Süddeutsche Zeitung

Unternehmen - Berlin:Mehr als Hälfte der Berliner Karstadt-Filialen vor dem Aus

Direkt aus dem dpa-Newskanal

Berlin (dpa/bb) - In Berlin sollen sechs von elf Galeria-Karstadt-Kaufhof-Filialen geschlossen werden. Außerdem soll die geplante Filiale in Berlin-Tegel gar nicht erst öffnen. Das geht aus einer internen Liste der Unternehmensgruppe hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Damit ist auch die Hauptstadt von den bundesweiten zahlreichen Filialschließungen des zur Signa Holding gehörenden Unternehmens aufgrund der Corona-Krise massiv betroffen. Bundesweit sollen 62 von 172 Filialen schließen.

Geschlossen werden sollen in der Hauptstadt die Standorte in Berlin-Charlottenburg, Berlin-Tempelhof sowie an der Müllerstraße in Berlin-Wedding, im Berliner Ringcenter an der Frankfurter Allee, in Berlin-Hohenschönhausen sowie die Filiale in den Gropius-Passagen in Neukölln.

Der Landesbezirk der Gewerkschaft Verdi geht davon aus, dass bislang mindestens 600 Beschäftigte direkt von den Schließungen betroffen sind. Insgesamt arbeiten demnach in den elf Warenhäusern rund 1850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Wann die Filialen schließen werden, war am Freitag noch nicht bekannt. Möglich sei, dass die Mietverträge mit einer Dreimonatsfrist gekündigt werden - dann sei zum 1. Oktober Schluss, sagte Erika Ritter, Leiterin des Fachbereichs Handel beim Verdi-Landesbezirk.

Ebenfalls offen war am Freitag das Schicksal für die beiden Karstadt-Sports-Häuser in der Hauptstadt. Hier gelten bundesweit mehr als zwei Drittel der rund 30 Filialen als gefährdet. Auch über die Zukunft der ebenfalls zum Unternehmen gehörenden Restaurantbetriebe in Berlin wurde am Freitag nach Angaben von Verdi noch verhandelt.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) bezeichnete die Schließungen auf Twitter als schweren Schlag "vor allem für die Beschäftigten - aber auch für die Kieze". Die Filialen seien von zentraler Bedeutung für die Nahversorgung und oftmals Lebensmittelpunkt der Stadtquartiere. "Der Senat wird sich in weiteren Gesprächen für den Erhalt möglichst vieler Arbeitsplätze und für den Warenhaus-Standort Berlin einsetzen."

Ähnlich hatte sich zuvor schon Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) geäußert. "Das sind dramatische Entscheidungen - für Deutschland, aber insbesondere auch für Berlin und für die Beschäftigten", teilte sie mit. "Die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen treibt die Sorge um ihre Zukunft um, wir werden mit dem Insolvenzverwalter und den Beschäftigten das Gespräch suchen, um Wege zur Rettung von Standorten und Arbeitsplätzen auszuloten."

Am Vorabend hatten sich das Unternehmen, der Gesamtbetriebsrat und die Gewerkschaft Verdi bundesweit auf einen Sozialplan und einen Interessenausgleich für Galeria Karstadt Kaufhof verständigt.

Er sieht unter anderem vor, dass die gekündigten Mitarbeiter für mindestens sechs Monate in eine Transfergesellschaft wechseln können. Als Erfolg wertete die Gewerkschaft, dass der vom Unternehmen ursprünglich geplante Abbau von zehn Prozent der Stellen in den verbleibenden Filialen vom Tisch sei. Außerdem bleibe der im Dezember 2019 vereinbarte Integrationstarifvertrag in Kraft.

Dennoch kritisierte die Berliner Linke-Fraktion das Vorgehen der Signa-Holding des österreichischen Immobilien-Investors René Benko, zu dem Galeria Karstadt Kaufhof gehört. "Das konzerninterne Auspressen des Warenhausbetriebs zugunsten der konzerneigenen Immobiliengesellschaft muss endlich beendet werden. Die Beschäftigten dürfen nicht im Stich gelassen werden."

Die FDP wiederum warb für eine neue Nutzung der nun für die Schließung vorgesehenen Filialen. "Die angekündigten Filialschließungen beim Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof werden sich auch im Berliner Stadtbild zeigen - und eine Lücke reißen", teilte der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Sebastian Czaja, am Freitag mit. "Der Raum, der jetzt entsteht, kann Entlastung für den Wohnungsmarkt bringen." Czaja schlug vor, die Immobilien für studentisches Wohnen zu nutzen.

Galeria Karstadt Kaufhof war durch die pandemiebedingte Schließung aller Filialen bundesweit in eine schwere Krise geraten und hatte Anfang April Rettung in einem Schutzschirmverfahren suchen müssen. Das Unternehmen rechnet durch die Pandemie und den durch sie ausgelösten Konjunkturabschwung bis Ende 2022 mit Umsatzeinbußen von bis zu 1,4 Milliarden Euro.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-200619-99-490373
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Direkt aus dem dpa-Newskanal