Upload-Filter:Warum das neue Urheberrecht alle angeht

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2019 haben viele Menschen gegen die EU-Urheberrechtsreform demonstriert. (Foto: Peter Endig/dpa)

Die EU-Urheberrechtsreform löste heftige Proteste aus. Für die deutsche Umsetzung interessiert sich jedoch kaum jemand. Doch dieses Gesetz wird das Netz verändern. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Von Simon Hurtz

Es ist Winter, ein komplizierter Gesetzestext wird veröffentlicht, und kaum jemand ist zufrieden. Das erinnert an 2019. Damals feilschten Europaabgeordnete monatelang um die Reform des Europäischen Urheberrechts, während mächtige Konzerne und Lobbyverbände versuchten, ihre Interessen durchzusetzen. Mehr als 100 000 Menschen gingen auf die Straße, um gegen Upload-Filter und für das freie Netz zu protestieren.

Zwei Jahre später wiederholt sich die Geschichte auf nationaler Ebene, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied. Während die EU-Urheberrechtsrichtlinie massenhaft junge Menschen politisierte, interessieren sich für die deutsche Umsetzung in erster Linie die üblichen Verdächtigen: Bürgerrechtsorganisation, Netzpolitikerinnen, Juristen und Lobbyvertreter. Dabei betrifft das geplante Gesetz alle, die Inhalte im Netz hochladen, teilen oder einfach nur betrachten - also Millionen Menschen in Deutschland. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:

Wer hat da gerade was beschlossen und warum?

Das Bundeskabinett hat einer Gesetzesvorlage zugestimmt, die umsetzen soll, was die EU im Frühjahr 2019 auf den Weg brachte. Die EU-Urheberrechtsrichtlinie gibt einen Rahmen vor, den alle Mitgliedsstaaten in nationales Recht übertragen müssen. Die Frist endet am 7. Juni 2021, deshalb drängt die Zeit. In ihrem Kern verteilt die EU-Reform die Verantwortlichkeit im Netz neu. Upload-Plattformen haften nun selbst, wenn Nutzerinnen und Nutzer Inhalte hochladen, die gegen das Urheberrecht verstoßen. Deshalb müssen sie Lizenzen erwerben oder bestmögliche Anstrengungen unternehmen, um Urheberrechtsverletzungen zu verhindern.

Warum muss das Urheberrecht überhaupt reformiert werden?

Seit vielen Jahren löst das Thema nur negative Emotionen aus. Wen man auch fragt, fast jeder schimpft. Zumindest auf eine Sache können sich alle einigen: Das alte Urheberrecht zu behalten, ist auch keine Lösung. Schließlich stammt es aus einer Zeit, in der AOL noch mit Boris Becker warb. Damals musste man sich ins Internet einwählen, es gab keine Smartphones, und statt Videos auf Youtube hochzuladen, brannte man Musik auf CDs. Die Rechtslage der Realität des Internets anzupassen, ist also überfällig. Kreative sollen an den Einnahmen der Plattformen beteiligt werden, um auch im digitalen Zeitalter von ihrer Arbeit leben zu können.

Warum streiten die Beteiligten so erbittert?

Beim Urheberrecht geht es nur am Rande um die Rechte der Urheber. Vor allem geht es um die Interessen der Verwerter und großen Plattformen. Kurzum: Es geht um sehr viel Geld. Auf der einen Seite stehen Musik- und Filmindustrie, Verleger und andere Rechteinhaber. Auf der anderen Seite stehen Unternehmen, an deren Jahresumsatz noch eine Null mehr hängt: Google, Facebook und andere Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley. Ihre Idealvorstellungen liegen weit auseinander: Die Verwerter wollen für jede Nutzung eines urheberrechtlich geschützten Werks Geld sehen. Die Plattformen wollen möglichst weitreichende Ausnahmen.

Wie will Deutschland die Reform umsetzen?

Der aktuellen Gesetzesvorlage gingen drei Entwürfe voraus. Mit jeder Version kam die Bundesregierung den Wünschen der Verwerter und Verlage weiter entgegen. Nun scheinen sich Kanzleramt und das CDU-geführte Wirtschaftsministerium durchgesetzt zu haben. Das "Urheberrechts-Diensteanbieter-Gesetz" stutzt die meisten Ausnahmen und Schranken drastisch zusammen, die der erste Diskussionsentwurf enthielt, den das Bundesjustizministerium vor einem Jahr veröffentlicht hatte.

Was sind die wichtigsten Änderungen?

Ursprünglich waren Bagatellgrenzen von 20 Sekunden für Video- und Tonschnipsel, 250 Kilobyte für Bilder und 1000 Zeichen für Texte vorgesehen. Davon sind 15 Sekunden, 125 Kilobyte und 160 Zeichen übrig geblieben. Das ist weniger als ein Tweet, allein der vollständige Name der Gesetzesvorlage umfasst 220 Zeichen. Zudem darf höchstens die Hälfte eines Gesamtwerks genutzt werden, obendrein muss der Ausschnitt mit weiteren Inhalten kombiniert werden.

