"Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet ihr feststellen, dass man Geld nicht essen kann." Dieser Spruch, gerne mit dem Zusatz "indianische Weisheit" versehen, schmückte in den Achtzigern klapprige Volvos und nicht minder klapprige Hollandräder. Die Fahrer, Ökos der ersten Stunde, trugen lange Zottel und naturgefärbte Wallegewänder. Öko war Antikapitalismus, Öko war Verzicht.
Kaum 30 Jahre später haben die Kinder dieser Generation entdeckt, dass man Geld zwar tatsächlich nicht essen aber sinnvoll ausgeben kann. Und zwar für den Bungalow aus Naturholz und für Biowasser mit drei Spritzern der unbehandelten Zitrone.
Marketingfachleute haben diese Menschen bereits als Zielgruppe identifiziert: Sie heißen Lohas. Das Akronym steht für "Lifestyle of Health and Sustainability". Lohas sind ein neuer Konsumententyp. Der Lohas will hochwertige und stylische Produkte - aber alles nachhaltig, alles bio. Weitere Kennzeichen: um die 40, kaufkräftig, meinungsstark. Inzwischen haben die Meisten Kinder.
Neue Heimat für Lifestyle-Ökos
Die Lifestyle-Ökos haben jetzt eine neue Heimat im Netz: Utopia.de - die Plattform für strategischen Konsum. Die Seite, eine Community, Online-Magazin und Produktführer in einem, will die Lücke schließen, die Zeitschriften wie Ökotest hinterlassen. "Das Magazin ist wichtig, aber sie sagen einem nur, wie viele Schadstoffe in einem Produkt stecken. Utopia dagegen ist grundpositiv. Wir wollen eine Brücke zwischen Unternehmen und Konsumenten sein. Utopia soll Anreize schaffen, dass Unternehmen gute nachhaltige Produkte auf den Markt bringen, die der Käufer nachfragt", erklärt die Initiatorin Claudia Langer.
Claudia Langer ist in der deutschen Werbeszene keine Unbekannte. In den neunziger Jahren gründete sie die erfolgreiche Werbeagentur Start, die durch Kampagnen für MTV, Levi's und die Deutsche Bank bekannt wurde. Die Agentur hat sie inzwischen verkauft, um sich mit ihrem Mann und zwei Kindern eine Auszeit zu gönnen. In dieser Zeit hat sie mit ihrer Familie zwei Öko-Häuser im Würfelform im Münchner Stadtteil Solln gebaut. In einem lebt die Familie, im anderen arbeitet jetzt die 14-köpfige Utopia-Redaktion. "Ich wollte nach der Auszeit etwas Neues schaffen. Der 40. Geburtstag war eine Zäsur und eine gute Gelegenheit Bilanz zu ziehen, um mich jetzt mit voller Kraft für eine ökologisch bessere Welt einzusetzen", erklärt Claudia Langer ihre Motivation für die Gründung von Utopia.de.
Damit aus dem Nichtort eine belebte Site wird, tummeln sich die sogenannten Utopisten in der Community. Die Mitglieder bewerten Autos, Kleidung, Putzmittel nach dem Motto "Kauf Gutes und rede darüber". Zu den 55 Utopisten der ersten Stunde gehören beispielsweise Promis wie der Schauspieler Axel Milberg und die Moderatorin Sandra Maischberger, eine Jugendfreundin von Claudia Langer. Maischberger versucht sich, wie auf der Seite in einem Videofilm zu sehen ist, am Kauf einer Ökowindel.
Zurzeit muss der kaufkräftige Öko noch in den Laden gehen, um die bei Utopia vorgestellten und bewerteten Produkte zu kaufen, ab Anfang des Jahres, kann der Lazy-Environmentalist (so der Website-Name eines amerikanischen Bruders im Geiste) auf der Seite auch gleich shoppen.
Stiftung als Überbau
Claudia Langer erklärt die Philosophie von Utopia so: "Ich will das Beste, bequem, mit Spaß - aber mit gutem Gewissen." Dass die Idee ankommt, habe sie an der großen Unterstützung der Unternehmen aus der grünen Branche bemerkt: "Hier gibt es eine große Solidarität und keinen Wettbewerb untereinander." Zum Netzwerk der ersten Stunde gehören beispielsweise der Verkehrsclub Deutschland sowie Bio-Unternehmer Karl Schweisfurth und seine Hermannsdorfer Landwerkstätten.
Im Moment finanziert Claudia Langer Utopia aus eigenen Mitteln, dafür hat sie eigens das Unternehmen Utopia Social Enterprises gegründet. Doch bei allem sozialen Unternehmertum: Die Firma Utopia muss irgendwann Gewinn machen - onlineüblich durch Werbung; vom ersten Tag an rattert das Zählpixel.
Nicht jeder Werbekunde ist bei Utopia willkommen: "Wir sind kein Greenwashing-Portal", erklärt Claudia Langer. "Wir haben eine Whitelist, die festlegt, welche Unternehmen überhaupt bei uns werben dürfen. Glaubwürdigkeit geht vor schneller Refinanzierung."
Für den philisophischen Überbau von Utopia sorgt eine eigens ins Leben gerufene Stiftung. Neben den Prominenten Milberg und Maischberger sitzen auch Wissenschaftler und Professoren im Kuratorium.