Kurz bevor René Benko zur Urteilsverkündung erscheint, wird im Schwurgerichtssaal von Innsbruck noch kurz gelacht. Einer der hünenhaften Justizwächter hatte die Richterin beim Hineingeleiten des Angeklagten in die angespannte Stille hinein gegrüßt – und Andrea Wegscheider schaute kurz überrascht auf und grüßte dann freundlich lächelnd zurück. Danach geht es ganz schnell, nachdem der Signa-Gründer vorne rechts Platz genommen hat. Zwei Jahre Haft für eine Schenkung an seine Mutter, mit der er seine Investoren, die heute seine Gläubiger sind, geschädigt hat.
Freigesprochen wird der 48-jährige Immobilien-Unternehmer allerdings vom Vorwurf, seine Ex-Partner mithilfe einer Mietvorauszahlung benachteiligt zu haben. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Benko kann Berufung einlegen. Er nimmt das Urteil sitzend mit versteinerter Miene hin. Es kommt einige Stunden früher, als ursprünglich geplant. Es war ein relativ kurzer Prozess. Benko regt sich auch nicht auf, als die Richterin anschließend einige Minuten lang die Entscheidung begründet, die sie gemeinsam mit Schöffen getroffen hat. Dabei hatte Benko am Morgen noch etwas gelöster gewirkt als am ersten Verhandlungstag. Auch am Morgen des zweiten Verhandlungstags musste er beim Betreten des Saals wieder ein minutenlanges Blitzlichtgewitter über sich ergehen lassen wie am Vortag. Doch diesmal stand er etwas lockerer da. Vermutlich wird er sich daran gewöhnen müssen.
Denn zu Ende ist das Verfahren mit diesem Urteil noch lange nicht. Dem Prozess dürften weitere folgen. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ermittelt in mehr als 14 Ermittlungssträngen gegen ihn. Der zweite Prozesstag war der Tag der Zeugen. Als solche waren auch Benkos Mutter, Ehefrau und Schwester geladen, sie nahmen allerdings ihr Aussageverweigerungsrecht wahr.
Benko selbst hatte am ersten Tag angekündigt, er wolle aussagen, schwieg dann aber weitgehend. So machte er das auch am zweiten Verhandlungstag. Nachdem die Oberstaatsanwältin und sein Verteidiger die Plädoyers gehalten hatten, fragte ihn die Richterin noch einmal, ob er sich nun äußern wolle, was er nicht zu tun brauche, aber könne. Benko griff sitzend etwas nervös zum Mikrofon und teilte fast wortgleich wie am Vortag in einem knappen Satz mit, sich den Ausführungen seines Verteidigers anzuschließen. In der Reihe vor ihm rechts waren seine beiden Verteidiger platziert, mit denen er immer wieder flüsterte, als vorn die Zeugen aussagten. Darunter der Finanzchef von Signa, Manuel P., der Chef der Signa-Holding, Marcus M., der sich einmal in einer SMS als „Unterschriftenaugust“ bezeichnet hatte.
Die mit Abstand meiste Zeit wurden am Dienstag die Zeugen zur Mietvorauszahlung befragt
Nur darum ging es in diesem ersten Prozess gegen den Signa-Gründer: Ob er Gläubiger, also ehemalige Investoren geschädigt hat. Ob er möglicherweise Vermögen zu seinen Gunsten verschoben oder verschleiert und damit dem Zugriff der Gläubiger entzogen haben könnte, ehe er dann offiziell als Einzelunternehmer zum Konkursgericht ging. Das ist mit dem Tatbestand der „betrügerischen Krida“, des betrügerischen Bankrotts gemeint. Allein die Forderungen gegen ihn persönlich belaufen sich auf 2,7 Milliarden Euro, anerkannt vom Masseverwalter Grabenweger sind bislang etwa 45 Millionen Euro. Im vorliegenden Fall drehte sich alles um einen möglichen Schaden für die Gläubiger von insgesamt etwa 660 000 Euro. Diese Summe wiederum teilt sich auf in zwei unterschiedliche Verdachtsmomente: einmal die Vorauszahlungen für vier Jahresmieten in Höhe vom gut 360 000 Euro für eine Immobilie im Norden Innsbrucks. Der Stadtteil heißt Hungerburg.
Der zweite Ermittlungsstrang bezog sich auf eine Geldüberweisung in Höhe von 300 000 Euro vom Privatkonto René Benkos an seine Mutter. Entscheidend für die Einschätzung des Gerichts waren jeweils die zeitlichen und ursächlichen Hintergründe der Ereignisse. Die Ermittler hatten diese beiden Untersuchungen als Erstes zur Anklagereife gebracht, weil sie davon ausgegangen waren, dass es sozusagen ein Elfmeter war, den sie sicher verwandeln konnten. Nur bei einem ist ihnen das gelungen. Zu beiden Ereignissen gibt es zahlreiche E-Mails, Chatnachrichten und Kontoauszüge. Die Dokumente sind Teil eines Terabyte-großen Datenschatzes der WKStA.
