Unternehmen:Kam doch anders

Gewinnwarnung ist ein irreführender Begriff: In Wirklichkeit warnen die Unternehmen, dass sie die Ziele nicht mehr erreichen können. Und das haben in den vergangenen Wochen so viele Konzerne wie nie zuvor gemacht.

Von Caspar Busse

Eigentlich ist das Wort "Gewinnwarnung" ein ziemlich irreführender Begriff. Denn wenn die Chefin oder der Chef eines meist börsennotierten Unternehmens eine sogenannte "Gewinnwarnung" verkünden muss, will man mitnichten davor warnen, dass man womöglich Gewinn erwirtschaftet, an dem dann Anteilseigner, Mitarbeiter oder der Staat teilhaben können. Vielmehr wird die bisherige Planung für Umsatz und Gewinn kassiert und nach unten revidiert, oft geht der Börsenkurs dann steil nach unten. Eine solche Meldung erfolgt auch nicht freiwillig, sondern ist in der Regel durch das Börsenrecht vorgeschrieben. Die Ziele können nicht mehr erreicht werden, heißt es dann - die Gründe sind oft vielfältig, in den vergangenen Woche war es aber fast immer die Corona-Pandemie.

Die Zahl dieser sogenannten Gewinnwarnungen ist denn auch deutlich gestiegen. In 77 Fällen sahen sich Firmen im ersten Quartal gezwungen, ihre Umsatz- oder Gewinnprognosen nach unten zu korrigieren, wie aus einer Auswertung des Beratungs- und Prüfungsunternehmens EY hervorgeht. Das war der höchste Wert in einem Quartal und mehr als doppelt so viel wie im Vorjahreszeitraum, damals waren es 33.

Sieben der zwölf börsennotierten Autohersteller und -zulieferer mussten laut EY-Studie ihren Ausblick nach unten korrigieren. Die Autoindustrie sei aufgrund der Eindämmungsmaßnahmen auf dem wichtigen Absatzmarkt China im Januar und Februar besonders früh betroffen gewesen, viele andere Industriezweige folgten dann. In der Konsumgüterbranche waren 44 Prozent der Unternehmen betroffen, in der Medienbranche 38 Prozent. Keine Warnungen gab es hingegen von Telekommunikationsunternehmen und Energieversorgern, die beiden Branchen sind von der Corona-Krise bislang weitgehend unberührt. Im Gegenteil: Gerade Telekommunikationsfirmen profitieren von mehr Digitalisierung und höherem Datenvolumen, wegen mehr Heimarbeit oder eines steigenden Bedarfs an Videokonferenzen etwa.

EY untersucht seit 2011 veröffentlichungspflichtige Korrekturen von Gewinn- und Umsatzprognosen. Bemerkenswert sei, dass sich erstmals seit Beginn der Erhebung die Mehrheit der Unternehmen außerstande sehe, eine neue Prognose abzugeben. "Bei 45 der 77 Gewinn- oder Umsatzwarnungen im ersten Quartal wurde die überholte Prognose nicht durch eine neue Prognose ersetzt", sagte Hubert Barth, der Vorsitzende der Geschäftsführung von EY Deutschland. Damit fehle Anlegern und Öffentlichkeit eine wichtige Information hinsichtlich der Erwartung, wie sich das Geschäft des Unternehmens voraussichtlich entwickeln wird.

"Spätestens seit März Jahres wurden die Prognosen vieler Unternehmen Makulatur", teilte Barth weiter mit. Dass Firmen aufgrund der Pandemie höhere Umsätze oder Gewinne als geplant einfahren, ist nach Einschätzung von EY die absolute Ausnahme. EY wertete die Daten von 304 börsennotierten Unternehmen in Deutschland aus.

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