nicht alle anderen Rechte schweigen, wenn behauptet wird, man könne ansonsten die "Jobmaschine" nicht richtig anwerfen. Die Gesundheit von einigen hunderttausend Menschen darf nicht von wirtschaftlichen Interessen gebeugt werden; in Frankfurt nicht, anderswo auch nicht. Der Rechtsstaat ist dafür da, Interessen auszugleichen. Das Gericht hat das auf respektable Weise getan.