Unternehmerfamilie Herz:Einander herzlich zugetan

Streitereien und Konflikte prägten das Bild des Kaffee-Clans Herz. Nach dem Tod von Joachim könnte nun Frieden einkehren. Denn die Unternehmerfamilie plant Großes - die Zusammenführung von Tchibo und Escada.

Meite Thiede

Selbst Vertraute des Hauses rätseln, ob bei der Hamburger Tchibo-Dynastie nach dem plötzlichen Tod von Joachim Herz nun vielleicht Frieden einkehrt. Kaum jemand traut sich ein Urteil zu, denn schließlich sei vier Wochen, nachdem Joachim im amerikanischen Georgia beim Baden von einem Motorboot überfahren wurde, noch längst nicht klar, wer ihn beerbt - und die Vergangenheit lehrt, dass die zerstrittenen Mitglieder des Clans für Überraschungen gut sind.

Unternehmerfamilie Herz: Führt die Unternehmerfamilie Herz Tchibo mit Escada zusammen?

Führt die Unternehmerfamilie Herz Tchibo mit Escada zusammen?

(Foto: Foto: dpa)

Es geht um die Anteile, die Joachim Herz an Maxingvest gehalten hat, jener Holding, in der die Familie den Kaffeeröster Tchibo und eine Beiersdorf-Mehrheit verwaltet. Die Brüder Michael und Wolfgang Herz sowie die 86 Jahre alte Mutter Ingeburg, alle drei ein Herz und eine Seele, halten dort die Mehrheit, während Joachim, der Außenseiter, mit seinen 15 Prozent ihr Widersacher war.

Karl-Walter Freitag jedenfalls, der als "Störenfried" bekannte Berufsaktionär, soll auf der Hauptversammlung vergangene Woche äußerst nett und freundlich aufgetreten sein. Ganz anders als vor einem Jahr, als er - wie man munkelte, im Auftrag von Joachim - mit vier Aktien und einem langen Katalog bohrender Fragen in der City Nord aufgetaucht war und für die längste Hauptversammlung in der Firmengeschichte gesorgt hatte. Nein, diesmal war Freitag offenbar selbst an einem zügigen Ablauf interessiert, hatte seine Fragen gebündelt und sich auf das am Abend bevorstehende Fußballspiel gefreut, berichten Insider.

Unscharfes Testament

Ohne Joachim könnte es Michael und Wolfgang Herz nun leichter fallen, ihr zerstreutes Vermögen unter einen Hut zu bringen. Neben Maxingvest haben die Brüder ihr Geld über die Holding Participia in der Filialkette Blume 2000 und bei dem Buchgroßhändler Libri angelegt sowie in einer Minderheitsbeteiligung an der Sinner-Schrader AG.

Vor wenigen Tagen gelang ihnen auch noch der Einstieg ins Luxussegment. Zusammen haben sie eine Minderheit am Modekonzern Escada gekauft, die nach einer geplanten Kapitalerhöhung bis auf ein Viertel ausgebaut werden könnte. Beobachter würde es nicht wundern, wenn Maxingvest demnächst nicht mehr nur für Kaffee und Nivea, sondern auch für Bücher, Blumen und Mode stünde. Denn was spräche dagegen, dass die Brüder ihre Beteiligungen dort zusammenfassen? Bruder Joachim jedenfalls fällt ja als Quertreiber aus.

Streit um die Geschäftsführung

Es war ein alter Streit, den die Brüder austrugen. Das Unheil begann, als Vater Max Herz, ein autoritärer Patriarch, 1965 überraschend im Alter von 59 Jahren starb. Sein ältester Sohn Günter war damals gerade 25 Jahre alt, Joachim 24, Michael 22, Wolfgang 15 und die Schwester Daniela elf. Trotzdem traten Günter und Michael zusammen in die Geschäftsführung ein. Warum Joachim übergangen wurde, bleibt bis heute ein Rätsel für die Öffentlichkeit. Die Übernahme der Geschäfte war aber umstritten, denn im Testament des Vaters war für die Nachfolge unscharf von "zwei meiner befähigtsten Jungen" die Rede gewesen. Damit war der Bruderzwist programmiert.

