Unternehmen:Was würde ein Brexit für die "deutsche Limited" bedeuten?

Bayreuth/London (dpa) - Die Drogeriekette Müller, die Fluggesellschaft Air Berlin oder die Tankstelle im bayerischen Dorf Himmelkron - sie alle haben die Europäische Union (EU) verinnerlicht.

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Bayreuth/London (dpa) - Die Drogeriekette Müller, die Fluggesellschaft Air Berlin oder die Tankstelle im bayerischen Dorf Himmelkron - sie alle haben die Europäische Union (EU) verinnerlicht.

Und an ihren vollständigen Namen lässt sich das erkennen: Sie heißen Müller Holding Ltd. & Co. KG, Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG und Tankpunkt Himmelkron Ltd.

Das "Ltd" steht für Limited, "PLC" für Public Limited Company - beides sind Gesellschaftsformen nach britischem Recht. Müller, Air Berlin und die Tankstelle sind deutsche Unternehmen, die ganz oder teilweise ein britisches Gewand tragen. Ein Brexit könnte sie aus der Form bringen.

Was ist das überhaupt - eine "Limited"?

Es handelt sich um eine Kapitalgesellschaft nach britischem Recht. Ihre Gesellschafter haften nicht persönlich, ähnlich wie bei der deutschen GmbH. Attraktiv ist das britische Modell, weil die Gesellschafter bei der Gründung quasi kein Stammkapital aufbringen müssen. In Deutschland ist das sehr hoch - für die Gründung einer GmbH muss man mindestens 25 000 Euro haben. Seit 2008 kann man allerdings auch hierzulande mit 1 Euro Stammkapital eine Unternehmergesellschaft gründen.

Wie viele "Limiteds" gibt es in Deutschland?

Der Gesellschaftsrechtler Udo Kornblum hat nachgezählt. Ihm zufolge gab es Anfang 2016 knapp 9000 in Deutschland registrierte britische "Limiteds". Die Zahlen sind rückläufig.

Unternehmen können sich also ein Gesellschaftsrecht aussuchen?

Ja, innerhalb der EU können sie das. Der Grund dafür ist die Niederlassungsfreiheit, wonach Unternehmen in allen Mitgliedstaaten Vertretungen gründen dürfen, wie die Gesellschaftsrechtlerin Jessica Schmidt erklärt. Der EU-Gerichtshof hat daraus abgeleitet, dass eine nach britischem Recht gegründete Gesellschaft auch in Deutschland anerkannt werden muss. Für das Unternehmen gelten also die gesellschaftsrechtlichen Regeln Großbritanniens, auch wenn es seinen Sitz in Berlin, Ulm oder Himmelkron hat.

Was würde ein Brexit für diese Unternehmen bedeuten?

"Wenn es Großbritannien in den Verhandlungen über einen Austritt nicht gelingt, die Niederlassungsfreiheit beizubehalten, wäre das ein Riesenproblem für "Limiteds" in Deutschland", sagt Schmidt. Ihre Gesellschaftsform würde nach einem Brexit nicht mehr ohne weiteres anerkannt. Ohne diese Anerkennung würden die Unternehmen aber wie eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft behandelt. Die strengeren Vorgaben für eine GmbH erfüllen sie nicht.

Das hieße: Die Gesellschafter müssten persönlich für die Verbindlichkeiten des Unternehmens haften. Um dem zu entgehen, müssten sie sich etwa zur GmbH wandeln. Das aber sei kompliziert und teuer, so Schmidt. In Großbritannien würden die Unternehmen außerdem weiter nach dortigem Recht behandelt - eine "Zwitterstellung", die in der Praxis sehr schwierig zu handhaben wäre, glaubt die Expertin.

Muss das so kommen?

Nein. Großbritannien könnte aushandeln, dass die Niederlassungsfreiheit weiter gilt. Ohne dieses Recht kämen nämlich auch auf britische Unternehmen erhebliche Hürden zu, erklärt die Jura-Professorin - etwa wenn sie in Deutschland Tochtergesellschaften gründen oder mit einer deutschen Gesellschaft verschmelzen wollen.

Daneben gibt es die "norwegische Lösung": Großbritannien bleibt Mitglied im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR). Das ist eine vertiefte Freihandelszone zwischen der EU und Island, Liechtenstein sowie Norwegen, innerhalb der ebenfalls die Niederlassungsfreiheit gilt. Denkbar wäre Schmidt zufolge auch ein Staatsvertrag, der britischen Gesellschaften die Niederlassungsfreiheit gewährt. Ein derartiger Vertrag besteht etwa zwischen Deutschland und den USA.

Und was machen Air Berlin, Müller und die Tankstelle jetzt?

Noch ist es nicht soweit. "Selbstverständlich werden wir die noch sehr jungen Entwicklungen beobachten und bewerten", heißt es bei der Fluggesellschaft. Bei kleinen Unternehmen geht es vor allem darum, dass sie das Problem rechtzeitig bemerken, sagt Schmidt - nämlich bevor in einem Rechtsstreit überhaupt relevant wird, wer haftet.

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