Unister:Wie eine Versicherung in die Unister-Insolvenz verstrickt ist

  • Die Versicherung Hanse Merkur ist einer der größten Kreditgeber des Online-Reisebüros Unister, das kürzlich Insolvenz angemeldet hat.
  • Hanse Merkur wollte über Unister-Portale Reiseversicherungen vertreiben.
  • Der Insolvenzverwalter muss jetzt prüfen, ob man bei Hanse Merkur schon früher von der drohenden Insolvenz wusste.

Von Heinz-Roger Dohms, Hamburg

Eberhard Sautter könnte ein glücklicher Manager sein. Seit Jahren verkündet der Chef der Versicherungskonzerns Hanse Merkur immer neue Rekordergebnisse. Um 20 Prozent ist der Gewinn allein 2015 gestiegen, die Beitragseinnahmen lagen erstmals über zwei Milliarden Euro - und jeder Mitarbeiter erhielt einen Bonus von 2000 Euro. Alles bestens. Wäre da nicht Unister, das größte deutsche Online-Reisebüro, das Mitte Juli vorläufige Insolvenz anmeldete. Denn: Dessen größter Kreditgeber war keine Bank. Sondern die Hanse Merkur.

Immer tiefer wird die seltsame Geschichte des kollabierten Unister-Reichs dieser Tage ausgeleuchtet. Bis hin zum Umstand, dass sich Topmanager offenbar zeitweise von einem Unternehmer mit rechter Vergangenheit beraten ließen. Man darf davon ausgehen, dass die Hanse Merkur von vielen dieser Facetten keine Ahnung hatte. An der grundsätzlichen Verstrickung des Traditionsversicherers in die Causa Unister allerdings besteht kein Zweifel. Schließlich waren es die Hamburger, die den Leipziger Reisevermittler mit ihren Krediten jahrelang liquide hielten. Wusste die Hanse Merkur also, wie schlecht es um Unister stand? Und wenn ja - seit wann?

Das sind die Fragen, die, so ist in Leipzig zu hören, der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther mittlerweile stellt. Die Antworten, je nachdem, wie sie ausfallen, könnten für die Hanse Merkur teuer werden. Denn bislang hoffte man in Hamburg, aus dem Unister-Engagement letzten Endes mit ein paar Kratzern im Image herauszukommen. Die noch ausstehenden Kredite, so das Kalkül, würde man im Zuge des Insolvenzverfahrens zurückerhalten, zumindest größtenteils. Inzwischen ist das jedoch alles andere als sicher.

Schon Ende 2012 gab es bei Unister Razzien

Als die Hanse Merkur Ende 2013 bei Unister einstieg, war die finanzielle Lage des Webportal-Unternehmens bereits angespannt. Im bis heute unveröffentlichten Geschäftsbericht jenes Jahres ist von einer "bilanziellen Überschuldung" die Rede, der Jahresfehlbetrag lag bei 28 Millionen Euro. Dass die Hanse damals trotzdem mit Unister ins Geschäft kommen wollte, hatte vor allem einen Grund: Der Versicherer, eigentlich auf private Krankenpolicen spezialisiert, wollte auch am margenstarken Geschäft mit Reiseversicherungen verdienen. Die Buchungsportale von Unister sollten dafür die Vertriebsplattform sein.

Schon Ende 2012 kam es bei Unister zu Razzien, führende Manager mussten in Untersuchungshaft. Bei den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die in diesem Jahr vor Gericht landen dürften, ging es unter anderem um den unerlaubten Vertrieb von Versicherungen.

Auch die Finanzaufsicht Bafin hatte Unister deshalb auf dem Kieker. Doch das schien Hanse-Chef Sautter nicht zu kümmern. Der Kredit an Unister floss. Und: Darüber hinaus wurde Unister nach SZ-Informationen sogar die Option eingeräumt, später mit knapp 50 Prozent bei jener Hanse-Merkur-Tochter einzusteigen, die das Geschäft mit den Online-Reisepolicen betreibt.

Die Hanse Merkur will sich weder zu diesem noch zu den anderen Punkten äußern.

Der Insolvenzverwalter kann Hanse Merkur unter Druck setzen

So fragwürdig der Nord-Ost-Deal in vielerlei Hinsicht war, rein wirtschaftlich wähnte sich Sautter auf der sicheren Seite. Im Zuge des Kreditgeschäfts tauchten die Hanse-Versicherungen tatsächlich auf den Unister-Portalen auf; das eigentliche Ziel hatte man also erreicht. Zudem soll die Verzinsung auskömmlich gewesen sein, von zehn Prozent ist die Rede. Wie mehrere Insider schildern, ließen sich die Hamburger darüber hinaus üppige Sicherheiten ausstellen, darunter angeblich auch die beiden wichtigsten Unister-Webadressen Ab-in-den-Urlaub.de und Fluege.de. Ein Kreditgeschäft mit Vollkasko, scheinbar.

Im Umfeld des Insolvenzverwalters wird nicht bestritten, dass die Sicherheiten grundsätzlich intakt sind. Wenn Lucas Flöther die entsprechenden Vermögenswerte veräußert, steht das Geld also theoretisch der Hanse Merkur zu - anstatt in die Insolvenzmasse zu fließen, aus der am Ende des Verfahrens sämtliche Gläubiger bedient werden.

Allerdings: Das Insolvenzrecht gibt Flöther die Möglichkeit, die Hanse Merkur unter Druck zu setzen. So kann er Zahlungen, die Unister getätigt hat, unter bestimmen Unständen nachträglich anfechten. "Das gilt vor allem dann, wenn das Unternehmen de facto schon lange vor dem eigentlichen Insolvenzantrag in ernsten Schwierigkeiten war", sagt Christoph Niering, der Vorsitzende des deutschen Insolvenzverwalterbands.

Flöther steht unter Druck von Generali

Deutlich mehr als 50 Millionen Euro soll Unister, so sagen Eingeweihte, der Hanse Merkur zwischenzeitlich geschuldet haben. Im vorläufigen Insolvenzantrag ist dagegen nur noch von 34 Millionen Euro die Rede. Offenbar könnte vor der Pleite also noch Geld von Leipzig nach Hamburg geflossen sein. Darum könnte es bei Unister nun zu einem Drama nach dem Drama kommen, also zum Kräftemessen zwischen Hauptgläubiger und Konkursverwalter.

Flöther will sich momentan nur allgemein äußern: "Selbstverständlich prüfe ich, ob es möglich Anfechtungsbestände gibt", sagt er. Offenkundig steht allerdings auch er unter Druck - nämlich vonseiten des Großversicherers Generali. Die Italiener haften als Insolvenzversicherer für Unister-Kunden, die vor der Pleite noch eine Pauschalreise abgeschlossen haben. Die Kosten hierfür gehen in die Millionen. "Grundsätzlich begrüßen wir, wenn der Insolvenzverwalter die Verträge prüft", teilt die Generali mit. Übersetzt: Wenn wir blechen, dann die Hanse Merkur bitte auch.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: