Süddeutsche Zeitung

Energiekrise:Warum der Gashändler Uniper verstaatlicht werden könnte

Immer weniger Gas, immer höhere Preise und Verluste: Da die Krise beim angeschlagenen Gasimporteur eskaliert, könnte der Staat die Mehrheit übernehmen.

Von Thomas Fromm

Es ist ein Wettlauf mit der Zeit - und ein verzweifeltes Aufbäumen gegen die Gaskrise, die sich immer mehr zuspitzt. Erst im Juli hatte die Bundesregierung gemeinsam mit der finnischen Konzernmutter Fortum entschieden, dem schwer angeschlagenen Gashändler Uniper mit einem üppigen Rettungspaket unter die Arme zu greifen, mit einem Anteil von 30 Prozent bei den Düsseldorfern einzusteigen und an die 7,7 Milliarden Euro zur Verfügung zu stellen. An einem Freitag im Juli dann trat Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach vor die Presse und sagte: "Es ist für kein Unternehmen leicht, einen Antrag auf Staatshilfe zu stellen, auch uns ist das nicht leichtgefallen."

Hilfen aus Berlin, der Staat als Retter in der Not - das klang vor ein paar Wochen noch nach einer schnellen Hilfsaktion in Zeiten des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine.

Inzwischen ist klar: Die Hilfen reichen bei Weitem nicht aus, und was nun passieren könnte, dürfte dem Konzernchef noch schwerer fallen: In einer Pflichtmitteilung teilten die Düsseldorfer am Mittwochmittag mit, wie es nun weitergehen soll. Zusammen mit der Bundesregierung werde unter anderem eine direkte Kapitalerhöhung geprüft, die "zu einer signifikanten Mehrheitsbeteiligung des Bundes an Uniper führen würde".

Ende eines Geschäftsmodells

Was kompliziert klingt, ist im Grunde ganz simpel: Berlin könnte weitere Milliarden in den Gasimporteur schießen und sich im Zuge der Aktion zum Haupteigentümer des Konzerns aufschwingen - Uniper würde also de facto verstaatlicht, möglicherweise sogar vollständig. Eine Entscheidung dazu sei aber noch nicht getroffen worden, hieß es am Mittwoch auch. "Wie bekannt, sind wir mit Uniper in Gesprächen. Diese Gespräche führen wir jetzt und spekulieren nicht", zitierte die Nachrichtenagentur Reuters eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums.

Wie konnte es so weit kommen mit Deutschlands größtem Gashändler?

Das Geschäftsmodell des Unternehmens erschien perfekt, zumindest aus Sicht seiner Manager und Investoren. Große Mengen an günstigem Gas aus Russland beziehen und es dann an Hunderte Stadtwerke, Energieversorger und Großunternehmen in Deutschland weiterverkaufen. Das ging so lange gut, bis der russische Energiekonzern Gazprom seine Gaslieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 zunächst auf 20 Prozent zurückschraubte. Und dann irgendwann überhaupt nichts mehr durch die Leitung schoss.

Da Uniper aber längerfristige Verträge mit seinen Kunden hat, musste das Gas, das nicht mehr aus Russland kam, woandersher beschafft werden, um diese Verträge zu erfüllen. Kurzfristig am Markt Gasbestände zusammenkaufen, das ist teuer, sehr teuer sogar. Und so wurde aus dem einst so lukrativen Gasverkauf ein riesiges Verlustgeschäft. Russland, so wurde den Verantwortlichen in den Chefetagen in Nordrhein-Westfalen immer klarer, war nicht nur dabei, ukrainische Städte und Dörfer zu zerschießen. Zerschossen wurde auch ein Geschäftsmodell, das man lange Zeit für ziemlich clever und unangreifbar hielt. Aber wenn Gas immer knapper wird, wenn der Preis dafür immer neue Rekordstände erreicht, dann geht einem Händler wie Uniper irgendwann die Luft aus.

Seit Juli hat sich die Lage verschärft

Aus einer Rettungsaktion im Sommer ist so nun ein "Worst-Case-Szenario" geworden - ein Szenario, mit dem man rechnen musste, von dem man aber hoffte, dass es niemals eintreten würde. In den Worten der Uniper-Verantwortlichen klingt das so: Seit der "Unterzeichnung der Stabilisierungsvereinbarung" im vergangenen Juli habe sich "die europäische Energiekrise weiter verschärft, da derzeit keine russischen Gasmengen durch Nord Stream 1 geliefert werden und sowohl die Gas- als auch die Strompreise sehr hoch und volatil" seien. Dann der entscheidende Satz: "Infolgedessen haben sich seit Juli die finanziellen Verluste von Uniper aufgrund der höheren Gasbeschaffungskosten deutlich erhöht." Erst vor wenigen Tagen hatte Maubach erklärt, die Verluste, die sich aus dem fehlenden Russland-Gas ergäben, könnten sich noch in diesem Monat auf sieben Milliarden Euro summieren.

Drohende Pleite, mögliche Mehrheitsübernahme durch den Staat, weitere Milliardenverluste: Die Aktie des Gashändlers rauschte am Mittwoch erst einmal um die 20 Prozent ab und kostete zwischenzeitlich 3,87 Euro - so wenig wie nie. Für Kunden, Mitarbeiter und Aktionäre geht es nun also darum, dass das Unternehmen in dieser Situation handlungsfähig bleibt. Einerseits. Andererseits wurde ein Börsianer mit den Worten zitiert: "Wenn der Staat einsteigt, bleibt für die bisherigen Aktionäre nur sehr wenig übrig." Schon Ende August war eine Kreditlinie der staatlichen Förderbank KfW in Höhe von neun Milliarden Euro ausgeschöpft, sodass Uniper weitere vier Milliarden Euro beantragen musste.

Da der finnische Energiekonzern Fortum derzeit an die drei Viertel der Uniper-Anteile hält, geht es auch darum, dass Berlin und Helsinki gemeinsam an einer Lösung arbeiten. Fortum erklärte, man sei weiterhin mit der Bundesregierung im Gespräch, um über langfristige Lösungen zu entscheiden. Die Finnen hatten das deutsche Unternehmen, das ursprünglich zum Energiekonzern Eon gehört hatte, 2018 übernommen und danach ihren Anteil auf 76 Prozent ausgebaut.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5657342
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.