Urteil des Bundesverwaltungsgerichts:Porto zu teuer? Einfach klagen!

Urteil des Bundesverwaltungsgerichts: In den Jahren 2003, 2004 und 2005 hat ein Verein zu hohe Porti für den Standardbrief gezahlt, urteilten die Richter.

In den Jahren 2003, 2004 und 2005 hat ein Verein zu hohe Porti für den Standardbrief gezahlt, urteilten die Richter.

(Foto: Friso Gentsch/dpa)
  • Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts steht es in Zukunft jedem Postkunden offen, gegen Erhöhungen des Briefportos zu klagen.
  • In Fachkreisen wird nun damit gerechnet, dass es künftig nach der Genehmigung von Portoerhöhungen zu einer Klagewelle gegen die Bundesnetzagentur kommt.

Von Kirsten Bialdiga, Düsseldorf

Für Briefe und Pakete ist bei der Deutschen Post Jürgen Gerdes zuständig. Wenn der Vorstand über dieses Geschäft spricht, dann redet er meist drei Viertel der Zeit über die boomende Paketsparte. Und dann verliert er noch ein paar wenige Sätze über das Briefgeschäft, das im digitalen Zeitalter zunehmend an Bedeutung verliert.

Doch es könnte sein, dass Gerdes den Briefen bald wieder etwas mehr Aufmerksamkeit schenken muss. Vor allem dann, wenn es um die Erhöhung des Portos geht. Nach einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom Donnerstag steht es in Zukunft jedem Postkunden offen, gegen Erhöhungen des Briefportos zu klagen. "Soweit der Kläger als Kunde der (. . .) Deutschen Post mit ihr - etwa durch Einwurf eines frankierten Briefes in den Postkasten - Beförderungsverträge schließt, kann er gegen die Genehmigung des dafür geschuldeten Entgelts Klage erheben", heißt es in dem Urteil der Leipziger Richter, die damit anderslautende Entscheidungen untergeordneter Gerichte kippten.

Adressat etwaiger Klagen ist allerdings nicht die Post, sondern die Bundesnetzagentur. Denn die Regulierungsbehörde muss der Post als früherem Monopolisten die höheren Briefporti genehmigen. Dort hieß es, man wolle das Urteil zunächst in Ruhe auswerten.

Fachleute rechnen nun mit einer Welle von Klagen

In Fachkreisen wird nun damit gerechnet, dass es künftig nach der Genehmigung von Portoerhöhungen zu einer Klagewelle gegen die Bundesnetzagentur kommt. "Es ist zu erwarten, dass der Rechtsweg ausgetestet wird", hieß es. Sollten die Klagen erfolgreich sein, müsste die Post den Kunden zu viel gezahltes Porto künftig erstatten.

Bei der Deutschen Post demonstrierten sie am Donnerstag dennoch Gelassenheit: "Wir gehen davon aus, dass die Bundesnetzagentur künftig mit besonderer Sorgfalt prüfen wird, ob Portoerhöhungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen", sagte ein Post-Sprecher. Er vertraue darauf, dass die Erfolgschancen für Kläger auch in Zukunft gering seien.

Geklagt hatte ein Verein, der jetzt einen vierstelligen Betrag von der Post zurückfordern kann. In den Jahren 2003, 2004 und 2005 habe der Verein zu hohe Porti für zentrale Produkte der Post wie den Standardbrief gezahlt, urteilten die Leipziger Richter. Damit habe der Regulierer Konkurrenten der Post stärken wollen. Dieses Vorgehen habe aber nicht den rechtlichen Vorgaben entsprochen, heißt es in dem Urteil. Für die Jahre 2003, 2004 und 2005 seien allerdings rückwirkend keine Klagen mehr möglich, sagte ein Gerichtssprecher. Auf andere Kunden wirke sich die Entscheidung nicht aus, sie könnten keine Forderungen mehr stellen.

Der wochenlange Streik war für den Konzern teuer: 100 Millionen Euro

Das immerhin ist eine gute Nachricht für die Post, die am Donnerstag zugleich auch ihre Quartalsbilanz veröffentlichte. Erstmals wurde dabei deutlich, wie sich der wochenlange Poststreik auf den Konzern auswirkte: 100 Millionen Euro kostete der Arbeitskampf. In der Folge musste Post-Chef Frank Appel seine Erwartungen für den Jahresgewinn um genau diesen Betrag auf nun mindestens 2,95 Milliarden Euro senken. Der Post-Chef wertete die Belastung als Investition in die Zukunft. Appel hatte sich im vergangenen Jahr ehrgeizige neue Ziele für das Jahr 2020 gesteckt. An denen hält er weiterhin fest.

Im Frühjahr hatten sich die Gewerkschaft Verdi und die Post die härteste Auseinandersetzung der Geschichte geliefert. Es ging vor allem um die Bezahlung von Paketboten zu niedrigeren Tarifen in neuen Gesellschaften. Das konnte Verdi zwar nicht verhindern, aber immerhin erreichen, dass bestehende Verträge nicht angetastet werden dürfen.

Bei der Post lief es im zweiten Quartal auch sonst nicht überall gut. Der Gewinn der Speditionssparte (Freight) brach um 61 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Appel hatte die Sanierung des Geschäfts zur Chefsache gemacht, nachdem die Probleme mit einem neuen IT-System nicht abnahmen. Dagegen lieferte vor allem die globale Paketsparte (Express) deutliche Gewinnzuwächse ab. 2015 sei ein Jahr des Übergangs, resümierte Appel nun. Ein weiteres kann er sich kaum leisten, wenn er seine Ziele 2020 erreichen will.

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