Unternehmen und ihr Markenwert:Bin ich sexy?

Sie ist eines der letzten Geheimnisse der Menschheit, die Anziehungskraft. Unternehmen investieren unglaubliche Summen, um ihre Marke unwiderstehlich zu machen. Das zieht neue Kunden an, bindet alte - und lässt viele fordern, dass Twix wieder Raider heißen soll.

Angelika Slavik

Die Sache ist jetzt mehr als 20 Jahre her, aber der eine oder andere hat sich noch immer nicht beruhigt. Da gibt es im Jahr 2012 also Internetseiten und mehrere Facebook-Gruppen, und sie alle eint eine Forderung: "Lasst Twix endlich wieder Raider heißen!" 1991 benannte der Hersteller, der Nahrungsmittelkonzern Mars, den bekannten Schokoriegel um - begleitet von einer aufwendigen Werbekampagne: "Raider heißt jetzt Twix - sonst ändert sich nix." Aber für manche änderte sich eben doch etwas.

Die Raider-Nostalgiker sind kein Millionenphänomen, aber diese Geschichte verdeutlicht doch ganz gut: Es geht in der Konsumwelt von heute eben nicht nur darum, was drin ist. Sondern auch darum, was draufsteht.

Dummer Vermarktungsfehler oder genialer Schachzug?

Während unter Experten also immer noch gestritten wird, ob die Twix-Raider-Umbenennung denn nun der dümmste Vermarktungsfehler aller Zeiten war oder doch ein genialer Schachzug, arbeiten andere Unternehmen daran, genau das hinzubekommen - ihre Marke emotional aufzuladen.

Mit gutem Grund, meint Klaus-Dieter Koch, Chef des Nürnberger Beratungsunternehmens Brandtrust. Denn die Bedeutung von Marken habe in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen. "Die Marke ist oft das einzige Kapital, das Unternehmen heute noch besitzen", sagt Koch.

Weil immer mehr Unternehmen die Produktion ihrer Waren auslagerten, sei die Marke heute der wichtigste Faktor: also das, was die Menschen assoziieren, wenn sie den Markennamen hören. Ob sie Vertrauen haben. Ob sie die Marke cool finden. Ob sie glauben, dass diese Coolness auf sie abfärben könnte.

Wegweiser in einem kaum überschaubaren Angebotsdschungel

Marken sind die Wegweiser in einem heute kaum überschaubaren Angebotsdschungel. Wer aus Hunderten ähnlicher Produkte wählen kann, braucht irgendeinen Anhaltspunkt zur Entscheidung. Manchmal ist das schlicht der Preis. Öfter ist es die Marke. Deshalb treiben die Firmen enormen Aufwand, um ihre Marken im Bewusstsein der Konsumenten zu verankern, um positive Assoziationen zu weckenum Begierde zu kreieren.

Da ist zum Beispiel BMW. Das Unternehmen produziert Autos, mit denen man von A nach B fahren kann. Das machen viele andere auch, und manche davon sind durchaus vergleichbar im Hinblick auf die Ausstattung oder den Komfort. BMW muss also versuchen, seine Autos zu Begierdeobjekten zu stilisieren. Und dafür schult der Konzern seine Mitarbeiter auch schon mal bis zu zwei Tage in Sachen Brand Behavior, also markengerechtem Verhalten.

"In schweren Zeiten ist eine starke Marke besonders wichtig"

Man wolle "ein Bewusstsein dafür schaffen, was die Kunden erwarten, wenn sie mit unserer Marke in Berührung kommen", sagt BMW-Marketingchef Uwe Ellinghaus. Wenn es nach ihm geht, soll das etwas mit Exklusivität zu tun haben, mit Freude und mit Sportlichkeit. Aber das funktioniert eben nicht, wenn potenzielle Kunden auf einen ruppigen, ungewaschenen Verkäufer treffen. Oder auf einen dreckigen Tresen im Verkaufsraum. Dann ist das mühsam aufgebaute Exklusivitätsgefühl gleich wieder dahin. Und deshalb wird bei dem Autokonzern trainiert. Lektion: Was es bedeutet, für BMW zu arbeiten.

Große Werbewirkung mit Risiken

Der Kampf um die Marke ist ein erbitterter, er wird mit Hingabe geführt - und mit viel Geld. BMW setzt neben der Mitarbeiterschulung etwa auch auf Sponsoring: Bei den Olympischen Spielen in London zum Beispiel kurvten mehrere Tausend Autos des bayerischen Konzerns durch die Stadt, die Spice Girls turnten bei der offiziellen Abschlussfeier auf fünf BMW-Minis herum. Wie viel das kostet, sagt das Unternehmen nicht, aber man erhofft sich offenbar eine so große Werbewirkung, dass man dafür auch Risiken eingeht.

Denn BMW sponsert auch einzelne Nationalmannschaften, die amerikanische etwa - und die chinesische. Das könnte man schlau finden, weil sich der Konzern damit in einem wichtigen Wachstumsmarkt Aufmerksamkeit sichert. Man könnte es aber auch riskant finden, weil ein Sponsoring des chinesischen Olympiateams hierzulande auch als Anbiederung an ein zweifelhaftes Regime interpretiert werden könnte.

