Energie:Das deutsch-finnische Gasproblem

Energie: Blaue Stunde über dem Uniper-Gaskraftwerk im bayerischen Gebersdorf: Das Geschäft mit Gas lief lange Zeit gut - jetzt aber ist Gas zu einem knappen Gut geworden.

Blaue Stunde über dem Uniper-Gaskraftwerk im bayerischen Gebersdorf: Das Geschäft mit Gas lief lange Zeit gut - jetzt aber ist Gas zu einem knappen Gut geworden.

(Foto: Nicolas Armer/dpa)

Uniper gehört mehrheitlich einem finnischen Staatsunternehmen. Jetzt stecken die Düsseldorfer wegen des Krieges tief in der Krise - und der deutsche Staat soll helfen. Nur der?

Von Thomas Fromm

Wenn ein Konzernchef zu einer Pressekonferenz so kurz vor dem Wochenende lädt, dann muss die Lage schon ziemlich ernst sein. "Ungewöhnlich an einem Freitagnachmittag", sagte Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach denn auch Ende vergangener Woche, als er in dunklem Anzug vor weiß-grauem Hintergrund vor die Presse trat. "Ungewöhnlich", das ist an dieser Stelle vielleicht noch untertrieben. Mögen Politiker in diesen Tagen zum Energiesparen und zum Kurz-Duschen aufrufen und die Menschen auf einen eisigen Winter in düsteren Wohnungen einstimmen - all das ist vielleicht noch gar nichts verglichen mit dem, was gerade in dieser Düsseldorfer Konzernzentrale vor sich geht.

Denn nirgendwo lässt sich die schwelende Energiekrise gerade so gut festmachen wie bei Deutschlands größtem Gashändler Uniper, der 2016 als eine Abspaltung vom Energieversorger Eon entstanden ist. Ein Unternehmen, das Hunderte Großkunden, von Stadtwerken bis zu Industriebetrieben, beliefert und damit so etwas wie die Aorta des Energiesystems ist. Das Geschäftsmodell dieser zentralen Gas-Ader: Importe, seit Jahren bevorzugt billig und aus Russland, ein daher äußerst lukrativer Gashandel, der Betrieb von Gasspeichern, und von Gas- und Kohlekraftwerken. Was es mit einem solchen Unternehmen und seinem Geschäftsmodell dann macht, wenn die Gas-Supermacht Russland die Ukraine überfällt, wenn russische Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 gedrosselt oder sogar gekappt werden, wenn alles auf der Kippe steht und wenn nichts mehr wirklich berechenbar und kalkulierbar ist? Dann wird alles sehr schnell zu einem Fall für Stresstest-Experten und Stochastiker.

Wie lässt sich verhindern, dass das System kollabiert?

Und so geht es in diesen Tagen um mehr als die Frage nach der politisch korrekten Wassertemperatur im Schwimmbad. Wie lässt sich verhindern, dass ein System kollabiert? Darüber wird derzeit heftig verhandelt zwischen Düsseldorf, der Bundesregierung in Berlin und Finnland. Finnland? Hier sitzt der Großaktionär Fortum. Das drittgrößte Energieunternehmen Skandinaviens hält an die 80 Prozent des Uniper-Kapitals und gehört selbst wiederum zu rund 50 Prozent dem finnischen Staat. Wenn man so will, ist die Frage nach Deutschlands Energieversorgung also auch eine finnische Frage - was die Sache nicht einfacher macht.

Finnland würde sich jetzt sehr gerne aus der Sache heraushalten. Maubach zufolge habe sich Fortum bereits "über die Maßen" engagiert und acht Milliarden Euro für Darlehen und Garantien frei gemacht. Mehr soll es nicht geben, die zuständige finnische Europaministerin Tytti Tuppurainen machte Anfang der Woche klar, dass sich Fortum nicht weiter an dem Rettungsprojekt Uniper beteiligen möchte. Lieber würde Fortum das derzeit schwer angeschlagene deutsche Gasgeschäft an den Bund weiterreichen, was de facto einer Zerlegung Unipers gleichkommen würde. Es müsse darum gehen, "die gefährdeten und systemrelevanten Bereiche von Uniper zusammenzuführen und dauerhaft zu sichern", sagt Fortum-Chef Markus Rauramo. Und zwar unter der Kontrolle des deutschen Staates, der die dafür notwendige Kreditwürdigkeit mitbringe.

