Unruhe bei Opel:Betriebsrat warnt vor "Krieg" ohne Gewinner

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Nach dem geplatzten Opel-Verkauf haben die europäischen Arbeitnehmer von GM das US-Management vor Einschnitten gewarnt - mit drastischen Worten.

General Motors (GM) will bei seiner angeschlagenen Tochtergesellschaft Opel rigoros durchgreifen - doch der US-Konzern stößt mit seinen Plänen auf massiven Widerstand: Die europäischen Arbeitnehmer von GM haben das US-Management jetzt erneut vor radikalen Einschnitten gewarnt.

Die Furcht vor gravierenden Einschnitten bei Opel ist groß - die Mitarbeiter kämpfen um ihre Arbeitsplätze. (Foto: Foto: dpa)

Sollte GM damit beginnen, im Alleingang europäische Werke zu schließen und Arbeitsplätze zu streichen, werde es einen "Krieg" geben, an dessen Ende nur Verlierer stünden, sagte der Vize-Vorsitzende des Betriebsrats von GM Europe, Rudi Kennis, an diesem Samstag im Deutschlandfunk.

Das Management in Detroit müsse bereit sein, eine neue Unternehmenskultur innerhalb des Konzerns umzusetzen und Opel mehr Freiheiten einzuräumen. Das müsse es geben, "denn sonst kommen wir in einen Krieg", bei dem es keinen Gewinner gebe, sagte Kennis wörtlich.

Der Gewerkschaftsboss warnte die Regierungen der betroffenen Länder davor, mit Staatshilfen in einen Bieterwettstreit für Opel-Standorte zu treten. "Das wäre nicht clever, wenn wir das machen würden, weil da kommen wir in ein Spiel, in dem sich GM nur zurücklehnt und uns gegeneinander ausspielt", sagte Kennis.

"Europäisches Blutbad"

Die Regierungen müssten nun eng zusammenarbeiten und dürften sich nicht spalten lassen. Schließlich wolle das Management in Detroit nun "ganz tief schneiden und ein europäisches Blutbad organisieren", mit Hilfe von Steuergeldern. Da dürften die Regierungen nicht mitspielen, forderte Kennis.

Erst am Freitag hatte General Motors mitgeteilt, dass Europa-Chef Carl-Peter Forster seinen Posten räumen muss. Nach Informationen des Focus steht dieser nun vor einem Wechsel zum indischen Autokonzern Tata. Die Entscheidung über die Personalie stehe kurz bevor, heißt es in dem Bericht unter Berufung auf eine mit den Verhandlungen vertraute Person.

Wer Forster nachfolgt, ist noch nicht endgültig geklärt. Medienberichten vom Freitag zufolge soll mit dem GM-Asienmanager Nick Reilly ein harter Sanierer das Ruder übernehmen. Damit wachsen die Sorgen der Belegschaft vor einem größeren Stellenabbau bei Opel als bislang angenommen. Laut einem Bericht des Wall Street Journal sucht GM jedoch als neuen Chef seines Europageschäfts bevorzugt einen deutschen Manager.

Der als Opel-Aufsichtsratschef vorgesehene GM-Veteran Bob Lutz - in der Nachfolge von Forster in dieser Position - solle sich wieder zurückziehen, sobald ein neuer Spitzenmanager für die Europatochter gefunden worden sei, hieß es weiter unter Berufung auf informierte Personen. Der Einsatz eines deutschen Europachefs solle die Spannungen mit der Bundesregierung und dem Betriebsrat nach der Absage des Opel-Verkaufs an den Zulieferer Magna abmildern.

Schlüssige Konzepte gefordert

Deutsche Politiker haben unterdessen von GM schnelle Entscheidungen zur Zukunft von Opel verlangt. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) sagte am Samstag: "GM muss in den nächsten Wochen liefern und nicht erst zu Beginn des nächsten Jahres." Er kritisierte zudem die Entscheidung von GM, Opel nun nicht zu verkaufen.

GM habe sich nicht als verlässlicher Gesprächspartner erwiesen. "Dort kann man sich nicht auf eine kontinuierliche Unternehmensstrategie verlassen", sagte er. "An gemachten Zusagen darf es künftig nicht mehr den geringsten Zweifel geben." Er erwarte eine schlüssige Konzeption für die Weiterentwicklung der Standorte und des Gesamtunternehmens Opel Europa.

Koch sagte: "Die Leistungsfähigkeit der deutschen Werke ist auf jeden Fall unverzichtbar für das europäische Geschäft von Opel." GM sei gut beraten, wenn es Opel Europa mehr Freiheiten und Eigenständigkeit lasse.

