Unternehmer Leslie Mandoki:Dschingis Khan macht Musik für Autos

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Das Bild des hüpfenden Mongolen wird er wohl nie mehr los. Mit "Dschinghis Khan" wurde Leslie Mandoki berühmt. Dabei ist er längst seine eigene Marke. Als Produzent, Netzwerker und Komponist - zum Beispiel für den VW-Konzern.

Thomas Fromm

Er will, dass dieser hüpfende Mongole endlich aus seinem Leben verschwindet. Deshalb ignoriert er ihn einfach. Spricht lieber über die große Politik, die Finanzkrise, den Euro, Spekulanten. Über Jazz - Frank Zappa, Weather Report und Miles Davis. Über seine Freunde, die Musiker und die Automanager. Er sagt Sätze, die - wären sie Musik - eher Avantgarde wären als Pop. "Musik ist eine Art Sozialisierungskatalysator" lautet so ein Satz. Oder: "Kunst steht im Dienst der gesellschaftlichen Vorwärtsbewegung." Und er fordert, dass man Finanzspekulanten "unter Androhung harter Strafen" verbieten sollte, auf den Untergang von Ländern zu wetten. Sätze, wie sie der tanzende Mongole so wohl nie gesagt hätte.

Leslie Mandoki kennt sich aus mit Musik. Er weiß auch, wie Autos klingen - und macht Musik für sie. Sorgt für den Jingle beim Auftritt von VW-Konzernchef Winterkorn und für den Gitarren-Rock bei der Porsche-Präsentation. (Foto: EBE)

Zwischendurch taucht er immer wieder mal auf, der Mongole, und drängt sich in sein Leben. So wie im Frühjahr beim Genfer Autosalon. Eine riesige Halle, es ist Volkswagen-Konzernabend. Alle sind zusammengekommen: die Top-Manager, die Wichtigen, die Schönen. Und irgendwo am Rande des Saals steht: er.

Leslie Mandoki. Musiker, Produzent, früher Mitglied der Pop-Gruppe Dschinghis Khan. Der Mann, der der Mongole war! Und dann passiert es. Da sagt jemand im Vorbeigehen: "Schaut mal, ist das nicht der Typ von Dschinghis Khan?"

He Leute, ho, Leute, he, Leute, immer weiter. / Dsching-Dsching-Dschinghis Khan, / Auf, Brüder, sauft, Brüder, rauft, Brüder

Für viele ist er eben immer noch der Mann, der komische Plüschhosen trägt und seltsam tanzt. Heute steht Mandoki in Genf, trägt Anzug und Krawatte. Aber er hat noch den großen Schnäuzer und die langen Haare wie damals. Die VW-Sause ist ein Routinetermin für ihn, seit Jahren schon ist Mandoki auf Automessen unterwegs. Genf, Paris, Frankfurt, Miami. Er kennt sie alle. Nicht, weil er die Autos macht - er macht die Musik für die Autos.

Er bleibt meistens im Hintergrund. Auch dann, wenn andere längst mit ihren Prosecco-Gläsern um die neuen Automodelle auf der Bühne schleichen. Er muss genau zuhören. Die krachenden Konzernouvertüren, die wummernden Bassläufe, die filigranen Zwischentöne. Die ganz großen Werbetrommeln. So steht er da und lauscht. Manchmal hält er den Kopf leicht schräg und beobachtet die Gäste.

Es sind Abende, an denen Mandoki für alles zuständig ist, was man hört, während man Autos sieht. Für den Jingle, der abgespielt wird, wenn VW-Chef Martin Winterkorn auf die Bühne kommt, aus dem Auto steigt und in die Kameras schaut. Für den lauten Gitarrenrock während der Porsche-Präsentation, für den Synthie-Pop bei der Vorstellung des neuen Škoda, für den mediterranen Gitarrenflamenco während des Auftritts der spanischen VW-Tochter Seat. "Jede Marke hat ihr eigenes Image und ihre eigene Musik", erklärt Mandoki.

Er sagt, dass er spürt, welche Musik wohin passt. Im Konzern nennen sie ihn deshalb den "Chef-Musiker". Denjenigen, der das Unternehmen und seine Manager und Autos in Musik übersetzt. Mandoki ist so etwas wie der Hofkomponist im weltweiten VW-Konzern-Reich. Der Antonio Salieri Wolfsburgs. Nicht unbedingt der Stratege - aber ganz sicher einer der Taktgeber im großen Firmen-Soundtrack.

Es sind zwei Welten. Und Mandoki bewundert die andere, die von VW-Patriarch Ferdinand Piëch und Konzernchef Martin Winterkorn. Er sagt: "Dr. Piëch und Dr. Winterkorn sind zwei großartige Persönlichkeiten, die Antworten auf die dringenden gesellschaftlichen Fragen geben und ihre Visionen kraftvoll umsetzen." Er selbst? "Eher der emotionale Typ." Wie Mandoki und Winterkorn zusammenpassen? Man spricht "über Kunst, über Klang-Ästhetik, und über die Frage, wie Autos klingen", sagt der Komponist. Und erklärt es so: "Natürlich gibt es viele Unterschiede zwischen einem Konzernlenker und einem Musiker, aber es gibt auch eine große Gemeinsamkeit: Ihm geht es ums perfekte Auto, mir geht es um die perfekte Musik."

