Unmut über den starken Euro:Frankreich greift die Zentralbank an

Zeit der schrillen Töne: In Frankreich stehen Wahlen bevor, daher ist die starke Gemeinschaftswährung plötzlich ein Politikum geworden.

Michael Kläsgen

Die Staaten müssten ihren Einfluss auf die Wechselkurse zurückgewinnen, verlangte Premierminister Dominique de Villepin. Konkret sollen die Finanzminister der Euro-Staaten ein Gegengewicht zur EZB bilden.

Hintergrund ist, dass das Sinken des Dollar-Kurses in Frankreich mit Sorge betrachtet wird. Paris macht den starken Euro mitverantwortlich für die andauernde Exportschwäche der französischen Wirtschaft. Vor allem die Auto- und Luftfahrtindustrie sind davon betroffen.

Im dritten Quartal stagnierte die Industrieproduktion. Am Montag gab das Statistikamt Insee bekannt, dass die Industrieproduktion im Oktober sogar leicht sank. Gleichzeitig verlangsamt sich der Abbau der Arbeitslosigkeit wenige Monate vor den Wahlen.

"Nicht Trichet soll die Wirtschaft bestimmen"

Die exportabhängige deutsche Wirtschaft hat am starken Euro hingegen wenig auszusetzen. "Es gibt Staaten, die sich auf die aktuelle Situation einstellen können", räumte Villepin ein. Frankreich komme damit jedoch nicht zurecht.

Der Premier der rechts-bürgerlichen UMP griff mit dem Vorschlag, die Rolle der EU-Finanzminister oder Regierungschefs zu stärken, eine Forderung der Kandidatin der Sozialistischen Partei für die Präsidentschaftswahlen, Ségolène Royal, auf. "Die Europäische Zentralbank muss politischen Entscheidungen unterworfen werden", sagte Royal am vergangenen Donnerstag zur Eröffnung des Kongresses der Europäischen Sozialisten in Porto.

"Es darf nicht länger an Herrn Trichet sein, über die Wirtschaft zu bestimmen. Das ist Aufgabe der demokratisch vom Volk Gewählten." EZB-Chef Jean-Claude Trichet hatte am Donnerstag die sechste Erhöhung des Leitzinses in Folge auf 3,5 Prozent bekannt gegeben. Royal schränkte ihre Forderung anschließend ein. Sie sagte, sie kritisiere nicht die Unabhängigkeit der Notenbank, sondern deren Allmacht.

Auch Nicolas Sarkozy, der voraussichtliche Bewerber der UMP und parteiinterne Gegner von Villepin, will die Geldpolitik in Europa politisch beeinflusst wissen. Der UMP-Chef und Innenminister hatte als erster französischer Spitzenpolitiker Ende Juli die Unabhängigkeit der EZB angegriffen. Er schlug vor, den Euro zu einem politischen Instrument zu machen.

Mitte November bedauerte er "die Abwesenheit einer Wirtschaftsregierung in der EU, wodurch der Euro zu einer Währung ohne Kompass und ohne gemeinsame Ziele" würde. Der Sarkozy nahe stehende UMP-Abgeordnete Nicolas Dupont-Aignan forderte in der vergangenen Woche den Rücktritt Trichets. Kurz zuvor hatte Frankreichs Finanz- und Wirtschaftsminister Thierry Breton die auf Inflationsbekämpfung ausgerichtete Zinspolitik der EZB im Kreis der EU-Finanzminister moniert. Er machte sich in Brüssel dafür stark, der EZB die Zuständigkeit für Eingriffe in den Devisenmarkt zu entziehen.

Angeheizt wird die Debatte in Frankreich durch eine Flut von Medienberichten über "Teuro" und schwindende Kaufkraft. Ihnen zufolge haben sich Preise für Konsumgüter des täglichen Bedarfs wie Obst oder Gemüse, aber auch Mieten seit der Euro-Einführung zum Teil verdoppelt.

"Die Preise müssen gesenkt werden"

Nach Angaben des Statistikamts Insee soll die Kaufkraft zwar 2006 um 2,3 und 2007 um 2,8 Prozent steigen, Frankreichs Spitzenpolitiker bezweifeln diese Zahlen jedoch. "Ich bin überzeugt, dass die herkömmlichen Indizes zur Berechnung der Inflation nicht die reale Preissteigerung im Alltag widerspiegeln und dass der Übergang zum Euro zu einem ziemlich massiven Preisanstieg geführt hat", sagte der ehemalige Finanzminister in der vergangenen Woche.

Sarkozy und Royal fordern übereinstimmend, den Preisindex zu reformieren. "Die Preise müssen gesenkt werden. Das drängendste Wirtschaftsproblem Frankreichs ist die mangelnde Kaufkraft. Deswegen muss jeder, der will, die Möglichkeit haben, mehr zu verdienen", sagte Sarkozy.

Auch Royal plädierte für steigende Löhne und Gehälter: "Die entscheidende Frage, auf die wir antworten müssen, ist die der Kaufkraft, und zwar mit einem starken Signal bei den Mindestlöhnen. Die Gehälter müssen rauf."

Dabei sind die Gehälter in den vergangenen Jahren in Frankreich im Vergleich zu Deutschland überdurchschnittlich gestiegen. Die Arbeitskosten in Frankreich blieben zwar im Industrie- und Dienstleistungssektor unter denen in Deutschland, sie erhöhten sich jedoch seit 1996 vergleichsweise stark um 37 Prozent. Gleichzeitig büßte Frankreich international an Wettbewerbsfähigkeit ein.

Politiker und Wirtschaftsforscher in Frankreich fürchten, dass sich diese Tendenz mit der Mehrwertsteuererhöhung 2007 in Deutschland verstärkt. Denn diese verteuert die Importe aus Frankreich, Deutschlands wichtigstem Handelspartner.

Die Exporte aus Deutschland bleiben von der erhöhten Abgabe zwar unberührt. Die Steuereinnahmen werden aber dazu genutzt, die Arbeitskosten in Deutschland zu senken, was die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs weiter beeinträchtigen würde.

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