Uniper:Die Stromkonzerne müssen endlich aufwachen

Uniper SE Make Initial Public Offering At Frankfurt Stock Exchange

Eons Kohle und Gas gehen an Uniper. Das macht den Konzern längst noch nicht grün.

(Foto: Bloomberg)

Eon trennt sich von Gas und Kohle. Das ist gut, aber nicht genug. Ein Neuanfang muss her - Innovationen und Kundenkontakt inklusive.

Von Varinia Bernau

Das war nicht nur eine Unachtsamkeit: Ausgerechnet an dem Tag, an dem sich die Atomkatastrophe von Fukushima zum fünften Mal jährte, verschickte Eon eine Mitteilung zu einem seiner Atomkraftwerke in Niedersachsen. Keine Rede war darin von den Risiken einer eben nicht vollständig beherrschbaren Technologie. Stattdessen rühmte Eon die Performance und die hoch motivierte Mannschaft im Kraftwerk Grohnde.

Die peinliche PR-Panne zeigt die Gedankenwelt, der viele Mitarbeiter des Energieversorgers verhaftet sind - auch wenn dieser vor fast zwei Jahren einen neuen Weg eingeschlagen hat. Und es zeigt das Dilemma, in dem der Konzern ebenso steckt wie Innogy, die Tochter des Rivalen RWE, die gerade den Braunkohleballast abwirft, um ein grünes Start-up zu werden.

Wenn der Chef sich selbst widerspricht, werden Mitarbeiter misstrauisch

Sich als Unternehmen neu zu erfinden, ist alles andere als trivial. Überzeugungen lassen sich nicht so schnell ändern wie eine Power-Point-Präsentation, Routinen nicht so einfach abkoppeln wie Geschäftsbereiche. Schon gar nicht, wenn die Manager, die die Energiewende so lange als einen großen Irrtum angesehen haben, nun an die Spitze der Unternehmen rücken, die das aussichtsreichere Geschäft mit dem Ökostrom verantworten. Mitarbeiter werden misstrauisch, wenn ihnen der Chef auf einmal das genaue Gegenteil von dem erzählt, was er noch vor ein paar Jahren erzählt hat. Sie verlieren die Orientierung oder gehen in Abwehrhaltung. Beides ist fatal in einer Situation, in der nicht nur Engagement gefragt ist, sondern auch die ehrliche Debatte über mögliche neue Dienste und die Frage, wie sich damit Geld verdienen lässt.

Ob es Eon gelingt, die Zweifel an seiner neuen Ausrichtung zu zerstreuen, wird sich erst in den nächsten Monaten zeigen. Dass die Eon-Aktie am Montag zeitweise 15 Prozent an der Börse verlor, lässt sich noch mit Formalien erklären: Der Konzern hatte seinen Anlegern die Papiere des nun unter Uniper laufenden Geschäfts mit konventionellen Kraftwerken gewissermaßen geschenkt. Für zehn Eon-Aktien erhielten sie jeweils eine Uniper-Aktie. Vor allem Fonds, die nur in Dax-Werte investieren, haben diese wieder verkauft, was den Kurs nach unten drückte.

Gut möglich, dass der Kurs in den nächsten Tagen wieder steigt. Aber das Versprechen, dass die Aktie eines neuen, deutlich moderneren, deutlich grüneren Energieanbieters attraktiver ist, muss Eon erst noch einlösen. Aktienhändler sind keine Umweltschützer. Ihnen geht es nicht um die Ökobilanz eines Konzerns, sondern um die betriebswirtschaftliche Leistungsfähigkeit: Zwar sind sie sich einig darin, dass die Trennung von den Gas- und Kohlekraftwerken, die kaum noch Gewinne abwerfen, der richtige Schritt sowohl für Eon als auch für Innogy ist. Aber sie nehmen den Unternehmen noch nicht ab, dass diese auch die richtigen Ideen haben, um in der neuen Energiewelt Geld zu verdienen.

Nach der Aufspaltung beginnt die eigentliche Arbeit

Es geht ja nicht nur um ein Bekenntnis zu mehr Ökostrom. Mit all den Solaranlagen auf deutschen Dächern hat sich auch das Verhältnis zwischen Stromverbrauchern und Stromversorgern grundlegend geändert. Die Konzerne müssen auf einmal wieder ihren Kunden zuhören. Das erfordert mehr Empathie, als bisher in den Callcentern der Energieanbieter steckt. Denn über Jahrzehnte hinweg mussten sie sich mangels Konkurrenz nicht um ihre Kundschaft bemühen.

Schon stehen die nächsten Aufgaben an: Algorithmen übernehmen bereits die Abrechnung von Strom. Werden sie auch die Aufgabe übernehmen, das Windrad, das vor der Küste Strom erzeugt, mit dem Wohnzimmer, in dem gerade Strom gebraucht wird, automatisch zu verbinden? Wenn es Eon und Innogy nicht schaffen, neue Angebote zu entwickeln, mit denen sie in der dezentralen und digitalen Energiewelt nicht nur Kunden gewinnen, sondern auch Geld verdienen, bleibt ihnen nur die undankbare Rolle des Klempners. Desjenigen also, der die Netze bauen und instand halten muss, aus denen andere die Gewinne schöpfen. Ähnlich wie es den deutschen Telekommunikationskonzernen ergangen ist, die tatenlos zugesehen haben, wie die Internetkonzerne die Menschen für Chats und Streamingdienste begeisterten. Mit Ideen, die manche deutsche Ingenieure nicht hatten und andere in Schubladen liegen ließen.

Die Aufspaltung der Energiekonzerne kann also nur der Anfang sein. Nun beginnt die eigentliche Arbeit: Die Manager müssen sich auf die Suche machen - nach neuen Ideen von Gründern, nach Knowhow in anderen Branchen. Verlässliche Partnerschaften werden sie nur knüpfen können, wenn sie, statt nur die eigenen Stärken zu rühmen, aufrichtiges Interesse an den Stärken anderer zeigen.

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