Diese Einschränkung geht auf die Lobbyarbeit der Verleger zurück. Sie fürchteten, großzügige Grenzen könnten das Leistungsschutzrecht aushebeln. Dieser Bestandteil der Reform soll Suchmaschinen wie Google dazu bringen, Presseverlage bereits für kurze Auszüge zu bezahlen, die in den Suchergebnissen oder bei Google News angezeigt werden. Allerdings gilt die Bagatellregelung ohnehin nur für Einzelpersonen ohne kommerzielle Interessen und damit nicht für Google.

Der Gesetzestext schränkt Karikaturen, Parodien und Pastiches ein. Sie sind nur erlaubt, wenn die Nutzung "durch den besonderen Zweck gerechtfertigt ist". Was das bedeuten soll, bleibt unklar. Selbst wenn dieser Zweck vorliegt, sollen Plattformen für Zitate und Parodien zahlen. Das bricht mit den geltenden Schrankenbestimmungen, was 19 Professorinnen und Professoren in einem offenen Brief kritisieren ( PDF). Verwerter bekommen einen "roten Knopf", mit dem sie bestimmte Uploads unverzüglich blockieren können, wenn erheblicher wirtschaftlicher Schaden droht. Den Knopf dürfen nur "vertrauenswürdige Rechteinhaber" drücken, wobei Plattformen selbst entscheiden, wer dazu zählt.

Was ist mit Upload-Filtern?

Der Entwurf der Bundesregierung lässt viele Fragen offen, aber eine abschließende Antwort gibt er: Die CDU bricht ihr Versprechen, die Urheberrechtsreform ohne Upload-Filter umzusetzen. Stattdessen soll jetzt der Koalitionspartner SPD schuld sein - der aber auch gegen Upload-Filter war. Das führt zu der seltsamen Situation, dass zwei Parteien ein Gesetz vorantreiben, dessen Konsequenz sie verhindern wollten. Denn um den Anforderungen gerecht zu werden, bleibt den Plattformbetreibern nichts anderes übrig, als Inhalte vor der Veröffentlichung zu durchleuchten. Diese Filter kommen bereits zum Einsatz, allerdings in deutlich kleinerem Umfang. Trotzdem machen die Maschinen immer wieder Fehler und sperren legale Inhalte.

Helfen die Regeln Künstlern?

Neben Streitpunkten wie dem Leistungsschutzrecht und den Upload-Filtern enthalten die 171 Seiten viele sinnvolle Änderungen. Tatsächlich sind Macht und Geld im Netz ungleich verteilt: Eine Handvoll großer Plattformen gibt die Regeln vor und verdient Milliarden, während viele Künstlerinnen und Autoren Taxi fahren. Das Gesetz stärkt die Rechte der Kulturschaffenden und führt etwa Direktvergütungsansprüche für Urheberinnen und Urheber ein. Kreative sollen ein Verbandsklagerecht erhalten, um ihre Ansprüche im Kollektiv durchsetzen zu können. Es gibt zeitgemäße Regelungen für Text- und Datamining sowie Ausnahmen für Bildung und Wissenschaft. Allerdings wurden die Schranken für Schulen, Universitäten oder Bibliotheken im Vergleich zu früheren Entwürfen deutlich zurückgenommen. Das könnte Rechtsunsicherheit schaffen und digitale Bildung erschweren.

Wie geht es weiter?

Bevor das Gesetz in Kraft tritt, müssen Bundestag und Bundesrat zustimmen. Das ist kein Selbstläufer: Auch in den Regierungsparteien sehen etliche Netzpolitikerinnen und Digitalexperten den Entwurf kritisch. Falls Union und SPD sich einig sind und den Widerstand der Opposition überwinden können, ist immer noch nicht klar, wie sich das Gesetz auswirken wird. Es enthält etliche unklare Formulierungen, über die am Ende wohl Gerichte entscheiden werden. Selbst die Frage, wer überhaupt mit Plattform gemeint ist, könnte strittig werden. Youtube soll dazuzählen, die Wikipedia nicht, aber ob etwa Twitter darunterfallen soll, darüber ist man sich im Justizministerium noch nicht einig.

Aber nicht nur die Interpretation der Urheberrechtsreform dürfte Richterinnen und Richter beschäftigen. Im Herbst wird der Europäische Gerichtshof urteilen, ob Upload-Filter mit der EU-Grundrechtecharta vereinbar sind. Polen hatte gegen Artikel 17 der EU-Urheberrechtsrichtlinie geklagt, da die erforderlichen Filter das Grundrecht auf Meinungs- und Informationsfreiheit verletzten. Falls das oberste europäische Gericht das genauso sieht, geht der Streit ums Urheberrecht wohl noch ein paar Jahre weiter.

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