Unternehmen in der Krise:Warum der schwache Euro gut für die Konjunktur ist

Sinkende Exporte, fallende Produktion, rückläufiges Wirtschaftswachstum: Deutsche Unternehmen spüren die Schuldenkrise und die Rezession in einigen Euro-Ländern. Doch im Rest der Welt läuft es dafür umso besser. Das liegt vor allem am schwachen Euro. Wer von der Krise profitiert - und wer nicht.

Überblick

Die Nervosität steigt. Die Unternehmenschefs in Deutschland machen sich immer mehr Sorgen: Wie geht es weiter mit dem Euro? Zerbricht die Euro-Zone? Hinter verschlossenen Türen bereiten sich viele Unternehmen bereits auf den Ernstfall vor. Offiziell aber mahnen die Manager zur Ruhe. "Ich persönlich würde eine größere Zurückhaltung in der Öffentlichkeit begrüßen", sagte Daimler-Finanzchef Bodo Uebber - und fordert sachlichere Töne. "Wir haben die große Sorge, dass der Ruf nach einfachen Lösungen zu noch größeren Katastrophen führt", teilte der Deutsche Industrie- und Handelskammertag mit.

Autotuerme Volkswagen

Die Wirtschaftskrise wirkt sich unterschiedlich auf verschiedene deutsche Konzerne aus. Die Autobauer profitieren zumeist.

(Foto: dapd)

Sinkende Exporte, fallende Produktion, rückläufige Aufträge: Die deutsche Wirtschaft spürt die Schuldenkrise und die Rezession in vielen Euro-Ländern. Das Wachstum könnte sich hierzulande im zweiten Quartal mehr als halbieren. Deutsche Unternehmen lieferten weniger ins Ausland als im Vormonat - wegen der sinkenden Nachfrage aus der Euro-Zone, teilte das Statistische Bundesamt mit. Die Aufträge gingen um insgesamt 1,7 Prozent zurück. Die Firmen drosselten bereits ihre Produktion, stellten 0,9 Prozent weniger her als noch im Vormonat.

Im Vergleich zum Vorjahr sieht die Entwicklung aber noch gut aus: Die Unternehmen verkauften im Juni Waren im Wert von 94,6 Milliarden Euro ins Ausland - 7,4 Prozent mehr als im Juni 2011. Die Exporte in die EU gingen zwar zurück. Dagegen legten die Ausfuhren außerhalb Europas um fast 20 Prozent zu - besonders nach Russland, in die USA, nach Japan und nach Südostasien. Dabei hilft vor allem der schwache Euro. Er macht deutsche Waren in anderen Regionen billiger, die Währungseffekte lassen Umsatz und Gewinn tendenziell steigen. Das wirkt wie ein kleines Konjunkturprogramm - in manchen Branchen, aber nicht in allen.

Autobauer profitieren von Währungseffekten

Daimler/BMW/VW: Für Deutschlands erfolgreiche Autobauer könnte es eigentlich immer so weitergehen: gute Exportzahlen außerhalb Europas, und das bei einem schwachen Euro, der Umsatz und Gewinne in Märkten wie den USA und Asien stützt. Der schwächere Euro-Kurs macht sich in den Bilanzen der großen Autohersteller bemerkbar - und zwar positiv. Bei Daimler sorgten Währungseffekte allein im zweiten Quartal 2012 dafür, dass der Gewinn um 326 Millionen Euro höher ausfiel als im Vorjahresquartal. Bei VW hieß es, dass sich Währungsschwankungen im ersten Halbjahr mit etwa 500 Millionen Euro auf das operative Ergebnis auswirkten. Auch bei BMW spürt man den schwachen Euro. BMW-Finanzchef Friedrich Eichiner gab den Währungseffekt im operativen Ergebnis bei der Vorlage der Quartalszahlen mit einem mittleren dreistelligen Millionenbetrag an.

VW fährt Golf-7-Fertigung an

Die deutschen Autobauer profitieren am meisten vom schwachen Euro.

(Foto: dpa)

Dennoch können sich die Hersteller nicht darauf verlassen, dass das auf ewig funktioniert. Sie müssen für den Fall vorsorgen, dass es immer wieder zu großen Schwankungen zwischen den Währungen kommt. In alle Richtungen. "Das Wichtigste für uns als Unternehmen ist die Stabilität des Euros und damit Planbarkeit", sagt ein Daimler-Sprecher. "Durch den Einsatz von geeigneten Hedging-Instrumenten gelingt es uns, die Marktschwankungen für unser Fahrzeug- und Finanzdienstleistungsgeschäft über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren zu glätten, um die für uns wichtige Planungssicherheit zu gewährleisten." Mit anderen Worten: Man schützt sich mit komplexen Absicherungsgeschäften vor allzu großen Wechselkursschwankungen - und damit auch vor größeren Verlusten. Die momentanen Vorzüge des schwachen Euro können nämlich über eines nicht hinwegtäuschen: "Die Situation setzt die gesamte Automobilindustrie unter enormen Druck, der Wettbewerb hat sich extrem intensiviert", sagt VW-Vertriebsvorstand Christian Klingler.

