Erst nach der Sommerpause nimmt im Europäischen Parlament der Untersuchungsausschuss zu den Panama Papers seine Arbeit auf, Ärger aber gibt es jetzt schon. Ein Gutachten des Juristischen Dienstes des Rates der EU offenbart, wie groß der Argwohn der Mitgliedstaaten gegenüber dem Ausschuss ist, der sich den massenhaften Enthüllungen über die Machenschaften der Offshore-Briefkastenfirmen widmen soll. Im Untersuchungsauftrag würden nicht "mit ausreichender Genauigkeit" die Tatsachen benannt, denen der Ausschuss nachgehen soll, heißt es in dem Gutachten, das der SZ vorliegt und über das zuvor die tschechische Zeitung Hospodářské noviny berichtet hatte.
Vor allem zweifeln die Juristen des Rates die Zuständigkeit des Europäischen Parlaments an. Der im Juni gebildete Untersuchungsausschuss soll der Frage nachgehen, inwieweit die in den Panama Papers zutage geförderte Geldwäsche, Steuervermeidung und Steuerhinterziehung Missstände bei der Anwendung von EU-Recht offenbaren. Ohne einen solchen Bezug zur EU-Gesetzgebung wäre das Europäische Parlament nicht zuständig.
Genau hier aber setzen die Juristen des Rates mit ihren Zweifeln an. Sie bemängeln, dass das Parlament sich mit der Untersuchung anmaße, auch die Anwendung von nationalem Recht durch die Mitgliedstaaten zu kontrollieren. Für die Harmonisierung nationaler Gesetze im Bereich Steuern sei allein der Rat zuständig. Der Ausschuss gefährde das in EU-Verträgen verankerte Gleichgewicht zwischen den europäischen Institutionen, heißt es in dem Gutachten.
An die Mitgliedstaaten enthält das Papier eine klare Aufforderung: Sie sollen sich eng im Rat abstimmen, bevor sie mit dem Ausschuss zusammenarbeiten. Ganz in diesem Sinne bat auch die amtierende slowakische Ratspräsidentschaft die EU-Staaten, Alleingänge zu vermeiden. Auf dieser Linie bewegt sich auch die Bundesregierung, die allerdings - ähnlich wie andere Regierungen - den Eindruck wird vermeiden wollen, sie hintertreibe die Untersuchung.
Argumentiert wird eher grundsätzlich. Es gehe um die Frage, ob sich das Europäische Parlament auf dem Boden seiner Kompetenzen bewegt.
"Skandalös, aber leider normal", nennt Fabio De Masi, Europaabgeordneter der Linken und stellvertretender Vorsitzender des Panama-Papers-Ausschusses, die Einwände aus dem Rat. "Es handelt sich um das alte Ränkespiel. Wir werden einen langen Atem brauchen", sagt er. Das sei schon beim Luxleaks-Sonderausschuss so gewesen, bei dem es um Steuerdumping ging. Für De Masi steht die Zuständigkeit des Parlaments außer Frage. Bei der Formulierung des Untersuchungsauftrages habe man sich vom eigenen juristischen Dienst beraten lassen und fühle sich "auf der sicheren Seite". Natürlich sei es auch Sache der Europaabgeordneten, ob und wie die EU-Geldwäsche-Richtlinie umgesetzt, also EU-Recht angewandt werde, beharrt De Masi. "Wenn wir das nicht mehr machen, können wir nach Hause gehen", sagt er. Die Richtlinie von 2005 schreibt den Mitgliedstaaten zahlreiche Maßnahmen und eine enge Abstimmung im Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung vor. Es gehe darum, "die Schlupflöcher zu identifizieren". So könnten Briefkastenfirmen immer noch mit Scheindirektoren operieren. Laut Auftrag soll der Untersuchungsausschuss sowohl möglichen Versäumnissen der EU-Kommission als auch der Mitgliedstaaten nachgehen. Das Recht des Parlaments, Untersuchungsausschüsse einzusetzen, ist in den EU-Verträgen verankert. Diese können nach Artikel 226 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU "behauptete Verstöße gegen das Unionsrecht oder Missstände bei der Anwendung " prüfen. Der "Pana"-Ausschuss mit dem CDU-Europaabgeordneten Werner Langen an der Spitze soll im September mit der Arbeit beginnen.