Urteil gegen Deutsche Bahn:Zu Unrecht gefeuert

Schlappe für die Deutsche Bahn: Der Konzern muss die Chefermittlerin wieder einstellen, die er nach der Datenaffäre gefeuert hat. Das Gericht stärkt die Position der internen Ermittler.

Klaus Ott und Daniela Kuhr

Bei den Aufräumarbeiten nach der Datenaffäre ist die Deutsche Bahn (DB) zu weit gegangen. Das entschied das Arbeitsgericht Berlin. So sei die Chefermittlerin bei Korruptionsdelikten zu Unrecht gefeuert worden. Neuer Aufsichtsratschef des Staatsunternehmens wird der frühere Degussa-Manager Utz-Hellmuth Felcht.

Das Arbeitsgericht stellte in einem Urteil gegen die Bahn nach der Datenaffäre klar, dass Unternehmen beim Verdacht auf Korruption und andere Wirtschaftsdelikte weitreichende Befugnisse haben, um mögliche Kapitalvergehen aufzuklären. Das Gericht entschied deshalb, die Bahn habe nach der Affäre ihre Chefermittlerin bei Korruptionsdelikten zu Unrecht gekündigt. Die Vorwürfe des Unternehmens, die Fahnderin habe Datenschutzvorschriften verletzt, seien "nicht nachvollziehbar". Die Bahn will nach Angaben eines Sprechers Berufung gegen das Urteil einlegen.

Das Unternehmen hatte die Chefermittlerin Mitte 2009 gefeuert, weil sie in die Datenaffäre verwickelt gewesen sein soll. Sie soll an Aufträgen für einen fragwürdigen Dienstleister mitgewirkt haben, heißt es in DB-Kreisen. Dieser Dienstleister wiederum, gemeint ist offenbar die Berliner Firma Network, hatte an der nahezu flächendeckenden Ausspähung der Bahn-Belegschaft mitgewirkt.

Dabei waren Adressen und Bankverbindungen von eigenen Mitarbeitern und Geschäftspartnern abgeglichen worden, um Hinweise auf Betrug, Korruption oder andere Delikte zum Schaden des Konzerns zu finden. Mit dem Rauswurf der Chefermittlerin wollte die Bahn unter ihrem neuen Vorstandschef Rüdiger Grube der Belegschaft signalisieren, dass man solche Praktiken nicht dulde.

Die Chefermittlerin wehrte sich bei Gericht und bekam nun in der ersten Instanz in vollem Umfang Recht. Das Unternehmen muss die Fahnderin wieder einstellen, heißt es in dem Urteil mit dem Aktenzeichen 38 Ca 12879/09, das gegen die durch Grube und den Konzernvorstand vertretene Bahn erging. Das Unternehmen habe keine Tatsachen vorgetragen, die eine Kündigung rechtfertigten.

Gezielte Kontrolle von E-Mails möglich

Das Gericht stärkte zugleich die Position der internen Ermittler beim "begründeten Verdacht" von Korruption. Dazu zählten die gezielte Kontrolle von E-Mails der betroffenen Mitarbeiter und die Einschaltung von Detektiven. In Einzelfällen könne es "erforderlich sein, personalbezogene Daten" von Mitarbeitern, deren Familien und Auftragnehmern der Bahn "abzugleichen", etwa Adressen und Kontonummern. So könne man Hinweisen auf gesetzeswidrige Geschäfte nachgehen. Kriminelle Mitarbeiter wickelten solche Geschäfte häufig über nahe Angehörige ab. Das Urteil ist, da die Bahn nun das Landesarbeitsgericht anrufen will, noch nicht rechtskräftig.

An der Konzernspitze geht der Umbau dagegen weiter: Nach wochenlanger Suche haben sich die Berliner Regierungskoalition von CDU/CSU und FDP sowie Aufsichtsratskreise der Bahn auf einen neuen Chef für das Kontrollgremium verständigt. Der bisherige Vorsitzende Werner Müller, er war in der früheren rot-grünen Regierung Wirtschaftsminister gewesen, wird noch im März durch den früheren Degussa-Chef Utz-Hellmuth Felcht abgelöst. Das teilte Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) am Sonntag mit. Über die Personalie wird das Bundeskabinett am Mittwoch offiziell entscheiden.

Der Favorit von Schwarz-Gelb

Felcht galt schon seit einiger Zeit als Ramsauers Favorit für den Posten. Anderen Kandidaten war es nicht gelungen, die Zustimmung sowohl von Union und FDP als auch von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu erhalten. Der 63-jährige Felcht ist promovierter Chemiker und hat viele Jahre in Bayern verbracht, unter anderem als Vorsitzender des Chemieunternehmens SKW Trostberg Ende der neunziger Jahre. 2001 übernahm er den Vorstandsvorsitz des Chemiekonzerns Degussa, den er jedoch 2006 vorzeitig wieder aufgab.

Grund dafür waren - pikanterweise - Auseinandersetzungen mit Werner Müller, der damals als RAG-Chef andere Vorstellungen über die Zukunft von Degussa hatte als Felcht. RAG hatte Degussa im Jahr 2003 mehrheitlich übernommen. Das Mandat des bisherigen Bahn-Aufsichtsrats Müller läuft am 24. März ab.

Zwar hätte Bahn-Chef Grube sich eine weitere Zusammenarbeit mit ihm durchaus vorstellen können, doch der parteilose Müller war der neuen Koalition zu SPD-nah. Gewerkschafter wollten die Personalie am Wochenende nicht bewerten. Der Chef der Verkehrsgewerkschaft GDBA, Klaus Dieter Hommel, sagte lediglich: "Wir erwarten, dass auch der neue Mann an der Spitze den integrierten Konzern und somit den konzerninternen Arbeitsmarkt erhält." Damit will er Überlegungen entgegentreten, das Schienennetz aus dem Bahn-Konzern zu lösen.

Außerhalb der Chemiebranche ist Felcht bislang kaum bekannt. Er gilt als spröde, besitzt aber Fingerspitzengefühl- und er hat ein Hobby, das nicht das schlechteste ist, um ihn für die neue Aufgabe zu qualifizieren: Felcht sammelt leidenschaftlich Miniatureisenbahnen.

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