Luftfahrtbranche strauchelt, Sportartikelhersteller souverän

Puma will Europäische Aktiengesellschaft werden

Die deutschen Sportartikelhersteller schaffen den Absprung - sie sind auch in der Krise souverän.

(Foto: dpa)

Lufthansa/EADS: Die Luftfahrtindustrie ist international wie keine andere und deshalb stark von Währungsschwankungen beeinflusst - allerdings in sehr unterschiedlicher Weise. Der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern EADS hat in den vergangenen Jahren einen größeren Anteil seiner Produktion in den Dollar-Raum verlagert, um nicht mehr so sehr unter dem starken Euro zu leiden. Damit versucht der Konzern ein grundlegendes Problem abzumildern: Der größte Teil der Kosten entsteht auf Euro-Basis, weil sich die meisten Werke in Europa befinden. Flugzeuge werden jedoch fast überall in Dollar verkauft.

Der schwache Dollar hatte erhebliche Folgen für den Gewinn. Als Faustregel galt lange Zeit, dass der operative Gewinn von EADS bei einer Abwertung des Dollar um zehn Cent um etwa eine Milliarde niedriger ausfällt. Umgekehrt wirkt sich ein nun wieder stärkerer Dollar positiv aus. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass EADS über langfristige Währungssicherungsgeschäfte versucht, die Schwankungen zu minimieren. Im ersten Halbjahr hat der Konzern Kurssicherungen in einer Höhe von 19,2 Milliarden Dollar abgeschlossen, und zwar zu einem Durchschnittskurs von 1,31 Dollar für den Euro. Der Tageskurs liegt derzeit deutlich darunter. Bleibt es dabei, würden sich die Sicherungsgeschäfte negativ auswirken.

Bei den Fluggesellschaften ist die Lage in der Regel noch komplizierter. Lufthansa etwa hat wegen des globalen Streckennetzes Einnahmen in zahlreichen Währungen, deren Wert ständig schwankt. Im ersten Halbjahr ist der Umsatz aufgrund von Währungseffekten um 78 Millionen Euro gestiegen - der Einfluss war unter dem Strich gering. Anders sah es bei den Treibstoffkosten aus: Die Ausgaben stiegen um 214 Millionen Euro, weil die europäische Währung an Wert verloren hat. Kerosin wird nämlich in Dollar bezahlt.

Adidas/Puma: Weniger als fünf Prozent seines Umsatzes von voraussichtlich 14,5 Milliarden Euro erwirtschaftet Adidas noch in Deutschland. Längst ist der Sportartikelhersteller aus dem fränkischen Herzogenaurach ein Weltkonzern geworden, der mit Währungsschwankungen umzugehen weiß. "Währungsmanagement ist für uns von zentraler Bedeutung", sagt ein Firmensprecher. Um sich gegen negative Entwicklungen abzusichern, arbeitet Adidas mit einem Hedging-System. "Wir nutzen Instrumente wie Devisentermingeschäfte und Währungsoptionen, die es uns erlauben, auch weiterhin von positiven Kursentwicklungen zu profitieren", so der Sprecher. Und der schwache Euro?

Adidas kauft sein Material vorwiegend in Fernost und lässt dort auch Trikots und Turnschuhe fertigen. Abgerechnet wird in Asien größtenteils in Dollar. Ein schwacher Euro lässt die Beschaffungskosten also steigen. Umgekehrt ist für Adidas ein schwacher Euro von Vorteil, wenn der Kunde im Laden die Mode mit den drei Streifen in US-Dollar bezahlt. Dies gilt naturgemäß vor allem für den größten und wichtigsten Sportartikelmarkt Nordamerika. Unterm Strich jedoch "machen wir den Großteil unseres Gesamtumsatzes nicht im Dollar-Raum und profitieren daher grundsätzlich von einem schwächeren US-Dollar", sagt der Sprecher. Beim Konkurrenten Puma heißt es, der schwache Euro schade insgesamt. Die gestiegenen Beschaffungskosten in der Region Europa schlagen stärker zu Buche, so ein Sprecher.

Technologiehersteller ambivalent, Stromkonzerne am schlimmsten betroffen

Vattenfall muss Stromnetzgebühren kürzen

Die deutschen Stromkonzerne wie RWE und Eon trifft die Krise am härtesten.

