Süddeutsche Zeitung

Urteil: Fernbus-Linien:Bus statt Bahn

Empfindliche Niederlage für die Bahn: Überregionale Busse dürfen dem Staatskonzern auf der Straße Konkurrenz machen. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgericht ermöglicht eine neue Art des Reisens.

Daniela Kuhr

Die Deutsche Bahn wird im Fernverkehr vermutlich schon bald Konkurrenz durch Billigbusse bekommen. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts müssen Fernbus-Linien künftig sehr viel häufiger genehmigt werden als bisher.

Wenn die Fahrpreise im Busverkehr deutlich günstiger seien als die entsprechenden Fahrpreise der Bahn, könne das für eine Genehmigung ausreichen, entschied der dritte Senat in Leipzig (Aktenzeichen: 3 C 14.09).

Anders als in anderen Ländern spielt der Buslinien-Fernverkehr in Deutschland bislang keine wichtige Rolle. Gerade mal 50 Verbindungen existieren, die meisten von und nach Berlin. Grund dafür ist das Personenbeförderungsgesetz. Es besagt, dass eine Bus-Fernlinie immer dann zu untersagen ist, wenn die Strecke von anderen schon "befriedigend bedient" wird und das neue Angebot keine wesentliche Verbesserung bringt.

Sieg mit fadem Beigeschmack

In dem konkreten Fall ging es um eine Verbindung zwischen Frankfurt am Main und Dortmund, die ein Busunternehmer parallel zur Bahn betreiben wollte. 25 Euro sollte die einfache Strecke kosten, bei der Bahn kostet das Normalticket auf der gleichen Distanz mindestens 60 Euro. Das Regierungspräsidium Darmstadt hatte dem Busunternehmen im November 2005 die Erlaubnis erteilt.

Die Bahn aber klagte dagegen und berief sich darauf, dass sie selbst auf der Strecke bereits fahre, und zwar schneller, komfortabler und umweltfreundlicher. Das Regierungspräsidium dagegen hatte die Genehmigung vor allem damit begründet, dass die Busverbindung deutlich billiger angeboten würde als die Bahnverbindung.

Vor Gericht ging es daher vor allem um die Frage, ob allein ein niedrigerer Preis ausreicht, um von einer "wesentlichen Verbesserung" zu sprechen. Das Bundesverwaltungsgericht bejahte das nun. Gleichzeitig allerdings hob es die Genehmigung aus formalen Gründen auf. Das Regierungspräsidium hätte der Bahn zunächst die Möglichkeit geben müssen, ihr Angebot selbst nachzubessern, entschieden die Richter.

Mit anderen Worten: Wenn künftig ein Busunternehmer die Genehmigung für eine Fernverkehrsstrecke beantragt und seine Tickets billiger wären als die der Bahn, muss die Bahn die Gelegenheit bekommen, ihr Angebot auf der Strecke nachzubessern, zum Beispiel indem sie den Preis senkt. Tut sie das nicht, darf der Busunternehmer künftig fahren.

EU-Kommission verklagt Deutschland

Die betreffende Vorschrift im Personenbeförderungsgesetz stammt aus den dreißiger Jahren und diente ursprünglich dazu, den öffentlich finanzierten Schienenverkehr zu schützen. Die schwarz-gelbe Koalition hat allerdings bereits beschlossen, den Paragraphen zu ändern und den Buslinien-Fernverkehr künftig zuzulassen. Im Bundesverkehrsministerium wird derzeit überlegt, wie eine Liberalisierung genau aussehen könnte: ob der Markt komplett geöffnet oder ob Konzessionen verteilt werden sollen.

Derweil verklagt die EU-Kommission Deutschland und zwölf weitere EU-Staaten wegen der mangelhaften Öffnung ihrer Eisenbahnmärkte. Das sogenannte "erste Eisenbahnpaket" aus dem Jahr 2001 schreibt unter anderem eine Öffnung des Schienenverkehrs für Anbieter aus anderen EU-Ländern sowie eine Trennung von Gleisbetreibern und Bahnunternehmen vor.

Obwohl die Regeln bis 2003 hätten umgesetzt werden müssen, seien wichtige Aspekte in den betroffenen Ländern noch immer nicht geklärt, begründete die Kommission ihren Schritt. In Deutschland beanstandet die Kommission vor allem, dass es keinen unabhängigen Gleisbetreiber gibt. DB Netz ist eine Tochter der Deutschen Bahn.

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Quelle:
SZ vom 25.06.2010/stl/hgn
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