Unternehmer in der Verantwortung:Chancen geben, Potenziale nutzen

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In der Lernwerkstatt: Viele Unternehmen bieten Kurse zur Weiter- oder Ausbildung für Flüchtlinge an. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Unternehmen wollen bei der Integration von Flüchtlingen helfen. Sie bieten Praktika, Ausbildungs- und Arbeitsplätze an. Sie fordern im Gegenzug den Abbau von Hemmnissen.

Von Norbert Hofmann

Bernhard Steppe hat schon viel dazu beigetragen, dass sich Menschen aus aller Welt in angenehmer Umgebung treffen können. Die Münchner Allianz-Arena wurde von seiner Heizungsbaufirma, der im bayerischen Mainburg ansässigen Wolf GmbH, ebenso ausgerüstet wie ein großes Hotel auf dem Messegelände in Abu Dhabi. Jetzt will der Energietechnikspezialist auch einen Beitrag zur Integration von Zuwanderern leisten. Ein Projekt zur Sprachförderung und Einbindung in den beruflichen Alltag ist fest beschlossen. In einer ersten Stufe können zehn Flüchtlinge nach Abschluss eines Sprachkurses betriebliche Praktika absolvieren. "Auf dieser Basis werden wir das Programm weiterentwickeln, um unseren Beitrag zur Integration optimal leisten zu können", versichert Geschäftsführer Steppe.

Die Wolf GmbH ist eines von 40 deutschen Unternehmen, die sich in der Integrationsinitiative "Wir zusammen" engagieren. Auch das Familienunternehmen Voith gehört dazu. Der Technologiekonzern wird Flüchtlingen eine einjährige Vorbereitungsqualifizierung bieten. Je nach Eignung können sie dann die Ausbildung im zweiten Lehrjahr fortsetzen oder direkt in eine Beschäftigung gehen. Das sind nur einige Beispiele von vielen Ansätzen der Wirtschaft zur Integration. Kammern und Verbände haben millionenschwere Maßnahmenpakete aufgelegt. Firmen übernehmen Patenschaften, gründen Spendenprojekte, bieten Ausbildung und Arbeitsplätze an. Die VBW -Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. etwa hat zusammen mit der Staatsregierung des Landes und der Bundesagentur für Arbeit die Initiative "Integration durch Ausbildung und Arbeit"(Ida) ins Leben gerufen. Sie wird dafür zusammen mit bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbänden rund 6,7 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Ziel ist es, bis Ende des Jahres 20 000 Flüchtlingen einen Praktikums-, Ausbildungs- oder Arbeitsplatz anzubieten. Drei Jahre später sollen bereits 60 000 Integrationen in den Arbeitsmarkt gelungen sein. "Die Wirtschaft zeigt bei der Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt gesellschaftspolitische Verantwortung und ökonomische Vernunft", sagt VBW-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Laut einer Studie der Beratungsgesellschaft EY würden neun von zehn Mittelständlern Flüchtlinge in ihren Betrieben arbeiten lassen. Rund jeder Zweite ist sogar überzeugt davon, dass sich dadurch der Fachkräftemangel mindern ließe. Die Wirtschaftsverbände warnen allerdings vor übertriebenen Erwartungen. "Kurzfristig wird nur für weniger als zehn Prozent der Flüchtlinge der Eintritt in den Arbeitsmarkt möglich sein", sagt Brossardt. Erst mittel- und langfristig könnten Jugendliche und junge Erwachsene einen Beitrag zur Fachkräftesicherung leisten. Ältere Flüchtlinge dürften langfristig nur schwer in den Arbeitsmarkt integrierbar sein.