Die mit Abstand meiste Zeit wurden am Dienstag die Zeugen zur Mietvorauszahlung befragt. Doch schließlich wurde Benko in diesem Punkt freigesprochen. Es geht dabei um eine 350 Quadratmeter große Villa an einem steilen Hang mit Blick über Innsbruck. Die Quadratmeterpreise sind hier recht hoch, worauf auch die Richterin in ihrer Begründung für den Freispruch hinwies. René Benko hat in der Villa nie gelebt, er war auf der anderen Seite Innsbrucks zu Hause, in einer Villa im Stadtteil Igls. Er unterzeichnete aber einen vom 1. Oktober 2023 an geltenden Mietvertrag, um ein neues Zuhause für seine Familie zu schaffen, wie sein Verteidiger ausführte. Zu dem Zeitpunkt war sein Firmenimperium schon ins Taumeln geraten, wie man heute rückblickend weiß. Lange ging es vor Gericht darum, ob die Villa überhaupt bewohnbar war, als Benko sie mietete. Denn es hatte mehrere Hangrutsche gegeben, und es entstanden in dem Zeitraum zwei Wasserschäden.
Einen Tag bevor die Signa-Holding Insolvenz anmeldete, überwies Benko seiner Mutter 300 000 Euro
Zudem ging es um die Summe von 360 000 Euro, was vier Jahresmieten entsprechen soll. Der Masseverwalter gab zu Protokoll, bis heute nicht auf das Geld zurückgreifen zu können, um es der Insolvenzmasse zugutekommen zu lassen. Wurden die Gläubiger also absichtlich geschädigt? Zumal Benko, so erklärte es der Signa-Finanzchef, den Mietvertrag selber aufsetzte. Die Miete zahlte er zudem an eine Immobiliengesellschaft, die die Versalien RB wie René Benko trägt. Der Signa-Finanzchef war der Geschäftsführer dieser Gesellschaft, hat die Villa aber nicht von innen gesehen, jedenfalls nicht, als sie das Objekt an Benko vermietete.
Viele interessante Fragen standen also im Raum an diesem Dienstag. Dennoch wurde Benko hier vom Vorwurf der betrügerischen Krida freigesprochen. Die Richterin und die Schöffen gehen davon aus, sagte Andrea Wehscheider, dass Benko tatsächlich dort wohnen wollte zum damaligen Zeitpunkt. Die Miete sei auch nicht überhöht, auch wenn es viel Geld sei. Das Gericht habe zudem nicht feststellen können, wie der Zustand der Villa zum Zeitpunkt der Anmietung war. Offenbar sei sie bewohnbar gewesen, wie mehrere Zeugen sagten.
Anders ihr Urteil beim Thema Schenkung. Benko hatte seiner Mutter ausgerechnet am Tag, bevor die Signa-Holding Insolvenz anmeldete, 300 000 Euro überwiesen. Diese Summe war nur ein kleiner Teil von Überweisungen in Millionenhöhe, die vor und nach der Insolvenz der Signa-Holding am 30. November 2023 zwischen Benko und seiner Mutter getätigt wurden. Aber das war nicht Gegenstand des Verfahrens. Auch wenn sich für Außenstehende hier manche Kuriositäten ergeben. So war es nicht die Mutter selber, die Geld überwies, sondern Benkos Schwester, die über die digitale Signatur der Mutter verfügte. Die Richterin verlas am Dienstag einen Chat-Verlauf. So schrieb die Schwester im November 2023 an Benko: „EUR 3 Mio sind als ,Ausschüttung’ auf Mamas Konto eingegangen. Wie viel willst du weiterschicken? Und welcher Verwendungszweck? Schenkung?“
Überschreitet der Schaden 300 000 Euro, kann das Strafmaß bis zu zehn Jahre betragen
Dass die Familie offenbar kreativ beim Erfinden von Verwendungszwecken war, ließ die Richterin auch in ihre Begründung einfließen. Einmal wurden die 300 000 Euro als „Rückführung Darlehen“, dann als „Übertrag“ und schließlich als „Rückführung Schenkung“ bezeichnet. Richterin Andrea Wegscheider brachte das Ganze in ihrer Begründung auf einen kurzen Nenner. Benko habe von der Mutter ein Geschenk bekommen. Doch er habe ohne Grund einen Teil davon zurücküberwiesen. „Das reicht für die Krida“, sagt sie. Mit der ständigen Umbenennung des Verwendungszwecks habe man versucht, den Zahlungen im Umfeld der Privatinsolvenz „ein Mascherl“ zu geben. Das sei Vorsatz gewesen, weil Benko hätte klar sein müssen, dass er damit jemanden schädigen könnte. Doch ihm sei es darauf angekommen, „Liquidität zu sichern“. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass er sich dabei nichts gedacht hat.
Überschreitet der Schaden für die Gläubiger 300 000 Euro, drohen dem Angeklagten ein bis zehn Jahre Haft, erklärt die Richterin. Hier sind es genau 300 000 Euro, dafür sehe der Gesetzgeber ein Strafmaß von sechs Monaten bis fünf Jahren Haft vor. Zwei Jahre Haft seien für das von Benko begangene Vergehen angemessen. Auch, weil der Angeklagte als unbescholten gelte, also nicht vorbestraft sei. Angerechnet würden die gut neun Monate, die er bereits in Untersuchungshaft saß. Benko beriet sich nach dem Urteil kurz mit seinem Verteidiger, entschied sich dann, abermals nichts zu sagen und entschwand durch eine Hintertür.

