Süddeutsche Zeitung

Urteil:Gericht verbietet Negativzins

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Die Volksbank Reutlingen darf Kunden, die bereits ein Konto haben, nicht mit Strafzinsen belasten. Das entschied das Landgericht Tübingen. Die Bank wollte einen Negativzins auch bei kleineren Anlagebeträgen verlangen.

Von Harald Freiberger, München

Banken dürfen von ihren Kunden bei schon bestehenden Konten keine Strafzinsen verlangen. Das entschied das Landgericht Tübingen am Freitag in einem Urteil gegen die Volksbank Reutlingen (Az. 4 O 187/17). Diese hatte im Preisaushang Negativzinsen für drei Produkte eingeführt, unter anderem für eine Festgeldanlage ab 10 000 Euro. Das Gericht erklärte dies für rechtswidrig. Bei bereits abgeschlossenen Einlagegeschäften könne die Bank nicht einseitig nachträglich eine Entgeltpflicht einführen. Weil die Bank nicht zwischen Alt- und Neuverträgen unterschieden habe, seien ihre Klauseln insgesamt unwirksam.

Das Urteil könnte Folgen für andere Banken haben, die von ihren Kunden einen Negativzins verlangen. Davon gibt es mittlerweile einige. Den Anfang machte 2015 die Skatbank, die Direktbanktochter einer thüringischen Volksbank. Sie gibt den Negativzins, den die Europäische Zentralbank (EZB) für kurzfristige Einlagen der Banken verlangt, an Kunden mit hohem Vermögen weiter. Die EZB berechnet derzeit einen Negativzins von 0,4 Prozent. Weitere Banken folgten, etwa die Volksbank Stendal, die Volksbank Raiffeisenbank Niederschlesien oder die Raiffeisenbank Gmund. Sie berechnen den Strafzins für höhere Anlagebeträge ab 100 000 oder 500 000 Euro.

Die Verbraucherschützer berufen sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch

Die Volksbank Reutlingen war das erste Institut, das den Negativzins auch bei niedrigeren Beträgen ab 10 000 Euro einführen wollte. Daraufhin meldeten sich Kunden bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, die im Sommer 2017 eine Unterlassungserklärung einklagte, damit Negativzinsen für Geldanlagen auch für die Zukunft ausgeschlossen würden. Diese gab die Volksbank Reutlingen nicht ab. Deshalb kam es nun zum Urteil.

"Das Gericht stellt klar, dass Negativzinsen für bestehende Geldanlageverträge nicht mit Klauseln eingeführt werden können, wie sie die Volksbank Reutlingen verwendet hat", sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale. Die Bank könne nicht im Kleingedruckten aus einer Geldanlage einen kostenpflichtigen Verwahrungsvertrag machen.

Die Verbraucherzentrale hatte sich auf das Bürgerliche Gesetzbuch berufen. Nach Paragraf 488 sei nur der Darlehensnehmer - also die Bank - verpflichtet, den geschuldeten Zins zu zahlen. Der Darlehensgeber - der Kunde - könne nicht dazu verpflichtet werden, demnach seien Negativzinsen ausgeschlossen.

Nauhauser begrüßte das Urteil. Seiner Auffassung nach ist es auch auf andere Banken übertragbar, sofern sie den Negativzins mit einer ähnlichen Klausel eingeführt haben. "Die Bank müsste, wenn sie einen Negativzins verlangen will, mit jedem Kunden den Vertrag neu verhandeln und darin ein Entgelt für die Verwahrung vereinbaren", sagt Nauhauser. Er schließt nicht aus, dass die Verbraucherzentralen auch gegen andere Banken klagen. Derzeit seien solche Klagen aber nicht anhängig.

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Quelle:
SZ vom 27.01.2018
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