Unternehmensführung bei Lufthansa:Mayrhuber beherrscht die Kunst des Loslassens

Wolfgang Mayrhuber

Wolfgang Mayrhuber: Einer, der die Kunst des Loslassens beherrscht

(Foto: dpa/dpaweb)

Blamabel, aber lehrreich: Die Absage Wolfgang Mayrhubers als Aufsichtsratsvorsitzender bei Lufthansa dient der Aktionärsdemokratie und der guten Unternehmensführung. Sie könnte das Ende einer unguten Praxis bedeuten, die seit Jahrzehnten Modernisierung in vielen Konzernen verhindert.

Ein Kommentar von Caspar Busse

"Wenn du entdeckst, dass du auf einem toten Pferd sitzt, dann steig ab", lautet ein altes indianisches Sprichwort. Wolfgang Mayrhuber hat sich diese Weisheit zu Herzen genommen. Als am vergangenen Wochenende klar wurde, dass immer mehr Aktionäre seine Wahl in den Lufthansa-Aufsichtsrat nicht unterstützen, sondern die Kritik vielmehr richtig laut wurde, zog er die Konsequenz. Am Montag musste der Österreicher absagen, einen Tag vor der entscheidenden Hauptversammlung.

Es ist ein denkwürdiger Vorgang. Selten zuvor haben die Aktionäre eines Dax-Konzerns ihre Macht in einer solchen Weise demonstriert und das Unternehmen zu einer Kehrtwende zwingen können. Schon lange gab es Kritik, dass Mayrhuber, der von 2003 bis 2010 Vorstandschef der Lufthansa war, nun den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen will. Beharrlich wurden von ihm, vom Aufsichtsrat und vom Unternehmen alle Bedenken ignoriert. Wie so oft haben die Verantwortlichen den Widerstand der Aktionäre sträflich unterschätzt. Nun kam die Notbremse, quasi in letzter Minute. Normalerweise werden solche brisanten Dinge im Vorfeld hinter den Kulissen geregelt. Bei Lufthansa ist der Eklat nun da, auch noch auf der großen Bühne.

So blamiert Mayrhuber, sein Mentor, der amtierende Chefaufseher Jürgen Weber, und Lufthansa nun dastehen - dieser Tag ist nicht nur ein wichtiger Tag für die Aktionärsdemokratie, er könnte ein entscheidender Tag für eine gute Unternehmensführung in Deutschland werden. Denn damit könnte ein für alle Mal mit der unguten Praxis Schluss sein, dass der Vorstandsvorsitzende nach dem Ende seiner Amtszeit den Vorsitz im Aufsichtsrat übernimmt. Seit Jahrzehnten war genau das gelebte Praxis, der Vorgänger wachte über seinen Nachfolger, eine oft nötige Modernisierung wurde behindert, alte Fehlentscheidungen nicht genügend aufgearbeitet.

Loslassen ist eben eine große Kunst, die nicht alle beherrschen. Die Reihe ist lang: Ferdinand Piëch bei Volkswagen, Heinrich von Pierer bei Siemens, Gerhard Cromme bei Thyssen-Krupp, Klaus-Peter Müller bei der Commerzbank. Manchmal entstand fast der Eindruck, es gehe um die Belohnung eines verdienten Mannes, der im Rentenalter nichts mit sich anzufangen weiß - eine Art Austragshaus für Konzernchefs. Doch die Aufsicht von Unternehmen ist dafür zu wichtig.

Expertise ist ein gutes Argument für ehemalige Bosse als Chefaufseher

Ein wenig hat sich schon getan: Seit 2009 ist der direkte Wechsel vom Vorstand in den Aufsichtsrat nicht mehr möglich. Es muss eine zweijährige Abkühlphase eingehalten werden. Noch ist es zu früh für ein Urteil, ob sich dies bewährt hat. Zweifel sind aber angebracht, wie der Fall Lufthansa zeigt: Mayrhuber hat die Zwei-Jahres-Vorschrift eingehalten, trotzdem überwiegen die Zweifel, ob auch ein abgekühlter Mayrhuber der Richtige ist. In seiner Amtszeit expandierte Lufthansa, kaufte sich Problemfälle wie Austrian Airlines ein, in seiner Amtszeit wurde die Flotte zu zögerlich erneuert und keine schlüssige Billig-Strategie entwickelt. All das muss nun sein Nachfolger Christoph Franz mühsam aufarbeiten. Ist es eine gute Idee, dass gerade Mayrhuber ihm dabei auf die Finger schaut?

Natürlich gibt es gute Argumente für einen ehemaligen Boss als Chefaufseher: Er kennt das Unternehmen und die Branche oft wie kein anderer (gerade in der komplizierten Luftfahrt). Im Idealfall hat er schon zuvor mit seinem Nachfolger als Team zusammen gearbeitet, kann also später als wichtiger Ratgeber, Vermittler (bei Problemen) oder als Türöffner (bei verzwickten Geschäften) dienen. Doch die Nachteile überwiegen eindeutig. Welcher Ex-Chef macht schon den großen Schnitt mit seiner Vergangenheit? Wer gesteht sich Fehler ein und korrigiert diese dann entschlossen? Wer hat die Größe, seinem Nachfolger bedingungslos freie Hand zu lassen?

Es gibt viele negative Beispiel: Gerhard Cromme beispielsweise hat es bei Thyssen-Krupp viel zu lange laufen lassen, der Konzern ist nun ein Sanierungsfall. Oder Klaus-Peter Müller bei der Commerzbank, anders als Cromme noch im Amt: Die Bank kommt unter seinem Nachfolger Martin Blessing einfach nicht aus der Krise. Und wer weiß, was passiert wäre, wenn bei der Deutschen Bank, wie einmal geplant, Josef Ackermann die Chefaufsicht übernommen hätte und nicht Paul Achleitner?

Die Lehre aus all dem: Lasst ehemalige Vorstände in den Aufsichtsrat, damit sie ihre Expertise einbringen. Macht sie aber keinesfalls zu Chefaufsehern.

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