Angefangen hat es vor mehr als zehn Jahren, da musizierte Mandoki zum Mercedes-Benz SL Roadster, dann zur neuen Mercedes-Benz S-Klasse und zum Audi Q7. Mandoki nennt das "integrierte musikalische Kommunikationskonzepte".

Manchmal, wenn sich das frühere Leben in das heutige drängt, wird es komisch. Zum Beispiel, als seine Tochter fünf Jahre alt war und ein altes Dschinghis-Khan-Buch in die Hände bekam. Als sie den tanzenden Vater auf den Bildern sah, sagte sie: "Papa, ich dachte, du magst keinen Fasching?" Fasching! Was sollte er dazu sagen? Er hatte ihr ja nie von Dschinghis Khan und den Schlager erzählt. Und jetzt das. Hu. Ha. Immer weiter.

"Früher war ich manchmal in Sorge, darauf reduziert zu werden", sagt er. Vor ein paar Jahren schrieb er einen Wahlkampfsong für Angela Merkel: "Wir sind wir". Der langhaarige Rocker als CDU-Mann, das fanden viele skurril. "Es ist doch kein Widerspruch, dass ich als Rockmusiker Angela Merkel schätze", sagt Mandoki. Er weiß, welche Fragen da automatisch kommen. Die Antworten darauf hat er längst parat. "Wenn Sie so wollen: Der Rebell ist oft gegen den Mainstream. Und wenn der Mainstream im Rock-Business links liegt, dann bin ich halt auch hier ein Rebell."

Seine ganz persönliche Revolution veranstaltete er Mitte der 70er Jahre in einem Eisenbahntunnel. Der Tunnel war lang, und der junge Schlagzeuger musste durch diesen stickigen dunklen Schlauch, um von Ungarn nach Österreich und von da weiter zu kommen. Hinter ihm: der Gulaschkommunismus. Vor ihm: München-Schwabing. Irgendwo da wartete der Schlager-Impresario Ralph Siegel auf ihn. So wurde aus dem Ungarn mit dem großen Schnurrbart und den langen Haaren der Mongole, der in einer Band tanzte, die sehr erfolgreich war, weil sie Lieder spielte, die "Dschinghis Khan" oder "Moskau" hießen. Bis auf Platz 4 schafften es der Mongole und seine Leute 1979 beim Grand-Prix-Wettbewerb in Jerusalem. Der Mann aus dem Tunnel war plötzlich berühmt. Nur: So richtig glücklich war er nicht mit der ganzen Sache.

"Als ich meinen Asylantrag stellte, sagte ich, dass ich in den Westen gekommen bin, um mit Leuten wie Jack Bruce, Ian Anderson und Al Di Meola zu spielen", erzählt Mandoki. "Die haben mich ziemlich erstaunt angeschaut und wohl gedacht, ich wäre total verrückt."

Schlager statt Jazz-Rock, so kann es gehen. Für viele wäre ein Ding wie Dschinghis Khan wohl der Höhepunkt ihres Lebens gewesen. Aber Mandoki war immer noch irgendwie auf der Durchreise.

Sommer 2012. Auf einem Holzbalkon am Rand des Starnberger Sees steht Mandoki und schaut hinaus aufs Wasser. Ein 59-Jähriger mit beiger Hose, grauem Pulli, grauem Schal. Ein unscheinbarer Familienmann. Die Tochter ist Schauspielerin, die Frau Ärztin. Es lebt sich gut hier draußen im Haus am See, vor allem wenn man endlich das machen kann, was man will: produzieren, Musik machen , Schlagzeug spielen . Und wenn diejenigen, wegen derer man sich vor fast 40 Jahren durch einen Tunnel zwängte, ab und zu zur Kaffee-Session im Studio vorbeikommen. Ex-Cream-Bassist Jack Bruce, Ian Anderson, der Querflöten-Derwisch von Jethro Tull, und Gitarrist Al di Meola. Mandoki hat seine eigene Band, die Soulmates.

Bei großen Konzernparties oder Konzerten holt er sie manchmal alle mit dazu. Chris de Burgh, den inzwischen verstorbenen Bee-Gees-Sänger Robin Gibb, Peter Maffay, Eric Burdon, Till Brönner, Lionel Richie und Phil Collins.

In der Industrie sind sie schwer beeindruckt, weil er so viele große Musiker kennt. Leute, die kommen, wenn er sie ruft. Im Musikgeschäft sind sie wohl beeindruckt, weil er einen so guten Draht in die Wirtschaft hat. Und selbst die Musiker noch groß auf die Bühne bringt, deren größte Zeit schon seit Jahren vorbei ist.

Ende September wird Mandoki wieder unterwegs sein. Dann ist Automesse in Paris, und er wird neben neuen Autos stehen und zuhören. Und nebenbei das eine oder andere Gespräch führen. So wie immer. Eigentlich interessiere er sich eh mehr für gute Gespräche als fürs Netzwerken.

Sagt er so einfach.

© SZ vom 03.08.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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