In der BMW-Marketingabteilung hat man sich folgende Lesart ausgedacht: In Wahrheit, so heißt es, bekenne man sich mit dem Sponsoring "zu den olympischen Werten". Ein versteckter Aufruf zur Demokratie sozusagen. Das Kalkül des Unternehmens scheint aufzugehen, zumindest blieb die große Kritik bislang aus.

Der Kampf um die bessere Marke ist mitunter aber auch ganz unterhaltsam - etwa beim ewigen Duell Coca-Cola gegen Pepsi. Pepsi versucht seit Jahren, Coca-Cola mit spektakulären Werbespots zu übertrumpfen, angelte sich dafür die ganz großen Popstars: Beyoncé, Britney Spears, Justin Timberlake - und sogar den toten Michael Jackson. Mit den Erben des 2009 verstorbenen King of Pop handelte der Konzern einen Millionendeal aus, darf seither wieder mit dem Konterfei des Musikers werben.

Beim Kampf Pepsi gegen Coke geht es nur um diese eine Frage: Wer ist cooler? Es wird auf allen Ebenen gewetteifert: Wer hat den angesagteren Werbespot, die besseren Testimonials? Wer hat mehr Anhänger bei Facebook? Bei all dem geht es nicht in erster Linie darum, wer kurzfristig mehr Dosen verkauft. Coke gegen Pepsi, das ist ein Duell zweier Firmen, die sich von jeher dem Wert der Marke verschrieben haben.

Genützt haben Pepsis Anstrengungen bislang wenig: All der Aufwand, all die Millionen führten am Ende wieder mal zu - Platz elf. Platz elf im Ranking der wertvollsten Marken der Welt, das das Beratungsunternehmen Interbrand jährlich erstellt. Und Erzrivale Coca-Cola? Der lacht triumphierend auf Platz eins.

US-Unternehmen haben die Nase vorn

Das Interbrand-Ranking ist die am häufigsten zitierte, aber bei Weitem nicht die einzige Rangliste, die Aufschluss über den Wert eines Unternehmens geben soll. Denn, und da ist der Haken, wie genau man den Wert einer Marke in Zahlen fassen soll, ist umstritten. Viele verschiedene Methoden kursieren, und damit auch viele verschiedene Ranglisten. Große Konzerne schreiben den Markenwert in ihre Bilanzen, aber vergleichen kann man sie dennoch kaum. Manche sehen Apple vorne, andere Google und wieder andere McDonald's.

"Konsumenten sind vergesslich"

Auffällig ist aber: Die amerikanischen Unternehmen haben die Nase vorn. "In den USA gibt es traditionell eine besonders große Markenaffinität der Konsumenten. Deswegen haben die Unternehmen auch schon früher angefangen, sich darum zu kümmern", sagt Experte Koch. Im Interbrand-Ranking finden sich drei deutsche Unternehmen unter den besten 30: Mercedes, BMW und die Softwarefirma SAP.

Stefan Preussler, Geschäftsführer des Kreativverbands ADC, glaubt, dass deutsche Unternehmen vielfach noch nachlegen könnten in Sachen Markenbewusstsein. "Wir sind schon mal weiter gewesen", sagt Preussler. Aber in der Krise würde bei der Markenbildung immer noch zuerst gespart. Viele Entscheider, sagt Preussler, könnten sich nicht vorstellen, dass "gerade in schweren Zeiten eine starke Marke besonders wichtig ist".

Preussler plädiert dafür, dass Unternehmen bewusst Kreative in den innersten Führungszirkel aufnehmen sollten. "Dann bekämen sie einen neuen Blickwinkel, gleich zu Beginn eines Entscheidungsprozesses", sagt Preussler. Allzu oft würden Markenfragen in der zweiten Führungsebene angesiedelt und deswegen zu spät in Entwicklungsprozesse mit einbezogen. "Da geht viel Potenzial verloren."

Aber was, wenn die Marke zwar hohe Bekanntheit erlangt hat, aber nicht in positivem Zusammenhang? Immer werden Unternehmensmarken aufgegeben. Die Überreste der Skandalbank Hypo Real Estate (HRE) firmieren heute unter dem wohl bewusst spießig klingenden Namen Deutsche Pfandbriefbank.

250.000 Schokoriegel im alten "Raider"-Design

Die ebenfalls in Verruf geratene Citigroup tritt heute nur noch als Targobank auf. Ein Fehler, meint Markenberater Koch. "Die Konsumenten sind durchaus vergesslich", sagt Koch. In den meisten Fällen sei eine Namensänderung eine Überreaktion. Eine gut positionierte Marke könne Krisen durchaus wegstecken. Langfristig würden sich dann die positiven Assoziationen wieder durchsetzen.

Ob es diese Überlegung war, die man nach 20 Jahren auch beim Mars-Konzern angestellt hat? Oder doch die Facebook-Gruppen? Das Unternehmen hat den einst verstoßenen Markennamen Raider jedenfalls später doch noch mal ausgegraben: Zum 30. Firmenjubiläum brachte der Konzern 250.000 Schokoriegel im alten "Raider"-Design in Umlauf. Allerdings hatte die Aktion Nebenwirkungen: Als erste Fotos von Raider-Packungen in Süßwarenautomaten auftauchten, machte bei Facebook das Gerücht die Runde, man hätte fast zwei Jahrzehnte alte Riegel in einem vergessenen Automaten gefunden. Igitt.

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