Urteil zum Euro-Rettungsschirm:Die Krisen-Kanzlerin blickt nach Karlsruhe

Schicksalsstunden einer Währung: Das Bundesverfassungsgericht verkündet heute das Urteil zu den Klagen gegen den Euro-Rettungsschirm - im Anschluss muss sich Kanzlerin Merkel im Bundestag zu den deutschen Euro-Hilfen äußern. Die Frage, ob Griechenland in der Eurozone verbleiben soll, droht die Koalition zu spalten. Jetzt fällt auch noch CSU-Chef Seehofer der Kanzlerin in den Rücken.

Die Zeit wird knapp: In zweieinhalb Wochen soll der Bundestag darüber abstimmen, welchen Beitrag Deutschland zur Rettung des Euro leisten wird. Die Politiker kämpfen um Stimmen für die 211 Milliarden Euro, die Deutschland für den europäischen Rettungsschirm bereitstellen soll. Dabei müssen sie auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts berücksichtigen, das an diesem Mittwochvormittag verkündet wird - es fällt mitten in die Haushaltsdebatte der Bundesregierung.

German Finance Minister Wolfgang Schaeuble And Chancellor Angela Merkel Speak In The German Parliament

Kanzlerin Angela Merkel beim ersten Teil der Haushaltsdebatte im Bundestag: An diesem Mittwoch stellt sie sich der Generaldebatte.

(Foto: Bloomberg)

Der Zweite Senat des obersten Gerichts in Karlsruhe entscheidet darüber, ob Deutschland mit seiner Beteiligung am Euro-Rettungsschirm und seinen bilateralen Griechenland-Hilfen Vorgaben des Grundgesetzes verletzt hat. Es geht vor allem darum, ob das Haushaltsrecht des Bundestages wegen der gigantischen Garantiesummen für pleitebedrohte Euro-Länder unzulässig beeinträchtigt wird. Allgemein wird erwartet, dass das Gericht eine stärkere Einbindung des Bundestages bei der Vergabe von Bürgschaften und Krediten fordern wird.

Die Kläger um den Staatsrechtler Karl Abrecht Schachtschneider von der Universität Erlangen-Nürnberg und den CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler fordern, dass der Euro-Rettungsschirm für hoch verschuldete Staaten geschlossen wird. Dabei verweisen sie auf die Nichtbeistandsklausel des EU-Vertrags. Diese legt klar fest, dass kein EU-Land für die Schulden eines anderen einstehen muss. Der Bundestag hätte die Griechenland-Hilfe also nie beschließen dürfen, lautet ein Argument.

Beobachter halten es für unwahrscheinlich, dass der Zweite Senat die deutschen Hilfen kippen wird.

Gauweiler gibt sich vor der Urteilsverkündung zuversichtlich, er sieht gute Chancen für seine Verfassungsbeschwerde. "Alle zwischenzeitlich gewonnenen Erkenntnisse über die Euro-Krise bestätigen die mit meiner Verfassungsbeschwerde vertretene Position", sagte Gauweiler der Leipziger Volkszeitung. "Der Euro-Stabilisierungsmechanismus verstößt eindeutig und evident gegen das Bail-out-Verbot des Vertrages und erschüttert die Stabilität der Währung anstatt sie zu gewährleisten."

Die Richter am 2. Senat des Bundesverfassungsgerichts werden mit ihrem Spruch zur Griechenland-Hilfe und zum Euro-Rettungsschirm die hitzige Debatte in Berlin weiter befeuern. Noch im September soll der Bundestag den erweiterten Euro-Rettungsschirm beschließen, doch der Widerstand in der angeschlagenen schwarz-gelben Koalition von Angela Merkel ist noch nicht gebrochen. Wenn die Richter in Karlsruhe das Urteil verkünden, setzt der Bundestag seine Beratungen über den Haushalt 2012 fort. Unmittelbar nach dem Urteil der Richter in Karlsruhe stellt sich Kanzlerin Merkel der Generaldebatte. Am Vortag hatte Wolfgang Schäuble im Parlament den Regierungsentwurf für den Etat 2012 vorgestellt.

Seehofer schließt Euro-Austritt Griechenlands nicht aus

Der frühere Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) appellierte an die Abgeordneten, für den Euro-Rettungsschirm zu stimmen. "Alle Abgeordneten des Bundestages sollten sich der Bedeutung der Entscheidung für die künftigen Generationen bewusst sein", schrieb Genscher in einem Gastbeitrag für die Bild-Zeitung. Die EU erlebe die schwerste Krise ihrer Geschichte. Dabei handele es sich auch um eine Vertrauenskrise, weshalb die Abstimmung "bedeutsam für die Wiederherstellung des Vertrauens in die Zukunft Europas" sei.

Derweil schloss sich CSU-Chef Horst Seehofer Forderungen an, Griechenland aus der Euro-Zone auszuschließen: "Ich halte das nicht für ausgeschlossen", sagte der Parteivorsitzende der Bild-Zeitung. Er setze allerdings darauf, dass der eingeschlagene Weg von Hilfe und Sparanstrengungen zum Erfolg führe. "Allerdings gibt es Hilfen nicht ohne Eigenleistungen der Schuldenländer", wurde Seehofer zitiert.

Vertreter der Europäischen Zentralbank, des Internationalen Währungsfonds und der EU-Kommission hatten am Wochenende ihre Prüfung in Griechenland ausgesetzt und der Regierung in Athen eine Frist bis Mitte September gesetzt, um weitere Fortschritte bei der Umsetzung der Sparbeschlüsse zu dokumentieren. Vor Seehofer hatte unter anderem bereits der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms einen Austritt Griechenlands gefordert. Kanzlerin Merkel hatte diese Forderung entschieden zurückgewiesen. "Ich glaube, dass wir damit einen Domino-Effekt einleiten könnten, der außerordentlich gefährlich für unser Währungssystem ist", sagte die Kanzlerin.

Widerspruch kommt nun vom FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler: Zwar habe bereits der frühere Parteichef Otto Graf Lambsdorff davor gewarnt, in Griechenland den Euro einzuführen, sagte Rösler der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung. "Aber Politik bedeutet nun einmal, dass wir von den heutigen Gegebenheiten ausgehen müssen."

Rösler sagte, das Rad der Geschichte lasse sich nicht zurückdrehen. "Der Ausschluss eines Landes ist auch rechtlich wegen der geltenden Verträge nicht möglich", sagte er. Die Krise im europäischen Währungsverbund könne nur gemeinsam gelöst werden. "Das darf allerdings nicht zu einer Vergemeinschaftung von Schulden führen", erklärte Rösler weiter. Euro-Bonds lehne die FDP klipp und klar ab. "Wer gegen das Euro-Regelwerk verstößt, muss auch hart sanktioniert werden - am besten automatisch und ohne jeden Spielraum für die Politik", forderte Rösler.

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