Unternehmen - Münster:Tönnies und Subunternehmer beantragen Lohnkostenerstattung

Bonn
Auf dem Dach des Werksgeländes steht das Logo der Firma Tönnies. Foto: Guido Kirchner/dpa/Archivbild (Foto: dpa)

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Rheda-Wiedenbrück/Münster (dpa/lnw) - Der Schlachtbetrieb Tönnies und weitere Subunternehmer haben beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) Anträge auf Erstattung von Lohnkosten durch das Land Nordrhein-Westfalen gestellt. Hintergrund sind Quarantäne-Maßnahmen nach dem massenhaften Fund von positiven Corona-Infektionen bei Tönnies-Arbeitern am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück.

Nach Angaben eines Sprechers des LWL werden die Anträge jetzt nach Eingang abgearbeitet. Um welche Summen es sich handelt und wann die Anträge bearbeitet werden, sei völlig offen, sagte Sprecher Markus Fischer der Deutschen Presse-Agentur. Das Infektionsschutzgesetz sehe die Erstattung vor, wenn Gesundheitsämter einen Betrieb schließen und Quarantäne anordnen.

Die Löhne müssen vorerst von den Unternehmen bezahlt werden und können mit bis zu einem Jahr rückwirkend erstattet werden. "Für uns ist nur schwer zu sagen, wie viele Tönnies-Beschäftigte betroffen sind. Bei uns gehen auch Anträge von Subunternehmen mit Sitz in ganz anderen Kreisen ein. Wir sehen dann nur, dass die Fleischindustrie betroffen ist, aber nicht auch ein konkreter Betrieb", sagte Fischer.

Kritik an den Anträgen kam aus der Politik. "Lohnkostenerstattung vom Land zu fordern ist ein Unding. Da reibt man sich die Augen, das versteht doch kein Mensch. Infektionsgeschehen und Geschäftsmodell hängen zusammen. Tönnies hat Gütersloh den Lockdown gebracht und jetzt soll die Allgemeinheit bezahlen?", sagte Katja Mast, stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion am Freitag der dpa. Es könne nicht sein, dass diejenigen, die das Geld damit verdient haben, jetzt andere dafür zahlen lassen wollten. "So sieht es jetzt aber aus, wenn Lohnkosten erstattet werden sollen. Moralische und gesellschaftliche Verantwortung sieht anders aus", sagte Mast.

SPD-Landtagsfraktionschef Thomas Kutschaty betonte: "Die Antwort des Landes kann nur lauten: Nein. NRW muss eigene Impulse setzen, um jetzt dort zu investieren, wo unverschuldet der Betrieb zurückgefahren werden musste: in die Innenstädte, für die Gastronomie, für die Schaustellerinnen und Schausteller."

Nach Angaben eines Tönnies-Sprechers hat der Konzern bislang keine Kurzarbeit beantragt. Sollte dieser Schritt nötig werden, würde Tönnies die Gehälter auch der Beschäftigten bei Subunternehmen auf 100 Prozent aufstocken, sagte Tönnies-Sprecher André Vielstädte.

Über die Wiederaufnahme der Produktion am Hauptstandort des Fleischproduzenten Tönnies ist nach drei Wochen derweil noch keine Entscheidung gefallen. Die Schließungsverfügung gilt bis zum 17. Juli. Die Stadt Rheda-Wiedenbrück hatte aber angekündigt, dass die technischen Dienste ihren Betrieb nun wieder aufnehmen dürften, um weitere Maßnahmen für das neue Hygieneschutzkonzept einleiten zu können. So werden Schutzelemente in Kantinenbereichen und in Teilen der Produktion montiert.

Rund 1400 Arbeiter des Werks hatten sich nachweislich mit dem Virus infiziert. Vorübergehend waren deshalb zusätzliche Corona-Einschränkungen des öffentlichen Lebens für den Kreis Gütersloh und auch für den Nachbarkreis Warendorf verhängt worden. Dort wohnen ebenfalls viele Tönnies-Mitarbeiter.

Am Montag sollen Hygiene-Experten der Uni Bonn die neue Filtertechnik im Schlachtbetrieb Tönnies unter die Lupe nehmen. Geplant ist, dass die Filter in der Lüftungsanlage am Wochenende eingebaut werden. "Die Wissenschaftler werden dann mit Rauch testen, ob die Umluft-Anlage wie gewünscht funktioniert", sagte Vielstädte. Begleitet wird der Test von den Behörden.

Nach dem Nachweis von massenhaften Corona-Infektionen bei Mitarbeitern von Tönnies am Stammsitz in Rheda-Wiedenbrück hatte eine erste Analyse den Verdacht auf die Umluftanlage gelenkt. Mit deren Hilfe wird die Atemluft der in der Zerlegung körperlich hart arbeitenden Mitarbeiter auf 6 bis 10 Grad gekühlt, um die Lebensmittel zu schützen. Die gekühlte Luft wurde dann bislang ohne Filter zurück in die Halle geführt. Der Bonner Wissenschaftler Martin Exner hatte nach einer ersten Analyse die Luftumwälzung im Werk als möglichen Faktor für die Virusausbreitung benannt.

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