Doch Günter führte Tchibo erfolgreich, fügte dem margenschwachen Kaffeehandel das lukrative Geschäft mit Gebrauchsartikeln hinzu und kaufte den Konkurrenten Eduscho. Ein genialer Markenartikler mit guten Beratern wie zum Beispiel Otto Gellert, sagte man, aber autoritär und misstrauisch, ungeduldig und kleinlich. Selbst den Bleistifteinkauf bei der damaligen Tchibo-Tochter Reemtsma kontrollierte er. Bald drängte Günter seine Brüder Michael und Wolfgang aus der Führung der Firma und duldete sie nur im Aufsichtsrat. Mutter Ingeburg verhielt sich neutral und schlug sich höchstens mal auf diese, mal auf jene Seite. Nesthäkchen Daniela hängte sich irgendwann an den ältesten Bruder Günter.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Familienstreitigkeiten Tchibo in einer ernste Krise stürzten und welche Überraschung die Herz-Nachbarn bei der Beerdigung des gestorbenen Joachim erlebten.

Einander herzlich zugetan

Joachim aber blieb der Außenseiter. Von den Brüdern angeblich nie ganz ernst genommen, stimmte er mal mit der einen, mal mit der anderen Fraktion. Mit der Zeit stellte er sich den Plänen der Familie dann immer häufiger einfach in den Weg. Der Bruch quer durch die Familie zeigt sich sogar an den Adressen: Während Mutter Ingeburg, Günter, Michael und Wolfgang sich ihre Domizile an der Hamburger Außenalster eingerichtet haben, zog Joachim an die Elbe, ins beschauliche Treppenviertel von Blankenese.

Der Familienzwist stürzte Tchibo einmal sogar in eine ernsthafte Führungskrise. 2001 war die Familie nämlich nicht mehr bereit, Günters Fünfjahresvertrag ein weiteres Mal zu verlängern. Tief verletzt trat er vorzeitig zurück; aufgrund der schwierigen Eigentümerverhältnisse fand sich kein passender externer Manager für die Spitze. Es gab nur Interimslösungen, und manch prominenter Kenner der Szene wie etwa Ex-Reemtsma-Chef Ludger Staby versuchte sich vergeblich an einer Befriedung. Günter stänkerte von außen und mit Hilfe seiner Anwälte - schließlich war er ja noch Aktionär.

Eine Lösung fand sich erst 2003, als Tchibo Reemtsma verkaufte und das Geld nutzte, um Günters und Danielas Anteile zu kaufen. Seither sitzt Günter Herz mit seiner Vermögensgesellschaft Mayfair am feinen Jungfernstieg auf einigen Milliarden Euro, die er einfach nicht loswird. Er gilt als ein Markenfan, knallharter Rechner und extrem risikoscheu. Weil er seine Puma-Beteiligung nicht auf eine Mehrheit aufstocken konnte, so sagt man, habe er sich schließlich äußerst gewinnbringend wieder ganz davon getrennt.

Überraschung bei der Beerdigung

Regelmäßig wird Günter Herz als potentieller Investor genannt, wenn wieder einmal spekuliert wird über irgendeinen deutschen Dax-Wert, der zum Verkauf steht. Auch ein Interesse an Tui wurde ihm angedichtet - ganz egal, wie häufig er das dementierte. Und dass er sich bei der Tui-Tochter Hapag-Lloyd beteiligen könnte, hat er auch von sich gewiesen. Am liebsten operiert er ohnehin so, dass es keiner merkt. Den Schiffsklassifizierer Germanischer Lloyd hat er kürzlich quasi bei Nacht und Nebel gekauft - und war dabei so raffiniert vorgegangen, dass selbst ausgebuffte Banker hinterher sprachlos staunten.

Heute sitzt Michael Herz im Aufsichtsrat bei Maxingvest, Beiersdorf und Tchibo; er arbeitet viel und hart und teilt sich ein Vorzimmer mit Wolfgang, der in dem schlichten Bau in der öden Bürostadt City Nord nur gelegentlich vorbeischaut.

Nur in einem sind sich alle Mitglieder des Herz-Clans offenbar einig: Sie sind Pferdenarren und meiden die Öffentlichkeit. Bis auf die Mutter tun sie alles, damit möglichst keine Fotos von ihnen erscheinen und gehen sogar gegen Zeichnungen gerichtlich vor. Von Joachim gibt es nicht ein einziges aktuelles Foto. So traute mancher Nachbar seinen Augen nicht, als er auf der Trauerfeier in Hamburg das aufgestellte Foto eines kurzgeschorenen jungen Mannes sah, der dem verstorbenen langhaarigen Mitsechziger nun wirklich nicht mehr ähnelte.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: