Löhne:Arm in die Ferien

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Ferien am Strand in Spanien muss man sich erst mal leisten können. Das Urlaubsgeld könnte helfen - falls man es bekommt. (Foto: Clara Margais/dpa)

Das Urlaubsgeld wurde eingeführt, damit auch Menschen mit geringem Lohn mal verreisen können. Heute sieht es so aus: Etwa jeder zweite Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft bekommt gar keines - unter ihnen besonders viele mit niedrigem Einkommen.

Von Benedikt Peters, München

Den Zusammenhang zwischen der Lohnauszahlung und den Freuden des Konsums hat wohl niemand so treffend besungen wie die weiseste aller kölschen Mundartbands, die Bläck Fööss. In "Lange Samstag en d'r City" huldigen die Kölner Musiker einer Familie, bestehend aus "Pap", "Mam" und der kleinen Tochter "Titti". Die drei tingeln stundenlang durch die Geschäfte und kaufen allerlei Dinge. Warum sie das tun, auch das besingen die Fööss: "Weil et Jeld jejeben hat."

Die Sommermonate sind traditionell eine Hochzeit des Konsums. Die Ferien kommen, das Hotelzimmer, der Flug, das Eis am Strand, all das muss bezahlt werden. Gut also, dass es, um noch einmal mit den Fööss zu sprechen, für diese Zeit ein wenig Extra-"Jeld" gibt: Die Gewerkschaften erstritten - maßgeblich in den 1950er- und 1960er-Jahren - in vielen Branchen das Urlaubsgeld. Ähnlich wie das Weihnachtsgeld sollte es ursprünglich insbesondere einfacheren Arbeitern und Angestellten zugutekommen, damit auch diese sich Ferien und Feste leisten können.

Von dem hehren Grundgedanken ist allerdings nur noch wenig übrig, wie nun die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung meldet: Demnach erhält in Deutschland weniger als die Hälfte aller Arbeitnehmer in der Privatwirtschaft überhaupt Urlaubsgeld - und ausgerechnet unter den Geringverdienern ist ihr Anteil mit 38 Prozent besonders gering. So hat es eine Umfrage der Stiftung unter etwa 60 000 Beschäftigten ergeben.

Das ist nicht die einzige Schieflage, die sich aus den Daten ablesen lässt. Strukturelle Probleme, die man aus anderen Zusammenhängen kennt, gibt es auch bei den Sonderzahlungen. Das Gender-Pay-Gap etwa: Männliche Angestellte (50 Prozent) erhalten deutlich häufiger Urlaubsgeld als Frauen (41 Prozent). Westdeutsche (49 Prozent) bekommen es öfter als Ostdeutsche (34 Prozent). Als ungerecht empfinden mag man schließlich auch, dass das Urlaubsgeld, wenn es denn gezahlt wird, dort besonders niedrig ausfällt, wo die Leute ohnehin wenig verdienen: in der Landwirtschaft etwa oder im Hotel- und Gaststättengewerbe, wo es im Schnitt bei 240 Euro liegt. In Hochlohnbranchen hingegen ist es um ein Vielfaches höher: Angestellte in der chemischen Industrie bekommen mit 1200 Euro fünfmal so viel, Beschäftigte in der Metallindustrie mit 2235 Euro beinahe zehnmal so viel.

Erklären lassen sich die Unterschiede mit den Eigenheiten der Gewerkschaften. Wo sie viele Menschen binden - in Großbetrieben, in der Industrie, in Westdeutschland -, wird mehr und häufiger Urlaubsgeld bezahlt. Die Arbeitnehmervertreter haben dort die Macht, es über Tarifverträge durchzusetzen. Wo sie hingegen schwächeln - im Osten und im Dienstleistungsgewerbe, wo überdurchschnittlich viele Frauen arbeiten -, gibt es weniger oder nichts. So gesehen lässt sich aus der Umfrage auch ein Appell herauslesen. Wenn sich mehr Menschen in Gewerkschaften organisieren, dann werden nicht nur die Arbeitsbedingungen insgesamt besser, dann gibt es auch mehr Urlaubsgeld. Für das Eis am Strand, für den langen Samstag in der City - oder wofür man es eben sonst ausgeben mag.

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