Süddeutsche Zeitung

Unternehmenssteuern:Platz 59

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Weltweit reduzieren Staaten die Steuersätze für Unternehmen. Deutschland hinkt hinterher. Dabei bieten sich auch andere Möglichkeiten an, die Finanzkraft der Firmen durch steuerliche Erleichterungen zu stärken.

Von Norbert Hofmann

Deutschland nur auf Platz 17 in der Rangliste der internationalen Wettbewerbsfähigkeit? Was auf den ersten Blick erstaunt, hat das Hochschulinstitut World Competitive Center (WCC) in Lausanne in seinem jüngsten Ranking anhand einer Vielzahl von Kriterien festgestellt. Ganz vorn stehen Länder wie Singapur und die USA, aber auch EU-Staaten wie Dänemark, Niederlande, Irland und Schweden. Ein wichtiger Grund für das schlechte Abschneiden Deutschlands: In der Steuerpolitik erreicht der Standort nur den 59. Platz.

"Die letzte Reform liegt mehr als zehn Jahre zurück, dadurch geraten die Unternehmen immer mehr unter Druck", sagt Eric Schweitzer, Präsident des DIHK Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Während der Durchschnitt der nominalen Steuersätze in Europa bei 21,6 Prozent und in den westlichen Industrieländern bei 23,9 liegt, zahlen Personen- und Kapitalgesellschaften in Deutschland rund 30 Prozent Unternehmenssteuern. Wären es weniger, bliebe den Unternehmen mehr von ihren Gewinnen und damit ein größerer Finanzierungsspielraum für Investitionen.

"Innerhalb Europas ist die Steuerbelastung nur in Portugal höher."

Andere Länder senken ihre Unternehmenssteuersätze derzeit zum Teil sogar drastisch. Die USA haben die Bundes-Körperschaftsteuer von 35 auf 21 Prozent heruntergefahren. Unter den EU-Staaten wird in den nächsten Jahren Belgien die Unternehmenssteuersätze von 34 auf 25 Prozent senken. Frankreich reduziert von 33,33 auf 25 Prozent und Großbritannien von 20 auf 17 Prozent. "Innerhalb Europas ist die Steuerbelastung nur in Portugal höher als in Deutschland", sagt Martin Jacob, Professor an der WHU - Otto Beisheim School of Management. Eine Steuerreform würde wichtige Impulse bringen. "Wir haben in einer Studie anlässlich der Steuerentlastung des Jahres 2008 nachgewiesen, dass der Mittelstand jeden dadurch gesparten Euro wieder investiert hat", sagt der Wissenschaftler.

Eine Reform müsste der deutschen Besonderheit gerecht werden, dass sich die 30-prozentige Unternehmensbesteuerung aus dem 15-prozentigen Körperschaftsteuersatz und der etwa in gleicher Höhe anfallenden Gewerbesteuer zusammensetzt. Die der Einkommensteuer unterliegenden Eigentümer von Personengesellschaften dürfen die Gewerbesteuer auf ihre Einkünfte anrechnen und so ihre Steuerlast mindern. Allerdings liegt der Einkommensteuerspitzensatz - im Gegensatz zur 15-prozentigen Körperschaftsteuer - bei 42 Prozent. Eine elegante Lösung zur Entlastung der Unternehmen wäre es, die Anrechnung der Gewerbesteuer auch bei körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen zuzulassen. "Der Gesetzgeber könnte die Firmen so ohne Steuersatzsenkung entlasten und gleichzeitig die Gewerbesteuereinnahmen der Gemeinden schonen", sagt Wissenschaftler Jacob.

Eine Erleichterung immerhin brächte die Abschaffung des 5,5-prozentigen Solidaritätszuschlags, der auch auf die Körperschaftsteuer anfällt. Vertreter der Wirtschaft ebenso wie der Sachverständigenrat sind für eine vollständige Abschaffung. "Der Solidaritätszuschlag belastet auch Personengesellschafter von Unternehmen ebenso wie die geschäftsführenden Gesellschafter von Kapitalgesellschaften und reduziert die Mittel, die sie in ihr Unternehmen investieren können", sagt Ralph Wiechers, Chef-Volkswirt des Maschinenbauverbands VDMA.

Für mehr Finanzierungsspielraum könnten auch verbesserte Abschreibungsmöglichkeiten sorgen. "Die steuerliche Abschreibung von Investitionen sollte in kürzeren Zeiträumen erfolgen, die dem technischen Fortschritt entsprechen", fordert DIHK-Präsident Schweitzer. Derzeit gilt das Prinzip der linearen Abschreibung. Wenn etwa für eine Werkzeugmaschine eine Nutzungsdauer von zehn Jahren unterstellt wird, beträgt die jährliche Abschreibung zehn Prozent. Tatsächlich aber verlieren Wirtschaftsgüter im Unternehmen vor allem in den ersten Jahren stark an Wert. Dem würde eine degressive Abschreibung gerecht, bei der gleich zu Beginn mit einer hohen Rate etwa von 25 Prozent abgeschrieben wird.

Die Bundesregierung hat sie zwischenzeitlich vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise 2008/2009 zugelassen, für die Jahre seit 2011 aber wieder abgeschafft. Sie soll als Notfall-Instrument bereitstehen. Wirtschaftsverbände würden lieber vorbeugen. "Wir schlagen vor, die degressive Abschreibung als Wachstumsinstrument zu nutzen, weil sie die Liquidität und Investitionsbereitschaft der Unternehmen stärken würde", sagt Wiechers.

Helfen würden auch bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Forschung und Entwicklung (FuE). Zwar gibt es dafür diverse Fördermittel. "In ganz Europa ist Deutschland neben Schweden aber bislang das einzige Land, das keine steuerlichen Anreize in diesem Bereich gibt", sagt Jacob. Das von der Bundesregierung geplante Forschungszulagengesetz soll das ändern. Es würde für FuE gezahlte Löhne und Gehälter mit einem Fördersatz von 25 Prozent unterstützen. Allerdings ist die Bemessungsgrundlage bei zwei Millionen Euro jährlich gedeckelt. Die maximale Förderhöhe beträgt 500 000 Euro jährlich. "Unternehmen mit förderfähigen FuE-Aufwendungen im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich wird eine solche Förderung so gut wie nichts bringen", bemängelt das ZEW - Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim. Der FuE-Aufwand von Firmen mit 250 bis etwa 3000 Beschäftigten, etwa würde nur zu einem kleinen Teil gefördert. "Sie haben nicht die Kapitalreserven der großen Konzerne und fallen andererseits durch den Raster der Fördermaßnahmen für kleinere mittelständische Unternehmen", sagt er.

Auch die Korrektur von Fehlentwicklungen ist überfällig. So gilt derzeit für Steuernachzahlungen ein Zinssatz von sechs Prozent. Darunter leiden nicht nur überführte Steuerhinterzieher. "Betroffen sind auch Steuernachzahlungen infolge von Betriebsprüfungen, bei denen es um einen Ermessensspielraum geht", betont Wiechers. Auch für die Diskontierung von Altersvorsorge- und Pensionsrückstellungen gilt der Zinssatz von sechs Prozent. Das führt zu einer unangemessen niedrigen Bewertung der Rückstellungen und damit zu einem höheren steuerlichen Gewinn. "Auch diese Scheingewinnbesteuerung mindert die Finanzkraft der Unternehmen", so Wiechers.

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Quelle:
SZ vom 05.07.2019
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