Süddeutsche Zeitung

Urheberrecht:Flüchtlinge geraten ins Visier von Abmahn-Anwälten

Lesezeit: 2 min

Von Jessica Binsch

Flüchtlinge und deren Unterstützer, die ihren WLAN-Zugang für Geflüchtete öffnen, geraten derzeit verstärkt ins Visier von Abmahn-Anwälten. Das berichtet die Computerzeitschrift c't.

Das bestätigt auch der Mainzer Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Karsten Gulden. "Es gibt auf jeden Fall mehr Abmahnungen gegen Flüchtlinge und Flüchtlings-Unterkünfte". Das beobachte er seit etwa einem Jahr.

Dabei tappen Flüchtlinge oft unwissentlich in die Abmahnfalle. Die strengen deutschen Urheberrechts-Regeln kennen sie nicht, und nicht überall wird Filesharing so verfolgt wie hierzulande. In Deutschland gibt es spezialisierte Kanzleien, die Abmahnungen verschicken. Mittlerweile hat sich das herumgesprochen, viele deutsche Internetnutzer wissen um die Gefahr eines teuren Anwaltsschreibens wegen illegallem Filesharing.

Ganz anders Flüchtlinge. In Syrien sei Filesharing "weder verpönt, noch werde es juristisch geahndet", schreibt die c't. Sie berichtet von dem Fall eines Syrers, der mittlerweile bei Hannover lebe. Er sollte 815 Euro zahlen, weil er über eine Tauschbörse einen Kinofilm angesehen hatte.

Aufklärung über Tauschbörsen

Unterkünfte sollten ihre Bewohner über die Regeln aufklären, rät Fachanwalt Gulden. Er berichtet von einer Abmahnung gegen eine Flüchtlingsunterkunft, die seine Kanzlei abwehren konnte. Die Betreiber hatten den Menschen vorher erklärt, dass sie keine Tauschbörsen benutzten dürfen.

"Sie haben Informationsblätter auf Englisch und Arabisch verteilt", sagt Gulden. "Ich kann nur empfehlen, dass man solche Information aushändigt." Die Betreiber der Unterkünfte müssten nachweisen können, dass sie die Bewohner über die Gesetze aufgeklärt haben. Dann könne die Unterkunft in der Regel die Abmahn-Forderungen abwehren.

Die Abmahner könnten sich als nächstes an den einzelnen Flüchtling wenden, der möglicherweise einen Film oder ein Musikstück heruntergeladen hat. Seiner Erfahrung nach würden Abmahn-Anwälte hier aber meist aufgeben, sagt Gulden. Schließlich ist die Wahrscheinlichkeit gering, dass bei den Flüchtlingen etwas zu holen ist.

In allen von der c't zusammen getragenen Fällen hatte die Münchener Kanzlei Waldorf-Frommer die Abmahnungen verschickt. Die Kanzlei erklärte der Zeitschrift, dass sie in einzelnen Fällen auf die Lage der Flüchtlinge Rücksicht nähme. "Sobald uns glaubhaft kommuniziert wird, dass es sich um einen Härtefall handelt, nehmen wir darauf angemessen Rücksicht - bis hin zum Totalerlass der Forderung."

In der Praxis läuft das nicht immer so großzügig. Die c't berichtet von einer alleinerziehenden Frau, die nach Deutschland geflüchtet war. Sie sollte nach einer Abmahnung der Münchener Kanzlei Waldorf-Frommer 915 Euro bezahlen. Eine ehrenamtliche Juristin erstritt eine Reduzierung der Summe auf 315 Euro, zahlbar in monatlichen Raten von 10 Euro.

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