Unternehmerfamilie Wirtz:Ende des Schweigens

Die Contergan-Tragödie belastet die Unternehmerfamilie Wirtz seit knapp 50 Jahren. Der Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz hat nun die Opfer mit 50 Millionen Euro entschädigt.

Kristina Läsker

Lange hat es gedauert: Die Contergan-Tragödie belastet die Unternehmerfamilie Wirtz seit knapp 50 Jahren. Und doch hat der Enkel des Gründers und heutige Chef der Pharmafirma Grünenthal, Sebastian Wirtz, 37 Jahre alt werden müssen, um zum ersten Mal persönlich mit Contergan-Opfern zu sprechen.

Unternehmerfamilie Wirtz: Selbst Vater von zwei Kindern: Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz.

Selbst Vater von zwei Kindern: Grünenthal-Chef Sebastian Wirtz.

(Foto: Foto: ddp)

Das war vor fünf Monaten, im Dezember. Am Donnerstag kündigte Wirtz an, dass der Familienkonzern 50 Millionen Euro an die Conterganstiftung für behinderte Menschen zahlen werde. Damit soll den Opfern in Deutschland geholfen werden.

"Das Schweigen hat ein Ende"

Sie sollen einmal pro Jahr Geld für die Linderung von Spätfolgen erhalten. "Ich freue mich sehr, dass das jahrzehntelange, für beide Seiten belastende Schweigen ein Ende hat", teilte Wirtz mit. Er ist selbst Vater von zwei Kindern, seine Frau erwartet ein weiteres Baby.

Grünenthal (Umsatz 2007: 860 Millionen Euro) aus Stolberg bei Aachen hatte zwischen 1957 und 1961 das rezeptfreie Schlaf- und Beruhigungsmittel Contergan vertrieben.

Dessen Wirkstoff Thalidomid hatte bei 10.000 Kindern weltweit Fehlbildungen an den Gliedmaßen ausgelöst. Ihre Mütter hatten das Medikament in der Schwangerschaft eingenommen. In Deutschland kamen 5000 Babys behindert zur Welt. Laut Opferverband leben heute 2800 Männer und Frauen zwischen 45 und 50 Jahren mit Conterganschäden.

Wohlhabender Clan

Anfang 2005 löste der studierte Bauingenieur Wirtz seinen Vater Michael an der Spitze der Firma ab. Er vertritt im Leitungsquartett als geschäftsführender Gesellschafter die Eignerfamilie und ist für Personal, Produktion und Technik verantwortlich. Seit Antritt ringt er um den persönlichen Umgang mit Contergan. Die Familie Wirtz gehört zu den wohlhabendsten Clans der Republik - und trägt damit auch Verantwortung. Zwischen Familie und Opfern habe stets eine "Mauer des Schweigens" bestanden, betont Wirtz.

Die Kritik an Grünenthal hatte zuletzt zugenommen, als die ARD Anfang November den zweiteiligen Fernsehfilm "Eine einzige Tablette" zeigte. Grünenthal hatte versucht, die Ausstrahlung des Films zu verhindern und war vor Gericht gescheitert.

Die Reaktionen auf die Wende in der Haltung sind gemischt: "Für mich ist das ein absolut historisches Ereignis", lobte Margit Hudelmaier, Chefin des Bundesverbands der Contergangeschädigten.

"Grünenthal will sich freikaufen"

Der kleinere Bund Contergangeschädigter und Grünenthalopfer fühlt sich aber verhöhnt: "Wir haben das Gefühl, dass sich Grünenthal aus den Negativ-Schlagzeilen freikaufen will", monierte Sprecher Andreas Meyer.

Als Sebastian Wirtz 1970 zur Welt kam, wurde der Strafprozess gegen neun Mitarbeiter von Grünenthal gerade wegen geringer Schuld eingestellt. Der Konzern und die Regierung zahlten damals je 100 Millionen Mark an die neu gegründete Conterganstiftung.

Seit 1997 ist der Kapitalstock der Stiftung für die Renten aber aufgebraucht, inzwischen zahlt nur noch der Bund. Zum Juli hat der Bundestag eine Verdoppelung der Geschädigtenrenten beschlossen. Demnach sollen die monatlichen Zahlungen für die noch lebenden Opfer auf 242 bis maximal 1090 Euro steigen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: