Justiz:Korruptionsermittler wegen Korruption verurteilt

Justiz: Dem Angeklagten und früheren Oberstaatsanwalt werden im Gerichtssaal die Handschellen abgenommen. Jetzt wurde er verurteilt.

Dem Angeklagten und früheren Oberstaatsanwalt werden im Gerichtssaal die Handschellen abgenommen. Jetzt wurde er verurteilt.

(Foto: Andreas Arnold/dpa)

Alexander B. war einer der bekanntesten Bestechungsbekämpfer bei der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Nun muss er sechs Jahre in Haft.

Von Gianna Niewel, Frankfurt

Es war ein besonderer Prozess, der vor dem Landgericht Frankfurt zu Ende ging. Da saß ein Mann auf der Anklagebank, der als Oberstaatsanwalt gegen Korruption gekämpft hatte - und dem nun Korruption vorgeworfen wurde. Er ließ sich Bestechungsgelder bei Spaziergängen in Parks zustecken, er bewahrte Bestechungsgelder im Büro auf, im Büro der Generalstaatsanwaltschaft.

An diesem Freitag verurteilte das Gericht Alexander B. zu einer Haftstrafe von sechs Jahren. Er wurde schuldig gesprochen der Bestechlichkeit in 86 Fällen, der Untreue in 54 Fällen, der Steuerhinterziehung in neun Fällen. Was war passiert?

In der hessischen Justiz galt Alexander B. als "Topjurist", in Frankfurt hatte er sich zuletzt hochgearbeitet zum Leiter der "Zentralstelle zur Bekämpfung von Vermögensstraftaten im Gesundheitswesen". Er ermittelte gegen Apotheker, die doppelt abrechneten, gegen Ärzte, die die Krankenkassen betrogen. Dafür brauchte er Sachverständige.

B. vergab die Aufträge und verdiente am Gewinn mit

Um die Arbeit zu erleichtern, hatten Alexander B. und ein mitangeklagter Schulfreund schon vor Jahren eine Idee. 2005 gründete der Freund die "Medi Transparent GmbH", eine Firma, bei der die Sachverständigen angestellt waren. B. vergab die Aufträge an die "Medi" - und ließ sich im Gegenzug am Gewinn beteiligen. Allein zwischen 2015 und 2020 erhielt er so 277 000 Euro. Doch das war nicht seine einzige Einnahmequelle, denn ab 2015 ließ er sich bei einer weiteren Firma beteiligen. Wieder vergab er Aufträge, wieder wollte er dafür Geld. Bei dieser Firma bekam er noch einmal 66 000 Euro, Bestechungsgeld in Briefumschlägen.

Im Prozess hatte Alexander B. die Vorwürfe der Bestechlichkeit und der Steuerhinterziehung eingeräumt - die Steuern hat er nachgezahlt -, die Untreue aber bestritten. Das Gericht sieht es allerdings als erwiesen an, dass er Rechnungen der "Medi" als sachlich richtig gezeichnet hat, obwohl er wusste, dass die darin enthaltenen Leistungen rechtswidrig abgerechnet waren. Sachverständige hatten etwa Teile der Anklageschrift gefertigt, die Aufgabe darf ein Staatsanwalt nicht übertragen. Durch die Untreuehandlungen sei dem Land Hessen über die Jahre ein Schaden von 583 000 Euro entstanden.

Strafverschärfend wertete das Gericht neben der Länge des Tatzeitraums auch die "kriminelle Energie", die die Männer aufbrachten, um die Bestechungszahlungen zu verschleiern. Der Freund überwies das meiste Geld auf ein Konto, das auf seinen Namen lief, zu dem aber nur Alexander B. die Karte hatte. Als B.s ehemalige Partnerin die Ermittler 2019 auf die Spur brachte, hörten sie nicht auf. Der Freund gab B. das Geld nun bar. Er wurde am Freitag zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.

In Frankfurt endet damit ein Prozess, der aus einem weiteren Grund besonders war. Denn das System der Bestechungszahlungen funktionierte auch deshalb, weil es in der Generalstaatsanwaltschaft keine Kontrollen gab. Keine Innenrevision, kein Vier-Augen-Prinzip. Beides ist korrigiert. Und während das Land Hessen nun Regressforderungen prüft, hat der Verteidiger von Alexander B. am Freitag bereits angekündigt, Revision einlegen zu wollen.

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