Urteil:Im Lügengebäude

Nach mehr als zwei Jahren endet der Prozess gegen vier ehemalige Bankiers von Sal. Oppenheim. Alle sind schuldig - ins Gefängnis soll aber nur einer.

Von Jannis Brühl, Köln

Jetzt lassen sich die Augen nicht mehr vor der Realität verschließen. Friedrich Carl Janssen versucht es trotzdem. Er sitzt zurückgelehnt mit geschlossenen Lidern da und hört sich an, warum er ins Gefängnis muss. Zwei Jahre und zehn Monate Haft lautet das Urteil des Kölner Landgerichts gegen den 71-Jährigen mit der ergrauenden Mähne. Richterin Sabine Grobecker verliest die Urteilsbegründung.

Damit geht nach mehr als zwei Jahren ein spektakulärer und hoch komplizierter Prozesse zu Ende. Das Verfahren gegen die ehemalige Führungsriege der Privatbank Sal. Oppenheim bot prominente Zeugen wie Madeleine Schickedanz, Thomas Middelhoff und Deutschlands Goldman-Sachs-Chef Alexander Dibelius. Und es gewährte Einblicke ins Geschäft mit Deutschlands Superreichen. Ein Geschäft, das in diesem Fall schiefging. Vier Banker haben ihrem Haus einen Millionenschaden zugefügt, so das Urteil, das noch nicht rechtskräftig ist. Das Gericht sah den Vorwurf der "gemeinschaftlich begangenen Untreue in besonders schwerem Fall" als erwiesen an.

Janssen, als persönlich haftender Gesellschafter für das Risikomanagement von Sal. Oppenheim zuständig, muss aber als Einziger ins Gefängnis. Die anderen drei Ex-Gesellschafter auf der Anklagebank erhalten Bewährungsstrafen: der 66-jährige Matthias Graf von Krockow, Ex-Sprecher, sowie Dieter Pfundt, 64 und früher fürs Investmentbanking zuständig, zwei Jahre auf Bewährung und Christopher von Oppenheim, 49, ein Jahr und elf Monate. Von Krockow und von Oppenheim half, dass sie gestanden hatten. Pfundt und Janssen sahen sich dagegen strafrechtlich überhaupt nicht in der Verantwortung.

Es ist der vorläufige Endpunkt des Niedergangs einer mehr als 200 Jahre alten Privatbank, die einst die größte Europas war, die das Geld von reichen Unternehmern und Erben anzog. Es gibt ein kunstvoll verziertes Fenster im Kölner Dom, das nach den Oppenheims benannt ist. Gestiftet im 19. Jahrhundert von einer Vorfahrin Christophers. Ein anderes zahlte die Bank 2008, kurz bevor alles zusammenbrach. Das war einmal. Heute geht es eher um vergitterte Fenster als um buntes Glas.

Die Ex-Bankiers haben sich zweier Vergehen schuldig gemacht: Erstens setzten sie bei einem Immobiliengeschäft in Frankfurt zusammen mit dem mitangeklagten Bauunternehmer Josef Esch Millionen Euro der Bank in den Sand. Ein Grund für Janssens besondere Schuld ist, dass er den tatsächlichen Wert der Immobilie damals nicht ausreichend ermittelte bevor er das Geld der klammen Bank investierte. Und zweitens beteiligte sich Sal. Oppenheim unverantwortlich am später kollabierten Handelskonzern Arcandor - obwohl offensichtlich große Probleme mit der Bonität hatte. Das hätten alle Gesellschafter gewusst, aber rechtswidrig ignoriert als sie Kredite über 20 Millionen Euro ohne ausreichende Sicherheiten vergaben, so die Richterin. Zuvor hatten sie zudem Quelle-Erbin und -Großaktionärin Madeleine Schickedanz mit einer dreistelligen Millionensumme geholfen, ihren Anteil am Konzern zu erhöhen. Das Geld floss über eine Tarnfirma, vorbei am Aufsichtsrat der Bank. Das Interesse hatten Karstadt-Immobilien geweckt, weil Sal. Oppenheim gemeinsam mit Esch steuersparende Immobilienfonds für ausgewählte Kunden auflegte. Unter anderem gehörten die Deichmanns und Bankerbe Wilhelm von Finck zu den Oppenheim-Klienten. So verknüpften die Chefs von Sal. Oppenheim das Schicksal ihrer Bank mit dem von Schickedanz und Arcandor. Als der Konzern pleiteging, traf es die Bank hart. "Sie haben ab 2005 ein Lügengebäude errichtet, das ab 2008 einstürzte", sagte Oberstaatsanwalt Torsten Elschenbroich in seinem Schlussplädoyer. Auch Sal. Oppenheim wäre dabei untergegangen, hätte die Deutsche Bank das Haus übernommen. Dabei waren die adligen Traditionalisten von Oppenheim und von Krockow doch eigentlich angetreten, die stolze Tradition der Privatbank fortzuführen.

