Banken:Das Pokerspiel des Unicredit-Chefs

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In der Bundesregierung werteten einige das Vorgehen von Unicredit-Chef Andrea Orcel als „feindliches Heranschleichen.“ (Foto: Remo Casilli/Reuters)

Plötzlich hat es Andrea Orcel offenbar gar nicht mehr eilig mit der Übernahme der Commerzbank. Will er sich zurückziehen oder will er indirekt Druck ausüben auf die Bundesregierung?

Von Meike Schreiber, Frankfurt

Vergangene Woche noch konnte es Unicredit-Chef Andrea Orcel scheinbar gar nicht schnell genug gehen. Da hatte die Unicredit gerade erst vermeldet, man habe neun Prozent an der Commerzbank übernommen, da erwähnte man schon, auch gleich die nötigen Genehmigungen der Bankenaufsicht für eine weitere Erhöhung der Anteile einholen zu wollen. Es folgten zwei Interviews, in denen der frühere Investmentbanker für eine Übernahme der Commerzbank warb. Eine „Zusammenführung“ beider Banken könnte zu einem erheblichen Mehrwert für alle Stakeholder führen, sagte er zum Beispiel dem Handelsblatt.

Seither aber erhitzt Orcels Vorstoß viele Gemüter am Finanzplatz Frankfurt, ebenso wie in Berlin – schließlich könnte die Commerzbank mehr als 150 Jahre nach ihrer Gründung die Unabhängigkeit verlieren. In der Bundesregierung werteten einige das Vorgehen Orcels als „feindliches Heranschleichen“. Es habe auch gegenüber der Bankenaufsicht keine Vorwarnung gegeben.

Vielleicht ist das der Grund, warum Orcel nun offenbar auf Zeit spielt. Man habe keine Eile, den Anteil an der Commerzbank auf mehr als die bereits erworbenen neun Prozent auszubauen, sagte er der italienischen Zeitung Il Messaggero. Der Bund habe die Aktien an die italienische Bank verkauft, weil er sie für eine verlässliche und geeignete Investorin halte, behauptete Orcel. Man werde die übrigen vom Bund gehaltenen Aktien nur kaufen, wenn sich die Bundesregierung zu einem Verkauf entschließe und wenn Unicredit willkommen sei. Unicredit hatte vergangene Woche zugeschlagen, und im Rahmen einer Blockplatzierung 4,5 Prozent der Commerzbank-Aktien des Bundes übernommen und zuvor bereits 4,5 Prozent über den Markt gekauft. Der Staat hält noch 12 Prozent an der Commerzbank.

Der FAZ sagte Orcel, man könne die Commerzbank-Aktien auch wieder abstoßen. Die Bank habe in diesem Jahr im Dialog mit Interessengruppen, inklusive der Bundesregierung, gestanden. „Wenn wir der Meinung gewesen wären, dass wir nicht willkommen sind – ob es heute so ist, bleibt abzuwarten – dann hätten wir diesen Ansatz nicht verfolgt“.

Was macht der Ex-Risikovorstand der Commerzbank bei der Unicredit?

Bemerkenswert: Orcel schloss zugleich ein öffentliches Übernahmeangebot für die Commerzbank aus. Das wäre ein zu aggressiver Schritt, sagte Orcel. Wobei unklar blieb, wie Orcel die Commerzbank übernehmen will, ohne den übrigen Aktionären ein Pflichtangebot zu unterbreiten. Schließlich ergeben seine Pläne laut Beobachtern nur Sinn, wenn er quasi durchregieren kann in Frankfurt. Zugleich sind Investoren verpflichtet, den übrigen Aktionären ein höheres Angebot zu machen, sobald sie 30 Prozent halten oder die Zielgesellschaft anderweitig kontrollieren. Sich um ein Angebot zu drücken, kann teuer werden, wie die Deutsche Bank unlängst erfahren durfte: Fünfzehn Jahre nach der Übernahme der Postbank muss sie früheren Aktionären gut eine Milliarde Euro nachzahlen. Zugleich ist es riskant, ein Übernahmeangebot auszuschließen, wenn man es nachweislich plant. So etwas könnte als Marktmanipulation gewertet werden. Der „Markt“ schien die Aussage ernst zu nehmen: Die Commerzbank-Aktie gab am Donnerstag nach.

Vielleicht aber will Orcel auch Druck ausüben auf die Bundesregierung, zu erläutern, warum sie nicht verkaufen möchte, vermuten Beobachter. Die Frage wäre dann nur, ob die Bundesregierung ihre Beweggründe offenlegen kann, ohne Ärger mit Italien zu riskieren. Allen voran die FDP dürfte gegen eine Vergemeinschaftung der Risiken sein, die mit einer europäischen Großbankenkonsolidierung zwangsläufig einhergehen. Die Unicredit hält immer noch 40 Milliarden Euro italienische Staatsanleihen in den Büchern– ein Klumpenrisiko, sollte es in Europa wieder zu einer Schuldenkrise kommen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) äußerte sich am Donnerstag erst einmal positiv. „Wir brauchen ein starkes Bankenwesen in Deutschland“, sagte er bei einem Pressetermin auf die Frage nach der Zukunft der Commerzbank. Wenn man die Herausforderungen wie die Finanzierung des Windkraft-Ausbaus sehe, dann sei der Kapitalmarkt in Europa und auch in Deutschland nicht „tief genug“. „Selbst die großen deutschen und europäischen Banken sind klein im Vergleich zu internationalen Playern“.

Wie auch immer die Sache weitergeht: Zumindest für seine Einschätzung der Commerzbank-Bilanz hat Orcel gute Zugänge. Seit Frühjahr gehört ausgerechnet Marcus Chromik, der frühere Risikovorstand der Commerzbank, dem Aufsichtsrat der Unicredit an. Nur wenige Monate nach seinem Ausscheiden bei der Commerzbank wechselte er nach Italien – was sicherlich kein reiner Zufall gewesen sein dürfte. Weder Unicredit noch die Commerzbank wollten sich dazu äußern.

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