Attraktiv ist das Potenzial für die Unternehmen allemal. Bundesweit sind über die Hälfte aller Flüchtlinge unter 25 Jahre alt. Sie können prinzipiell durch Bildung und Ausbildung qualifiziert werden. Nach Vorstellungen der Wirtschaft müssen aber auch eine ganze Reihe von Hindernissen aus dem Weg geschafft werden. So fordert die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) einen bundesweit gesicherten Aufnahmestatus für junge Asylbewerber mit hoher Bleibeperspektive sowie für junge Geduldete. "Sie sollten während der Berufsausbildung oder des Studiums nicht abgeschoben werden, denn die Betriebe brauchen auch Sicherheit", sagt Carmen Barsan von der BDA. Bislang ist diese Sicherheit nur bei den unter 21-Jährigen gewährleistet. Barsan hält das für eine praxisferne Regelung.

Für einen großen Schritt nach vorn, so sagt sie, würde darüber hinaus die Umsetzung der sogenannten 3+2-Regel sorgen. Das hieße: Wer drei Jahre Berufsausbildung absolviert hat, darf danach für daran anschließende zwei Berufsjahre im Land bleiben. Ebenso sollten öffentliche Fördergelder für die Berufsausbildung nicht erst nach einer Aufenthaltsdauer von 15 Monaten, sondern bereits ab dem Abschluss eines Ausbildungsvertrags gewährt werden. Sinnvoll wäre es aus BDA-Sicht zudem, die Unterstützung für geduldete Antragsteller auch für junge Asylsuchende mit hoher Bleibeperspektive zu öffnen.

Eine andere große Hürde sehen die Arbeitgeberverbände in der sogenannten Vorrangprüfung, die sie zumindest befristet außer Kraft setzen möchten. Flüchtlinge mit hoher Bleibeperspektive haben in der Bundesrepublik zwar nach drei Monaten grundsätzlich die Möglichkeit, eine Arbeit aufzunehmen. Sie haben sie allerdings nur dann, wenn für die entsprechende Stelle kein geeigneter deutscher oder EU-Bewerber zur Verfügung steht. "Das ist eine sehr abstrakte Regelung, die konkret zu handfesten Hemmnissen beim Zugang zum Arbeitsmarkt führt", sagt Barsan.

Bei der Finanzierung hoffen die Betriebe auch auf den Staat

Hohe Priorität haben laut Wirtschaftsverbänden Integrationskurse, die sowohl Sprachfähigkeiten als auch die Werte einer demokratischen Gesellschaft vermitteln: verpflichtend und kostenfrei für alle Flüchtlinge mit hoher Bleibeperspektive. Für ausreichende Kapazitäten und ihre Finanzierung sehen sie vor allem den Staat in der Pflicht. Die Wirtschaft trägt aber auch selbst einiges dazu bei. So stellt die bayerische Initiative IdA darauf ab, Maßnahmen wie Sprachförderung, Kompetenzchecks und Kompetenzvermittlung sowie Praktika zu kombinieren.

Die Teilnehmer an den Kursen, so die ersten Erfahrungen, sind motiviert. "Die mitgebrachten Vorkenntnisse allerdings sind sehr unterschiedlich und zumeist schlecht dokumentiert", sagt Brossardt. Umso wichtiger seien die Kompetenzchecks. Asylbewerber müssten nach seiner Ansicht aber auch einen raschen Zugang zum Zeitarbeitsmarkt erhalten und das Beschäftigungsverbot für sie in diesem Segment grundsätzlich aufgehoben werden. "Zeitarbeit kann in Fällen, in denen formale Qualifikationen fehlen, ein Weg sein, um mit praktischen Fähigkeiten und persönlichen Kompetenzen zu überzeugen", sagt Brossardt.

Der Verband "Die Familienunternehmer" geht noch einige Schritte weiter. Er fordert ein Reformpaket, das Arbeitgebern Anreize zur Beschäftigung von Flüchtlingen bietet. Betriebe könnten demnach Auszubildenden etwa eine praktische Sprachschulung anbieten, wenn sich die öffentliche Hand daran mit 1000 Euro pro Monat je Migrant in den ersten beiden Ausbildungsjahren beteilige.

© SZ vom 31.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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