Josef Esch muss nur knapp eine halbe Million zahlen - wegen unerlaubter Bankgeschäfte

Der Prozess gegen sie hat nun fast 130 Verhandlungstage gedauert, quälend für alle Beteiligten bis zum Schluss. "Es wird ein Kraftakt", sagt Richterin Grobecker zu Beginn der Urteilsbegründung, nachdem sie das Publikum zur Ruhe gerufen hat. Sie spricht von Kreditnehmereinheiten und Zwangsvollstreckungsunterlassungsklauseln, die Komplexität des Verfahrens wird noch einmal deutlich. Grobecker zeichnet nach, wie die Führungsriege hauseigene Experten nicht informierte oder ihre Analyse ignorierten, bei Karstadt-Quelle gebe es nur "heiße Luft".

Trotzdem bleibt das Gericht mit seinem Urteil am Ende unter den Forderungen des Staatsanwalts. Das ärgert offenbar einige im Publikum. Als Grobecker die Strafen verkündet, wird es unruhig. Beim Urteil gegen den fünften Angeklagten Esch bricht gar ungläubiges Gelächter aus: Er muss wegen unerlaubten und fahrlässigen Betreibens von Bankgeschäften 90 Tagessätze à 5500 Euro zahlen, insgesamt 495 000 Euro. Für den Arcandor-Komplex wird er nicht verurteilt, den Vorwurf der Beihilfe zur Untreue im Zusammenhang mit dem Frankfurter Immobilien-Deal hatte das Gericht im Lauf des Verfahrens fallen gelassen. Eschs Rolle bleibt dennoch undurchsichtig, belasten wollten ihn die anderen Angeklagten nicht. Ob er tatsächlich die Strategie der Bank von außen beeinflusste, klärte das Gericht nicht.

Parallel zum Kölner Strafverfahren muss sich die Bank auch mit Zivilklagen reicher Kunden herumschlagen, die ihr Geld wieder wollen. Auch Madeleine Schickedanz hatte im Prozess ausgesagt. Der Untergang von Arcandor und Quelle hat ihr Vermögen eingedampft. Auch Thomas Middelhoff, ehemaliger Chef von Arcandor und gefallener Star der Manager-Szene, will Millionen von Sal. Oppenheim. Als Zeuge hatte er Josef Esch belastet. Gebracht hat es am Ende wenig.

Trotzdem ist Esch von allen Verurteilten der lebhafteste. Er macht Notizen, wippt mit dem Fuß. Und noch einer schreibt bei der Urteilsverkündung fleißig mit: Staatsanwalt Elschenbroich. Er bereitet wohl schon die Revision vor. Denn eigentlich wollte er auch Pfundt, von Krockow und von Oppenheim hinter Gitter bringen.

Sal. Oppenheim Prozess

Ex-Banker Friedrich Carl Janssen (Mitte) soll als einziger der Verurteilten ins Gefängnis. Die Staatsanwaltschaft arbeitet offenbar an der Revision.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)
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