Finanzvertrieb:Vergnügungsreisen, die heute "nicht mehr zeitgemäß" wären

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Die Fondsgesellschaft Union Investment lud bis 2016 jahrelang Vorstände der Sparda-Banken zu Reisen in Metropolen ein. Mit dabei war auch ein heutiger Bundesbank-Vorstand.

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Die rund dreißig Teilnehmer der Reise trafen sich am Donnerstag, den 25. Juni, um halb zehn Uhr morgens im "Bistro Käfer's" am Frankfurter Flughafen. Von dort ging es nach Dubrovnik in Kroatien; nicht etwa per Linienmaschine, sondern mit einer gemieteten Maschine der Kölner Charterflug-Gesellschaft WDL Aviation. Es folgten laut Programm ein "Spaziergang an der Promenade mit Imbiss". Anschließend Check-in im Fünf-Sterne-Hotel "Valamar Dubrovnik President", gelegen direkt an der Adria. Nach einer Stadtbesichtigung ging es zu einem Sundowner, anschließend dann weiter zum Dinner ins Restaurant "Nautika", Eigenbezeichnung: "Dubrovniks bestes Restaurant".

Auch in den folgenden drei Tagen mangelte es der Reisegruppe offenbar an nichts - jedenfalls nicht in puncto Kost, Logis, Freizeit und wenn es nach den Unterlagen geht, aus denen das Fachportal Finanz-Szene.de diese Details der Dubrovnik-Reise zitiert. Demnach sollen zehn Vorstände von Sparda-Banken Teilnehmer der Fahrt im Jahr 2015 gewesen sein - also Chefs von Geldhäusern, die zum eigentlich bodenständigen genossenschaftlichen Finanzverbund gehören. Mit einer Ausnahme sollen auch die Ehepartner dabei gewesen sein, dazu vier Vertreter der genossenschaftlichen Fondsgesellschaft Union Investment, darunter Vorstandschef Hans-Joachim Reinke, und ein Vertreter des Verbandes der Sparda-Banken. Es war nicht die einzige Reise dieser Art: Laut Recherchen des Fachportals sollen bis 2016 etliche Vorstände von Sparda-Banken auf Einladung von Union Investment auf mehrtägige Reisen in europäische Metropolen gefahren sein. Dem Portal liegen Teilnehmerlisten, Programme von zwei Reisen und Fotos vor. Dabei stand offenbar die Freizeit eindeutig im Vordergrund.

Bemerkenswert: Bei einer der Reisen, es ging nach Lissabon, war auch der frühere Chef des Verbands der Sparda-Banken, Joachim Wuermeling, dabei. Seit 2016 ist er Vorstand der Deutschen Bundesbank und dort zuständig für die Bankenaufsicht.

Die Vorgänge liegen zwar vier Jahre und mehr zurück, fallen aber damit in eine Zeit, in der die Branche nach der Finanzkrise und etlichen Skandalen längst Besserung gelobt hatte. Die Regulierung setzt Mitarbeitern und Vorständen von Kreditinstituten schon länger enge Grenzen, wenn sie Zuwendungen annehmen. Banken und Sparkassen sollen ihren Kunden passende Produkte verkaufen und zwar unbeeinflusst von Geschenken aller Art. Genossenschaftsbanken - eigentlich die "Guten" unter den Banken - vertreiben seit Jahren fast ausschließlich Fonds von Union Investment. Die "Verbundtreue" hat Tradition.

Die Geschichte strotze nur so "vor Interessenskonflikten", sagte Gerhard Schick, Vorstand der Bürgerbewegung Finanzwende. Ohnehin sei der Finanzvertrieb in Deutschland problematisch organisiert, schließlich erhielten die Banken von den Fondsanbietern eine Vertriebsprovision. "Aber diese Reisen zeigen eine empörende Praxis auf, zumindest bis vor wenigen Jahren". Am Ende zahlten die Mitglieder von genossenschaftlichen Instituten diese Reisen über teurere Produkte, natürlich ohne es zu wissen, so Schick. Er erwarte, "dass Bundesbank-Vorstand Wuermeling und die anderen Verantwortlichen persönlich Stellung nehmen zu den Vorwürfen". Von der Bundesbank hieß es am Dienstag, man befasse sich "grundsätzlich nicht mit den früheren beruflichen Tätigkeiten amtierender Vorstandsmitglieder". Ausnahmen könnten sich ergeben, wenn Interessenkonflikte für die Aufgaben in der Bundesbank entstehen könnten, oder im Falle von abgeschlossenen strafrechtlichen Ermittlungen.

Die Union-Reisen beschäftigen inzwischen auch die Justiz

Wuermeling selbst ließ eine Anfrage unbeantwortet. Ein Sprecher von Union Investment teilte mit, man habe in der Vergangenheit einmal im Jahr eine Vorstandsreise für Vorstände der Sparda-Banken und Vertreter des Verbandes der Sparda-Banken durchgeführt, um sich "jenseits des Tagesgeschäfts fachlich auszutauschen und zu informieren". Format und Teilnehmerkreis der Reisen habe man zuvor auf Einhaltung der internen sowie der gesetzlichen Vorgaben hin geprüft und freigegeben. Das Format sei 2016 eingestellt worden, da es "als nicht mehr zeitgemäß bewertet wurde". Warum man es zuvor offenbar noch für zeitgemäß hielt, wollte der Sprecher indes nicht näher erläutern. Der Verband der Sparda-Banken, welcher die elf deutschen Sparda-Banken vertritt und berät, äußerte sich fast gleichlautend.

Noch vor zehn bis zwanzig Jahren luden Fondsgesellschaften auch Fachjournalisten noch häufig zu vergleichbaren Reisen ein. Auch in der Medienbranche gilt dies aber längst als nicht mehr als zeitgemäß.

Die Union-Reisen beschäftigen inzwischen auch die Justiz. Laut einer Sprecherin der Staatsanwaltschaft Frankfurt prüft die Behörde den Vorwurf der Untreue infolge einer Strafanzeige im Dezember 2019. Angezeigt worden sei "ein Mitglied des Aufsichtsrats einer großen Fondsgesellschaft". Um wen es sich handelt, teilte die Behörde nicht mit. Ein Sprecher von Union Investment sagte, man könne zu den bislang inhaltlich nicht näher bekannten Ermittlungen "derzeit keine Stellung nehmen".

© SZ vom 17.06.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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