Unruhe in der Branche:Mausoleen der Mode

Magere Zeiten: Italiens Modeindustrie sucht nach dem Ende des Luxus-Booms einen Weg aus der Krise - und die Konkurrenz zieht unterdessen davon.

Ulrike Sauer

Ethik ist der letzte Schrei bei Gucci. Die Florentiner Nobelmarke bangt um das Know-how der toskanischen Handwerker, bei denen sie ihre glamourösen Lederwaren in Auftragsfertigung gibt.

Darum schloss das Modehaus mit seinen Geschäftspartnern nun einen Pakt, der Standards sozialer Verantwortung und Nachhaltigkeit sichern soll. "Wir müssen verhindern, dass die Betriebe von einer unerbittlichen Marktlogik stranguliert werden", sagt Patrizio di Marco, der vor einem Jahr die Gucci-Führung übernahm.

Ethisch nicht korrektes Gebaren will di Marco mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen ahnden. Über Beteiligungen greift er kleinen Firmen unter die Arme. Dass der Konzern mit 2,2 Milliarden Euro Umsatz mitten in der Krise sein soziales Gewissen entdeckt, kommt nicht von ungefähr. "Heute wie zu Zeiten von Guccio Gucci ist absolute Qualität für den Erfolg entscheidend", sagt der 47-jährige Manager.

Neuausrichtung der Branche überfällig

Die schnelllebige Modewelt ist nach dem Ende der Hybris der Luxusgüterbranche zur Besinnung gekommen. Eine Neuausrichtung ist überfällig. "Man darf nicht vergessen, dass die Krise den Verbraucher verändert hat", mahnt Ferragamo-Chef Michele Norsa.

Für den Modeprofi, der lange bei Marzotto war, ist ein Weiter-so nicht drin. "Wir müssen lernen, mit einem neuen Konsummodell umzugehen", sagt der Mann, der das vom legendären Schuhmacher Salvatore Ferragamo gegründete Familienunternehmen eigentlich an die Börse bringen sollte.

Nun ist nichts mehr wie es war. Vor zwei Jahren landete das Septemberheft von Vogue America, 2,5 Kilo schwer und 840 Seiten stark - 727 davon Werbung - auf den Schreibtischen in den Glitzerkonzernen. In diesem Monat hat die Branchenbibel 40 Prozent abgespeckt.

Das große Nacht-Shopping, zu dem die US-Vogue-Chefin Anne Wintour vor zwei Wochen auf die exklusiven Einkaufsmeilen in 13 Metropolen geladen hatte, setzte nicht das erhoffte Zeichen gegen die Krise. Auch in Mailand hielt sich die Kauflust in der Fashions Night Out ziemlich in Grenzen, räumt Modekammer-Chef Mario Boselli ein. In den ersten acht Monaten gingen in den Luxusboutiquen in Italiens Modehauptstadt die Käufe von EU-Ausländern um 14 Prozent zurück, meldet Global Refund.

"Zaghafte Erholung"

Nun bemühen sich die illustren Firmen, auf den Laufstegen in Mailand bis zum 30. September Spaß an neuen Kreationen zu wecken. Man setze große Hoffnungen in eine sich nun abzeichnende "zaghafte Erholung", umschreibt Boselli vorsichtig die Stimmung. Von einem dauerhaften Aufschwung zu sprechen, sei verfrüht. "Mit diesen Schauen säen die Modemacher aus", sagt der Mailänder Kammerchef.

Der Absatz von Luxusgütern wird nach Schätzungen der Beratungsfirma Bain & Co im zweiten Halbjahr um zehn Prozent zurückgehen. In der ersten Jahreshälfte brachen der 170-Milliarden-Euro-Branche 15 bis 20 Prozent des Geschäfts weg.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, welche Fehler die italienische Modeindustrie in den Boomzeiten machte.

Italienische Unternehmen in Not

Die Escada-Pleite ist kein Einzelfall. Auch italienische Unternehmen gerieten in Not. Die Modeholding IT, die auf Lizenzfertigung berühmter Designerlinien spezialisiert ist, rutschte ins Insolvenzverfahren.

Die Modegruppe Mariella Burani Fashion wurde im Sommer wegen ihrer finanziellen Schieflage vom Börsenhandel ausgeschlossen. In der ersten Jahreshälfte büßte Burani ein Viertel des Umsatzes ein und schrieb 142 Millionen Euro Verlust. Nun ringt der Familienkonzern mit den Banken um eine Umschuldung von Krediten in Höhe von 478 Millionen Euro.

Die Elite hat ebenfalls zu kämpfen. Die Krise durchkreuzte Ferragamos Börsenpläne. Die hoch verschuldete Kultmarke Prada musste schon zum dritten Mal Abstand nehmen von der ersehnten Aktienemission. 2008 gingen Umsatz und Ertragskraft zurück. Einschüchtern ließ sich die echte Trendsetterin Miuccia Prada davon nicht.

Sie zeigte bei den Mailänder Schauen am Donnerstag eine freche, an Fabelwesen inspirierte, ultrakurze Mode. Giorgio Armani meldete sich nach längerer Krankheit mit einer jungen Kollektion im Bauhausstil zurück. Finanziell steht sein Modeimperium solide da. Aber auch Armani rechnet 2009 mit einem Gewinnrückgang. Und ein Nachfolger des 75-Jährigen ist nicht in Sicht.

Finanzkrise drückt die Mode-Bilanzen

Niemand weiß, wie lange die weltweite Wirtschaftskrise noch die Bilanzen der Luxusbranche drücken wird. Salvo Testa, Professor für Modemanagement an der Mailänder Hochschule Bocconi, glaubt, dass erst in drei bis vier Jahren das Umsatzniveau von 2007 wieder erreicht wird.

Unklar ist zudem, ob die Luxuswelt nach einem Aufschwung noch die alte sein wird. Es könnte ja sein, dass gewisse Konsumexzesse der Vergangenheit angehören. In den Augen des Modeexperten Testa sind die italienischen Markenunternehmen an ihrer derzeitigen Schwäche selbst schuld.

Er kreidet den Luxusfirmen an, einst aus der Inflation des teuren Geschmacks gnadenlos Kapital geschlagen zu haben. Als es der Triumph des Hedonismus und der sündhaft teuren Statussymbole den Unternehmen erlaubte, die Qualität zu senken und Teile ihrer Produktion in Billiglohnländer zu verlagern, habe man das zur Erhöhung der Gewinnspannen ausgenutzt und auf Innovation verzichtet. Nun rächt sich "die Gier der Modeindustrie", sagt Testa.

Neue Leitbilder

Die Auswirkungen sind klar. "Händler und Kunden verlangen jetzt Preissenkungen", sagt Modekammer-Chef Boselli. Wahre Brancheninnovationen kommen heute für den Mailänder Professor Testa von "demokratischen" Modemarken wie Zara, H&M und Miss Sixty: "An ihnen müssen sich auch die etablierten Großen ausrichten, wenn sie nicht zu Mausoleen der Mode werden wollen."

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