Darüber hinaus empfahl er GM, keine deutschen Staatshilfen in Anspruch zu nehmen. "Es passt einfach nicht zusammen, erst alles selber machen zu wollen und dann dem Steuerzahler in Deutschland und Europa die Rechnung zu stellen."

Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte, eine Rettung von Opel sei billiger und langfristig sinnvoller als eine Abwicklung des Autobauers. Dafür müsse GM einen Plan vorlegen und Geld in die Hand nehmen. Ob es neue staatliche Hilfen geben könne, hänge davon ab, wie sich GM verhalte. Zugleich kritisierte er die Ablösung des Opel-Managements. Die GM-Führung in Detroit habe keine Ahnung vom deutschen Markt.

FDP-Chef Guido Westerwelle nannte das Vorgehen von GM inakzeptabel. "Als Wirtschaftsminister muss Rainer Brüderle jetzt die Scherben zusammenkehren, vor denen wir Liberale immer gewarnt haben", sagte er. Ziel sei nun, Opel-Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten und die gewährten Steuergelder auf Euro und Cent von GM zurückzubekommen.

"Die Kanzlerin darf sich nicht unsichtbar machen"

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte, da die Zusagen der alten Bundesregierung für eine Investorenlösung bei Opel gegolten hätten, sehe er die neue Bundesregierung jetzt nicht in der Pflicht. Zwar könne General Motors Europe - wie jedes andere Unternehmen auch - Hilfen aus dem Wirtschaftsfond Deutschland beantragen, es gebe aber kein Anrecht auf staatliche Hilfe. Die NRW-Landtagswahl im Mai dürfe die Entscheidungsfindung nicht beeinflussen.

SPD-Bundestagsfraktionschef Frank-Walter Steinmeier forderte Merkel auf, in ihrer Regierungserklärung am kommenden Dienstag Stellung zu Opel zu nehmen. "Die Kanzlerin darf sich nicht unsichtbar machen", sagte er. Zugleich warnte er vor einer politischen Strafaktion gegen General Motors. "Der Ärger ist das eine, sprechen muss man mit GM wegen der Arbeitsplätze in Bochum, Rüsselsheim, Kaiserslautern und Eisenach gleichwohl", mahnte Steinmeier.

Der Chef des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, forderte einen Verzicht auf Staatshilfen. "Die Devise kann doch nicht sein, dass derjenige, der politisch am besten vernetzt ist und am lautesten schreit, gerettet wird", sagte Sinn. Das Konjunkturprogramm der Bundesregierung müsse sich auf Infrastrukturmaßnahmen, Sozialleistungen und Steuersenkungen beschränken. Welches Unternehmen gerettet werde, müsse der Markt entscheiden.

Wennemer kündigt Rückzug an

Unklar bleibt, ob GM auf Staatshilfen aus Deutschland hoffen kann, wie sie Magna bekommen sollte. Ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes mahnte in der Berliner Zeitung erneut an, Hilfen dürften nicht an einen Arbeitsplatzerhalt in Deutschland geknüpft werden. Der inzwischen aus der Opel-Treuhand abberufene FDP-Politiker Dirk Pfeil forderte die Bundesregierung in der Wirtschaftswoche (Online) auf, die für Magna vorgesehene Hilfe auch GM zu gewähren. Pfeil hatte sich gegen Magna als Opel-Käufer ausgesprochen und sich damit gegen die Bundesregierung gestellt.

Inzwischen kündigte auch der frühere Conti-Chef Manfred Wennemer seinen Rückzug aus der Treuhand an. Er habe den Eindruck, dass das Gremium zu starker politischer Einflussnahme ausgesetzt sei, teilte die Treuhand an diesem Samstag mit.

"Ich habe in einem Brief an Wirtschaftsminister Brüderle am Samstag meinen Rücktritt erklärt", sagte Wennemer der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung laut Vorabmeldung. Der wirtschaftliche Sachverstand spiele in der Treuhand keine Rolle mehr. "Das wird nun ein rein politisches Gremium. Dazu kann ich keinen Beitrag leisten", wurde er zitiert.

Wennemer saß für die Bundesregierung in der Treuhand, die für die Opel-Sanierung eine Schlüsselrolle spielte. Er stimmte aber zur Verärgerung der Bundesregierung nicht für den Verkauf der Mehrheitsanteile von Opel an ein Konsortium aus dem Zulieferer Magna International und der russischen Sberbank.

Wennemer hielt einen Umbau von Opel für nötig, damit das Rüsselsheimer Unternehmen nicht in ein paar Jahren pleite ist. Der Opel-Verkauf scheiterte schließlich doch noch am Widerstand des Verwaltungsrates des Mutterkonzernes General Motors.

© Reuters/dpa/AP/AFP/plin - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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