Süddeutsche Zeitung

Kuriose Urteile:Wer hat recht?

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Wohnungskündigung, gebunkertes Geld, falsch verstandene Tierliebe: Weshalb Eigentümer und Mieter zuletzt vor Gericht zogen - und wie es ausging.

Von Marianne Körber

Eigentlich wird in Mietverträgen alles Wichtige geregelt. Und doch gibt es immer wieder Streit zwischen Mietern und Vermietern. So ausgefeilt die Klauseln auch sind, der Teufel steckt oft im Detail. Einige interessante Urteile von Amts- und Landgerichten und von oberster Instanz.

Eigenbedarf und hohes Alter

Bei Eigenbedarfskündigungen muss immer abgewogen werden: Welches Recht wiegt schwerer, das des Eigentümers oder das des Mieters? Ein Urteil zeigt auch hier: Manche Punkte müssen differenziert betrachtet werden. Das hohe Alter eines Mieters ist beispielsweise nicht grundsätzlich ein Schutz vor einer Eigenbedarfskündigung. In jedem Fall müssen die Umstände des Einzelfalles betrachtet werden, befand der Bundesgerichtshof (Az.: VIII ZR 68/19), wie die Zeitschrift NJW-Spezial berichtet. In dem Fall hatte die Eigentümerin einer 1932 geborenen Mieterin gekündigt, die seit 1997 in der Wohnung lebte. Die Eigentümerin wollte ihre Wohnung für Aufenthalte in Berlin nutzen, wo ihr Sohn lebt, um nicht länger bei diesem übernachten zu müssen. Das Amtsgericht Berlin-Mitte und das Landgericht Berlin sahen in dem hohen Alter der Mieterin und deren Verwurzelung in der Gegend einen Grund gegen die Kündigung. Das sah der BGH anders. Allein ein hohes Alter genüge nicht, um eine besondere Härte festzustellen, weil sich das Alter bei jedem anders auswirke. Daher müssten weitere Umstände herangezogen werden, wie der Gesundheitszustand, die den Härtefalleinwand tragen. Das Gesetz sehe nicht vor, dass Mieter ab einem gewissen Alter kündigungsschutzprivilegiert seien.

Versteckte Schätze

Wer etwas findet, hat meist Anspruch auf Finderlohn. Allerdings gilt das nicht bei jedem Schatz: Hat der Vormieter etwas versteckt, bekommt der Mieter nicht automatisch Finderlohn, berichtet die Zeitschrift Das Grundeigentum des Eigentümerverbandes Haus und Grund Berlin. Denn bewusst verstecktes Vermögen sei nicht verloren gegangen, befand das Amtsgericht München (Az.: 111 C 21915/19). In dem verhandelten Fall hatte die Mieterin in ihrer Wohnung Arbeiten an den Elektroleitungen vornehmen lassen. Der Elektriker und die Mieterin entdeckten beim Überprüfen einer defekten Steckdose einen Hohlraum, in dem 80 000 Euro in bar versteckt waren. Die beiden gaben das Geld ab. Das Fundbüro war der Ansicht, die Summe gehöre in den Nachlass des verstorbenen Vormieters. Die Mieterin meinte, es seien nicht alle Erben ausfindig gemacht worden. Daher gehe der Betrag nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten in ihren Besitz über. Das sah das Gericht anders: Die Mieterin habe nicht nachweisen können, dass es sich bei den Banknoten um verlorene Sachen im Sinne des Gesetzes gehandelt habe. Verloren seien nur Sachen, die nach Besitzrecht besitzlos seien. Da der verstorbene Vormieter die Banknoten versteckt habe, gehe das Geld in die Erbmasse ein.

Markisen anbringen

Balkone sind ein großes Plus einer jeden Mietwohnung. Allerdings ist dann meist auch ein guter Sonnenschutz wichtig. Muss man bei der Auswahl den Vermieter fragen? Im Prinzip ja, bauliche Maßnahmen an einer Mietwohnung bedürfen der Zustimmung des Vermieters, betont der Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Markisen dürfen von Mietern nicht einfach fest angebaut werden, denn dadurch wird die Fassade beschädigt und das optische Erscheinungsbild verändert. Ist die Sonneneinstrahlung jedoch sehr stark, darf der Vermieter den Einbau auch nicht einfach untersagen, entschied das Amtsgericht München (Az.: 411 C 4836/13). Der Grundsatz von Treu und Glauben gebiete es, dass die Vermieterin nicht ohne triftigen, sachbezogenen Grund dem Mieter Einrichtungen versage, die diesem das Leben in der Mietwohnung angenehmer gestalten könnten, und durch die die Vermieterin nur unerheblich beeinträchtigt und die Mietsache nicht verschlechtert werde, so das Gericht. Für das Aufstellen von Sonnenschirmen auf dem Balkon braucht man keine Genehmigung vom Vermieter, es sei denn, dafür müssen Löcher in die Wand gebohrt werden.

Häufiges Taubenfüttern

Füttert jemand Tauben mit Brotstücken und anderen Lebensmitteln, kann dies auch die Nachbarn beeinträchtigen. Kommt es zu Verschmutzungen des Grundstücks, kann die intensive Fütterung verboten werden, so eine Entscheidung des Landgerichts Frankenthal (Az.: 2 S 199/20). Wer sich nicht daran hält, muss mit einem erheblichen Ordnungsgeld oder sogar Ordnungshaft rechnen, erläuterte das Rechtsportal des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Der Fall: Ein Ehepaar hatte sich vor Gericht gegen eine Nachbarin gewehrt, die Vögel fütterte. Die Frau warf immer wieder größere Mengen an Brot und anderen Lebensmitteln auf ein Garagendach. Dadurch wurden Tauben und andere Vögel angelockt. Die Tiere verschleppten das Brot auch auf die Nachbargrundstücke und verschmutzten das Grundstück. Auch seien ihre im Garten lebenden Schildkröten gefährdet, denn diese würden krank, wenn sie das ausgelegte Brot fressen. Nachdem das Amtsgericht die Klage noch abwies, bekam das Ehepaar vor dem Landgericht Recht. Die Frau hatte in der Berufungsinstanz noch geleugnet, dass sie große Mengen an Brot gefüttert habe. Dies hatten aber Zeugen eindeutig bestätigt. Die Androhung erheblicher Konsequenzen sei erforderlich, damit die Frau künftig ihre falsch verstandene Tierliebe aufgebe, so das Landgericht.

Umbaumaßnahmen des Vermieters

Mieter können umfangreiche Baumaßnahmen außerhalb ihrer Wohnung verhindern, wenn ihr Besitz davon betroffen ist. Allerdings gibt es dafür nach Ansicht des Amtsgerichts Hamburg-St. Georg Grenzen (Az.: 912 C 21/21). Verhindern können Mieter die Baumaßnahmen nur, wenn die Störungen durch sie wirklich unzumutbar sind, berichtet die Zeitschrift Das Grundeigentum. In dem Fall wollte der Vermieter in zwei Wohnungen im Erdgeschoss und im 1. Stock umfangreiche Arbeiten durchführen. Die beiden Wohnungen sollten unter anderem durch einen Deckendurchbruch zusammengelegt werden. Der Mieter im zweiten Stock befürchtete durch die Arbeiten Schäden an den Antiquitäten in seiner Wohnung, erhebliche Lärmbelästigungen und Risse in den Wänden. Daher beantragte er eine einstweilige Verfügung auf Unterlassen. Und scheiterte. Er habe nicht ausreichend dargelegt, dass die zu erwartenden Störungen wirklich unzumutbar seien, so das Gericht.

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