Süddeutsche Zeitung

Untersuchungsbericht:Hypo-Vereinsbank soll Fiskus geprellt haben

Dubiose Börsendeals: Einem internen Untersuchungsbericht zufolge soll die Hypo-Vereinsbank systematisch den Staat hintergangen haben - derartige Geschäfte sind offenbar auch bei anderen Banken üblich. Die Affäre könnte ziemlich teuer für die HVB werden.

Von Klaus Ott

Ausgesprochen schwere Kost bekamen dieser Tage die Aufsichtsräte der Hypo-Vereinsbank (HVB) präsentiert. Den Kontrolleuren wurde ein 173-seitiger Untersuchungsbericht vorgelegt, in dem mutmaßlich kriminelle Geschäfte beschrieben werden. Hochkomplizierte und verwirrende Aktiendeals, die nicht leicht zu kapieren sind. Nicht einmal für gute Kenner des Banken- und Börsenwesens.

Die Kernbotschaft, die der Prüfreport enthält, ist aber ohne weiteres zu verstehen. Frühere Mitarbeiter und Manager der HVB sollen den Fiskus systematisch betrogen haben. Das haben interne Ermittlungen der Bank ergeben, die zum italienischen Finanzkonzern Unicredit gehört. Der Verdacht auf Steuerhinterziehung in großem Stil, dem inzwischen auch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt nachgeht, hat sich erhärtet.

Bereits im Herbst 2011 hatte der Aufsichtsrat der HVB die internationale Anwaltskanzlei Skadden Arps Slate Meagher & Flom beauftragt, fragwürdige Deals zu durchleuchten. Jetzt liegen erste Ergebnisse vor, mit denen sich der Aufsichtsrat vergangenen Freitag befasste. Ein Skadden-Jurist, der die Resultate vorstellte, redete Klartext. Es spreche alles dafür, dass sich die Beteiligten an diesen Geschäften abgesprochen hätten, den Fiskus auszunehmen. Außerdem sei man über die ersten Verdachtsfälle hinaus auf weitere fragwürdige Geschäfte gestoßen.

Für die HVB dürfte das ziemlich teuer werden. Vorstandschef Theodor Weimer sagte dem Aufsichtsrat, die Steueraffäre könnte die Bank nach vorläufigen Einschätzungen bis zu 200 Millionen Euro kosten. Die HVB erklärte auf Anfrage, man kooperiere mit den Ermittlungsbehörden. Da es sich um ein laufendes Verfahren handele, könne man keine weiteren Auskünfte geben.

Begonnen hatten die Probleme für die HVB im Jahr 2011, als das Finanzamt Wiesbaden II der Bank bescheinigte, bei Aktiendeals mit dem Berliner Immobilienunternehmer Rafael Roth "aktiv daran mitgewirkt" zu haben, den Fiskus zu betrügen. Der Aufsichtsrat war alarmiert und schaltete Skadden ein. Außerdem informierte die Bank ihre Aktionäre und die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft. Die wiederum durchsuchte im November 2012 die HVB wegen der Handelsgeschäfte mit Roth.

Bei insgesamt gut 20 Deals mit Roth soll der Fiskus, also der Staat, um 124 Millionen Euro erleichtert worden sein. Nun kommen neue Verdachtsmomente hinzu. Die HVB soll auch im sogenannten Eigenhandel mit Aktien die Finanzbehörden getäuscht haben. Im Untersuchungsbericht von Skadden sind dem Vernehmen nach zahlreiche Fälle aus den Jahren 2005 bis 2008 aufgelistet, jeweils mehr als zehn pro Jahr.

Der Trick bei diesen Geschäften, die im Fachjargon als "Dividenden-Stripping" bekannt sind: Die Handelspartner sollen mit falschen Bescheinigungen hohe Steuerrückzahlungen beim Fiskus geltend gemacht und kassiert haben. Eine nur ein Mal gezahlte Kapitalertragssteuer auf Dividendenerlöse sei zwei Mal oder sogar noch öfter erstattet worden. Die Deals seien mit Hilfe von Handelspartnern im In- und Ausland so gestaltet worden, dass den Finanzbehörden der Trick lange nicht aufgefallen sei. Bei der HVB lief viel über die Niederlassung in London, wo drei frühere Beschäftigte kriminell agiert haben sollen.

Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt auch gegen drei aktive beziehungsweise ehemalige Bankangestellte in München. Und gegen den Immobilienunternehmer Roth und dessen Anwalt, der dieses Steuertrickmodell konzipiert haben soll. Roth und sein Anwalt bestreiten die Vorwürfe. Gegen heutige oder frühere Vorstände der HVB gibt es keine Anschuldigungen.

In Finanzkreisen heißt es, viele Banken hätten solche Geschäfte gemacht. Man sei in gutem Glauben gewesen, auf legale Art und Weise eine Gesetzeslücke nutzen zu können. Staatsanwälte und Steuerfahnder sehen das völlig anders, und sie werden durch den Prüfreport der HVB nun bestätigt. Auf den 173 Seiten werden etliche Indizien für systematischen Steuerbetrug genannt. Der Bericht geht nun an die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt und die Bankenaufsicht Bafin. Außerdem wird Skadden rein vorsorglich bei der HVB nun auch die Jahre 2009 bis 2011 erforschen. Vorstandschef Weimer, ist aus der Bank zu hören, will alles "lückenlos aufklären".

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SZ vom 20.02.2013/fran
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