Unternehmen:Bisher keine Pleitewelle in Deutschland

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Bisher gibt es keine Pleitewelle - die Zahl der Unternehmen, die infolge der Pandemie in Schieflage geraten, könnte allerdings noch steigen. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa (Foto: dpa)

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Wiesbaden (dpa) - Eine Welle an Firmenpleiten ist auch im zweiten Jahr der Pandemie nach bisherigen Zahlen ausgeblieben. Von Januar bis einschließlich Oktober 2021 meldeten die Amtsgerichte 11.738 Unternehmensinsolvenzen.

Das waren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes vom Dienstag 13,5 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. Experten rechnen jedoch damit, dass die Zahlen im laufenden Jahr wieder steigen werden. Die wirtschaftlichen Sorgen in vielen Branchen bleiben groß angesichts des weiter grassierenden Coronavirus und anhaltender Einschränkungen.

Im Oktober vergangenen Jahres war die Zahl der Firmenpleiten nach Angaben des Bundesamtes mit 1056 um 2,7 Prozent niedriger als im Oktober 2020. Das Niveau von Oktober 2019, also vor der Corona-Krise, wurde noch deutlicher unterschritten - und zwar um 33,7 Prozent, wie die Wiesbadener Behörde mitteilte. Die voraussichtlichen Forderungen der Gläubiger summierten sich im vergangenen Oktober auf knapp eine Milliarde Euro. Im Oktober 2020 waren es noch 2,1 Milliarden Euro.

Der Verband der Insolvenzverwalter und Sachwalter Deutschlands (VID) erklärt die vergleichsweise niedrigen Fallzahlen auch mit einem lebhaften Markt für Unternehmensübernahmen. "Wir beobachten, dass es in vielen Fällen gar nicht mehr zur Restrukturierungsphase kommt. Unternehmen in der Krise werden oft schon vorher verkauft oder fusionieren beziehungsweise werden von anderen Unternehmen übernommen", erläuterte der VID-Vorsitzende Christoph Niering. Allerdings könnten Branchen, die auch vor der Corona-Pandemie schon in Schwierigkeiten waren, von dieser Entwicklung kaum profitieren.

Um eine Pleitewelle infolge der Pandemie abzuwenden, hatte der Staat die Pflicht zum Insolvenzantrag bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit zeitweise ausgesetzt. Seit dem 1. Mai 2021 gilt die Insolvenzantragspflicht wieder in vollem Umfang. Daher war mit einem Anstieg der Insolvenzen gerechnet worden. Ausnahmen gibt es noch bis 31. Januar 2022 für Betriebe, die im vergangenen Sommer Schäden durch Starkregen oder Überflutungen erlitten haben.

Vor allem Reisebüros fühlen sich gefährdet

Die Zahl der Unternehmen, die infolge der Pandemie in Schieflage geraten, könnte allerdings noch steigen. Einer Umfrage des Ifo-Instituts aus dem Dezember zufolge sieht sich knapp jedes siebte Unternehmen (14 Prozent) in seiner Existenz bedroht. "Immer noch besonders gefährdet fühlen sich die Reisebüros und -veranstalter mit 73,2 Prozent sowie Unternehmen aus der Veranstaltungswirtschaft mit 67,4 Prozent", fasste Klaus Wohlrabe, Leiter der Ifo-Umfragen, zusammen. Auch im Gastgewerbe bleibt die Situation demnach kritisch: Mehr als der Hälfte der Gastwirte (52,5 Prozent) sehen der Umfrage zufolge ihre berufliche Existenz in Gefahr.

Ein Anstieg der Insolvenzzahlen deutet sich auch in vorläufigen Zahlen des Wiesbadener Bundesamtes an: Die Zahl der beantragten Regelinsolvenzverfahren stieg demnach von November auf Dezember 2021 um 18 Prozent. Schon im Monat zuvor war sie um 43,8 Prozent geklettert. Im Vergleich zum Vorjahresmonat lag die Zahl der beantragten Regelinsolvenzen den Angaben zufolge im Dezember 2021 um 24,8 Prozent höher.

Für das Gesamtjahr 2021 erwartet die Wirtschaftsauskunftei Creditreform ein Rekordtief von 14.300 Firmenpleiten in Deutschland. Für 2022 hatte der Kreditversicherer Euler Hermes im Oktober einen Anstieg auf 16.300 Unternehmensinsolvenzen prognostiziert.

Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), das monatlich einen Insolvenztrend veröffentlicht, sieht anhand aktueller Daten zumindest kurzfristig einen Trend zu etwas mehr Firmenpleiten. "Nach historischen Tiefständen im Sommer ist die Zahl der Insolvenzen von Personen- und Kapitalgesellschaften in den Monaten Oktober bis Dezember 2021 leicht gestiegen", teilte IWH-Forscher Steffen Müller auf Anfrage mit. "Für die nächsten beiden Monate erwartet das IWH keinen weiteren Anstieg bei den Unternehmensinsolvenzen. Die vom Statistischem Bundesamt gemeldete deutlich gestiegene Zahl der Regelinsolvenzverfahren bedeutet vor diesem Hintergrund, dass die Zahl von Kleinstinsolvenzen, zum Beispiel von Solo-Selbstständigen, gestiegen ist", erklärte Müller.

© dpa-infocom, dpa:220111-99-664369/4

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