Das ist schon deshalb interessant, weil es zeigt, wie sehr sich die Zeiten in wenigen Jahren geändert haben. Noch vor zwei, drei Jahren bemühte sich Fortum sehr darum, an möglichst viele Anteile des Konzerns heranzukommen. Auch gegen heftigen Widerstand in Düsseldorf, wo man die Avancen anfangs noch als "feindlichen Vorstoß" einstufte. Klar, damals verdiente man mit russischem Gas noch eine Menge Geld. Ein Krieg in Europa und eine Energiekrise später sehen die Dinge anders aus.

Europaministerin Tuppurainen soll, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf einen finnischen Regierungsvertreter, nun an diesem Donnerstag nach Berlin reisen, um über eine mögliche Rettung von Uniper zu verhandeln. Geplant seien Treffen mit der Bundesregierung sowie Managern von Uniper und Fortum. Ist eine Lösung nahe?

Es geht nicht nur um die Gasversorgung, es geht um den Konzern selbst

Die Zeit drängt, denn Uniper verliert viel Geld, und um weiterhin Kundenverträge einhalten zu können, muss das Unternehmen erst einmal sehr viel teureres Gas besorgen, um die Versorgung garantieren zu können - so lange es noch welches gibt. Es kann die extrem gestiegenen Preise aber nicht auf die Rechnungen schlagen, weil die ursprünglich vereinbarten Preise ja niedriger sind. Und dann, irgendwann, im schlimmsten Fall? Rollt "eine sehr, sehr große Preiswelle auf deutsche Verbraucher zu", sagt der Uniper-Chef. Das Problem ist nur: Weder Verbraucher noch Unternehmen mögen Preiswellen, schon gar keine sehr, sehr großen.

Energie: Wenn kaum noch Gas in Europa ankommt, dann bleiben auch die Speicher leer. Im Bild: Eine Gasspeicher-Anlage von Uniper in Bierwang.

Wenn kaum noch Gas in Europa ankommt, dann bleiben auch die Speicher leer. Im Bild: Eine Gasspeicher-Anlage von Uniper in Bierwang.

(Foto: Andreas Gebert/Reuters)

Uniper-Chef Maubach hat sich längst entschieden - für eine milliardenschwere Rettung durch den Bund. Möglich werden staatliche Hilfen, nachdem der Bundesrat am Freitag die Novelle des Energiesicherungsgesetzes gebilligt hat. "Uniper erfährt tägliche Mittelabflüsse im mittleren zweistelligen Millionenbereich - eine Situation, die für uns nicht länger durchhaltbar ist", sagt er. Es geht also nicht nur um die Gasversorgung, es geht um den Konzern selbst.

Wie das alles im Detail aussehen soll, ist noch längst nicht geklärt. Der Bund könnte bei Uniper einsteigen, einen Anteil von 25 Prozent oder mehr erwerben und dabei einige Milliarden Euro bereitstellen. Es gebe regelmäßige und "vertrauensvolle Gespräche mit der Bundesregierung", sagt der Manager, diese habe "den Ernst der Lage erkannt".

Wird Uniper jetzt zerschlagen? Die Arbeitnehmer wollen das verhindern

Und die deutsche Politik? Gerne würde Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) auch den Eigentümer aus Finnland mit ins Boot holen. Denn wer besitzt, hat auch Verantwortung.

Die offene Frage bleibt: Wie genau sähe so eine Beteiligung dann aus? Soll Uniper zerschlagen werden, wie es Fortum vorschwebt? Uniper-Betriebsratschef Harald Seegatz hat bereits klar gemacht, dass man da nicht mitmachen wird. "Der Staat sollte sich mit einer Mehrheit am gesamten Unternehmen beteiligen, damit es als Einheit erhalten bleibt", sagte er jetzt. Doch mit einer Beteiligung am gesamten Uniper-Konzern würde sich der Bund dann auch wieder bei Atom- und Kohlekraftwerken engagieren, da Uniper unter anderem Kernkraftwerke in Schweden betreibt.

Das nächste große Thema.

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