Es ist das erste Mal seit dem Einstieg der Unicredit im Sommer, dass sich Commerzbank-Aufsichtsratschef Jens Weidmann öffentlich zu den Plänen der italienischen Großbank äußert. Weidmann ist wenig optimistisch, was einen einvernehmlichen Zusammenschluss der beiden Banken angeht. „Das ist wie bei jeder Beziehung: Wenn der Start misslungen ist, wird es schwierig“, sagte er dem Handelsblatt. „Es bräuchte einiges an Arbeit, um genügend Vertrauen herzustellen und ergebnisoffene Gespräche zu ermöglichen.“ Weidmann hat Zweifel, dass eine feindliche Übernahme im Bankensektor nachhaltig Werte schaffen kann.
Die Unicredit hatte Anfang September Commerzbank-Aktien gekauft und dabei genutzt, dass der deutsche Staat sich von einem Teil seiner Anteile trennte. Kurz vor Weihnachten verkündeten die Italiener, mittlerweile 28 Prozent der Commerzbank zu kontrollieren. Rund 9,5 Prozent der Aktien hält die Unicredit direkt, weitere 18,5 Prozent über Finanzinstrumente. Betriebsrat und Gewerkschaften wehren sich gegen eine mögliche Übernahme. Auch die Bundesregierung und das Management der Commerzbank wenden sich dagegen. Derzeit steht für die Unicredit noch die Genehmigung der Finanzaufsicht aus, die Beteiligung auf mehr als zehn Prozent zu erhöhen. Ein Genehmigungsverfahren für das Überschreiten dieser Schwelle dürfte im März abgeschlossen sein. Ab 30 Prozent wären die Italiener verpflichtet, ein Übernahmeangebot vorzulegen.
Sind große Banken automatisch im Vorteil?
Für die finanzielle Souveränität Deutschlands wäre es nach Ansicht von Weidmann vorteilhaft, mit der Deutschen Bank und der Commerzbank zwei unabhängige Privatbanken zu haben. Welche Entwicklungen Banken nach dem Verlust ihrer Unabhängigkeit nehmen könnten, zeige der Blick auf die Hypo-Vereinsbank und die Bank Austria, die 2005 von Unicredit übernommen wurden. „Der Fußabdruck der Commerzbank in Deutschland würde vermutlich kleiner, die Attraktivität des Finanzplatzes Frankfurt würde leiden. Viele Kunden, vor allem aus dem Mittelstand, wären gezwungen, sich neu zu orientieren“, sagte Weidmann. Befürworter des Zusammenschlusses weisen dieses Argument stets zurück. Der Mittelstand würde auch weiter gut mit Kredit versorgt.

Finanzkrise:„Eine Bank soll im Ernstfall bankrottgehen dürfen und dann sicher abgewickelt werden können“
Dominique Laboureix soll dafür sorgen, dass Krisenbanken ohne Einsatz von Steuergeld auskommen. Klappt das wirklich? Oder sind Banken doch „too big to fail“? Ein Gespräch mit dem Chef von Europas Abwicklungsbehörde.
Zugleich gab Weidmann zu bedenken, dass die Größe einer Bank nicht automatisch ein Vorteil sei. „Ich finde es seltsam, wie schnell und stark sich die Diskussion über die Größe von Banken verändert hat. Nach der Finanzkrise sei es Konsens gewesen, dass Banken nicht „too big to fail“ sein dürfen – also zu groß, um im Notfall abgewickelt zu werden“, sagte er. Nun werde oft der Eindruck vermittelt, nur sehr große Banken könnten bestehen – also „big is beautiful“. Das sei verwunderlich.
Weidmanns Aussagen zur Größe von Banken sind erstaunlich, weil sowohl in der Finanzbranche als auch in der Politik stets der Eindruck erweckt wird, die sogenannte „Too-big-to fail-Problematik“ sei gelöst: Auch große Banken könnten ohne Hilfe der Steuerzahler und dank neuer Regeln abgewickelt werden, heißt es.
Natürlich hätten große Banken Kostenvorteile, sagte Weidmann. Aber Größe sei nicht in jeder Hinsicht besser. Er habe Zweifel, dass ein sehr großes Institut, bei dem Entscheidungen zum Teil aus weiter Ferne getroffen werden, seine Kunden besser betreuen könne als ein Geldhaus wie die Commerzbank, das traditionell nahe am Kunden ist. Ob es den Mitarbeitern besser ginge, sei ebenfalls fraglich. Grenzüberschreitende Bankenfusionen seien zudem erst dann sinnvoll, wenn Liquidität und Kapital frei über Ländergrenzen hinweg eingesetzt werden könne, was derzeit nicht der Fall sei.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und Reuters