Unterkünfte für Touristen:Die Party-Muffel

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Proteste in New York: Einheimische fürchten, dass viele Wohnungen an Touristen vermietet werden, statt an die Städter. (Foto: Shannon Stapleton/Reuters)

Viele Städte regeln, wie man Ferienwohnungen vermieten darf - können Verbote jedoch nicht durchsetzen. Eine junge Firma hilft nun dabei, illegale Vermietung aufzudecken. Das gefällt selbst dem Anbieter Airbnb.

Von Kathrin Werner, New York

Ulrik Binzer war ein guter Kunde. Wenn er nach Hause nach Dänemark fuhr, vermietete er sein Haus in dem kalifornischen Städtchen Tiburon stets an Touristen. Das war gut für die Reisekasse - bis Tiburon es plötzlich für illegal erklärte. Die Menschen durften ihre Wohnungen nicht mehr für kürzer als einen Monat über Airbnb vermieten. Binzer war empört, ging zu einer Bürgerversammlung und stellte fest: Die Stadt hat keine Ahnung von Airbnb. "Sie hatten gar keinen Überblick, wie viele Vermieter und Mieter es überhaupt gibt", sagt er. "Mir wurde klar, dass jemand aus der Technik-Welt etwas unternehmen musste." Airbnb und andere Internetseiten wie Home Away, über die Menschen gegen Provision ihre Wohnungen vermitteln, wachsen rasant. Im Jahr 2010 waren 500 000 Wohnungen im Angebot, im vergangenen Jahr bereits 3,9 Millionen.

Der Marktführer Airbnb ist mit mehr als 30 Milliarden Dollar bewertet worden - das ist mehr als der Börsenwert der Hotelkette Hilton. Stadtverwaltungen ist das unheimlich. Sie haben über Jahrzehnte hinweg gut an Hotelsteuern verdient und wissen nun nicht mehr, wer wann wen zu Gast hat. Es gibt immer wieder Beschwerden, wenn etwas schief läuft, zum Beispiel wenn ein Trupp partywütiger Gäste in ein Wohnviertel einfällt. Außerdem arbeiten Hotels mit harten Auflagen, die Gäste und Nachbarn schützen sollen, zum Beispiel für Brandschutz. Und das Hauptproblem: Kurzzeit-Vermietungen können das Angebot an bezahlbaren Wohnungen verknappen und die Mietpreise in die Höhe treiben.

Um die Kontrolle wieder zurück zu gewinnen, führen Städte wie Binzers Heimatstadt Tiburon Auflagen für Kurz-Vermietungen ein oder verbieten sie gleich ganz. Es ist aber schwer, die Regeln durchzusetzen. Hier kommt Binzer ins Spiel: Er hat das Start-up Host Compliance gegründet - als Airbnb-Aufpasser. "Wir beseitigen die Party-Häuser und die Profi-Vermieter, die aus ihren Wohnungen illegale Hotels machen", sagt er. "Krach, Müll, Parkplätze, die Beschwerden sind überall die Gleichen." Es ist die übliche Evolution von Technologie und Regulierung, die immer einen Schritt zurückhängt: Eine neue Branche entsteht ohne Regeln und Aufpasser. Dann merken die Behörden, was passiert und entwickeln Regeln, die sehr streng sind. Jetzt, sagt Binzer, ist es Zeit für die Phase nach dem Wilden Westen und der Überregulierung. "Jede langfristig funktionierende Geschäftswelt braucht sinnvolle Regeln, an die sich alle halten", sagt er. "Und die Regeln muss jemand durchsetzen." Das Problem ist, dass die Mitarbeiter der Behörden nicht ohne Weiteres feststellen können, wer bei Airbnb untervermietet. Auf der Internetseite stehen die Annoncen ohne genaue Adresse.

Komplette Verbote funktionieren nicht, sagt Binzer: Man könne sie kreativ umgehen

Host Compliance vergleicht die Angaben mit öffentlichen Datenbanken wie Melderegistern und kann den Stadtverwaltungen in mehr als 90 Prozent der Fälle die Adresse liefern, sagt Binzer. Man braucht dazu spezielle Software, um die gewaltigen Datenmengen zu bewältigen. Die Nachfrage ist rasant, die erst einjährige Firma arbeitet für knapp 20 Städte, es werden von Woche zu Woche mehr. Binzer hatte schon Hunderte Treffen mit Behördenvertretern. Airbnb kämpft gegen neue Gesetze, die das Unternehmen für zu streng hält. Jüngster Fall: New York. In der Stadt sind fast 45 000 Menschen als Vermieter registriert. Nun verbietet es die Stadt, in Häusern mit mehr als drei Parteien Wohnungen über Airbnb anzubieten. Erlaubt bleibt einzig die Vermietung einzelner Zimmer oder eines abgetrennten Teils der selbst genutzten Wohnung. Airbnb hat bereits beantragt, den Vollzug des Gesetzes per einstweiliger Verfügung zu untersagen. Das Unternehmen wehrt sich in etlichen Städten vor Gericht gegen neue Regeln.

Nach eigenen Angaben ist Airbnb nicht komplett gegen Regulierung. Das Unternehmen tut allerdings wenig, damit sich die Vermieter an die Regeln halten. Es weist sie auf die örtlichen Gesetze hin, ob sie diese auch befolgen, überprüft Airbnb nicht. Das Unternehmen betont, dass es nur eine Vermittlungsplattform sei und deshalb für die Vermieter keine Verantwortung übernehme. Der Anteil der Vermieter, die sich im Moment an alle Vorgaben halten und alle Steuern zahlen, sei ein einstelliger Prozentsatz, sagt Binzer. "Das ist offensichtlich nicht effektiv." Zu Überwacher-Start-ups wie Host Compliance äußert sich Airbnb nicht. Wenn Binzer mit Leuten von Airbnb und den anderen Vermietungs-Plattformen spricht, seien diese nicht gegen seine Idee. "Die machen sich Sorgen, dass mit schärferen Regeln irgendwann die ganze Party zu Ende ist", sagt Binzer. "Wenn wir den Städten helfen, die schwarzen Schafe unter den Vermietern herauszufischen, die ordentlichen Vermieter zu besteuern und alles unter Kontrolle zu behalten, lassen sich vielleicht sinnvolle Regeln durchsetzen und die Party geht weiter. Wenn auch vielleicht nicht mehr ganz so rauschend."

Mit Städten, die Airbnb komplett verbieten, arbeitet Host Compliance nicht zusammen, weil das gegen Binzers Prinzipien verstößt. "Städte können durchaus auch von Airbnb profitieren", sagt er. Schließlich locke Airbnb Touristen an, die Geld ausgeben wollen und auch Airbnb-Vermieter lassen sich besteuern. "Ein Komplett-Verbot ist meist eher eine Verzweiflungsreaktion", sagt Binzer, zumal es sich nur sehr schwer durchsetzen lasse. "Die Menschen lassen sich allerlei Dinge einfallen, um Verbote zu umgehen." Bislang liegen alle Städte, für die das Start-up arbeitet, in Nordamerika: Los Angeles und Toronto zum Beispiel. "Aber ich sehe keinen Grund, warum wir die Technik nicht auch in anderen Ländern weltweit einsetzen können", sagt Binzer. "Schließlich gibt es die Probleme auch in Europa." In diesem Sommer hat Binzer seine Wohnung wieder untervermietet, als er mit seiner Familie - mehr als einen Monat lang - in Dänemark war. "Und zwar vollständig legal. Ich will, dass das jeder kann."

© SZ vom 25.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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