(Foto: dpa)

Siemens: Es war kein gutes Quartal, und ohne den schwächeren Euro wäre es noch schlechter ausgefallen: Bei Siemens war der Umsatzanstieg von zehn Prozent im vergangenen Jahresviertel zur Hälfte durch Wechselkurseffekte bedingt. Den Großteil seines Geschäfts macht der Münchner Technologiekonzern jenseits von Europa - entsprechend heftige Auswirkungen haben Veränderungen des Umtauschkurses für das Unternehmen, dessen Produktportfolio einen Querschnitt der deutschen Exportindustrie darstellt. So hat das Dax-Unternehmen Gaskraftwerke genauso im Angebot wie U-Bahnen, Röntgengeräte oder Fabriksteuerungen. Und die werden etwa für Kunden in den USA billiger, wenn der Euro-Kurs schwach ist. Zugleich steigt dadurch der Wert des Dollar in den Kassen der Siemens-Niederlassungen in Amerika: Das hübscht die in Euro erstellte Quartalsbilanz der Münchner auf.

Allerdings versucht der Konzern, die Ausschläge nach den Euro-Kapriolen zu dämpfen; die Sparten sind gehalten, mindestens Dreiviertel ihrer Devisenbestände gegen Schwankungen zum Euro abzusichern. Und auch wenn der schwache Euro den Münchnern gerade nützt - insgesamt leidet Siemens unter der Krise, denn wegen der unsicheren Lage zögern Unternehmen mit Bestellungen.

Maschinenbau/BASF: Der Maschinenbauverband VDMA bestätigt das: "Die Schuldenkrise kostet unsere Mitglieder Aufträge", sagt Olaf Wortmann, Konjunkturexperte der Organisation. Dass nun die ein oder andere Bestellung mehr hereinkomme, weil in Deutschland gefertigte Maschinen wegen des niedrigen Euro-Kurses in Amerika und Asien billiger seien, könne darüber kaum hinwegtrösten. Zumal viele deutsche Anlagenbauer Spitzentechnik oder Spezialanfertigungen lieferten - "in dem Bereich spielen Preise für die Kunden ohnehin nicht die beherrschende Rolle", sagt Wortmann. Er hält den Euro-Kurs auch nicht für schwach - die Währung sei nun "fair bewertet", nachdem sie lange stark gewesen sei - zum Nachteil der Maschinenbauer, die Dreiviertel des Umsatzes außerhalb der Euro-Zone erzielen.

Doch nicht alle exportorientierten Maschinenbauer profitieren von einem billigen Euro. Beispiel Trumpf: Der deutsche Maschinenbauer hat schon in den achtziger Jahren einen Teil seiner Produktion nach Amerika verlagert. Eine Strategie, die sich insgesamt bewährt hat, nun aber ihre Nachteile offenbart. "Wenn der Euro so stark fällt, büßen unsere Kunden in den USA an Wettbewerbsfähigkeit ein", sagt Rolf Biekert, US-Chef von Trumpf. Die Folge: weniger Aufträge aus der Industrie. Zugleich werden die Anlagen teurer, die Trumpf aus den USA in Schwellenländer wie Brasilien liefert.

Die Chemie-Industrie leidet ebenfalls unter den Turbulenzen. So beobachtet Weltmarktführer BASF, dass seine Kunden sich mit Bestellungen zurückhalten und erst einmal ihre Lager leeren. Das Unternehmen aus Ludwigshafen warnt vor wachsenden Risiken für die Konjunktur. Zugleich profitiert BASF von der Euro-Schwäche: Dass im vergangenen Quartal der Umsatz um sechs Prozent gestiegen ist, lag fast komplett am schlechten Euro-Kurs. Ohne Währungseffekte hätte das Plus nur ein Prozent betragen.

RWE/Eon: Für die Energiekonzerne wie RWE und Eon ist ein Auseinanderbrechen der Euro-Zone das schlimmste Szenario. Denn die Konzerne sind mittlerweile in ganz Europa vernetzt, aber nur wenig außerhalb des Kontinents. Es gebe in seinem Unternehmen einen Plan B, sagt ein führender Manager eines Stromkonzerns. Kein international tätiges Unternehmen dürfe noch vom Austritt eines Landes aus dem Euro überrascht sein - auch wenn dies derzeit noch nicht sehr wahrscheinlich sei. Die Währungsschwankungen und der schwache Euro haben dagegen für die Industrie, die ohnehin vor allem in Europa aktiv ist, keine sonderlich große Bedeutung. RWE sei nur bei Geschäften in der Türkei und Großbritannien von Währungsschwankungen betroffen, sagt eine Konzernsprecherin. In Krisenländern wie Griechenland, Portugal oder Spanien sei RWE nur mit kleineren Projekten aktiv.

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