Ungleichheit:Einkommensteuer abschaffen - nur Vermögen belasten!

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Zwei Wohnanlagen in München - die Mietpreisbremse zeigt langsam Wirkung.

Soziale Unterschiede wohnen nah beieinander: Zehn Minuten Fußweg trennen diese Wohnhäuser im Münchner Stadtteil Giesing.

(Foto: Jessy Asmus)

Ein Manager verdient hundertmal so viel wie eine Krankenschwester? Egal. Das Problem ist die Vermögensungleichheit.

Kommentar von Claus Hulverscheidt, New York

Für viele Menschen ist die Frage, wie lange ein Land wie Deutschland sich ein weiteres Auseinanderdriften zwischen Arm und Reich noch wird leisten können, vor allem eine politisch-moralische. Der Internationale Währungsfonds hat vor einiger Zeit noch eine weitere Kategorie hinzugefügt: Zu viel Einkommensungleichheit schadet demnach der Wirtschaftsentwicklung, der Kuchen wird also für alle kleiner. Das sollte auch den Profiteuren des bisherigen Systems zu denken geben.

Den zentralen Punkt allerdings hat der IWF übersehen: Denn so lange und berechtigt man darüber philosophieren kann, wie es passieren konnte, dass mancher Manager heute das Hundertfache jener Krankenschwester verdient, die nach einem Unfall über sein Leben wacht - das Problem ist nicht die Einkommensungleichheit zwischen Chefarzt und Krankenschwester, Konzernchef und Sekretärin, Banker und Bauarbeiter. Das Problem ist die Vermögensungleichheit.

So gewaltig das Gehaltsgefälle auch erscheint, so läppisch nämlich ist es im Vergleich zur Vermögensverteilung. Das mittlere Vermögen eines deutschen Haushalts beträgt gut 50 000 Euro, wer dauerhaft zur Miete wohnt, kommt gar nur auf 2000. Das reichste Tausendstel der Haushalte hat dagegen im Schnitt 35 Millionen Euro zur Verfügung - 17 500-mal so viel.

Es wäre durchaus machbar, große Vermögen zu belasten

Noch wichtiger aber ist: Einkommen, Lohneinkommen jedenfalls, muss erarbeitet werden. Vermögen dagegen quillt aus sich selbst heraus weiter. Die Vermögensungleichheit wächst, selbst wenn es die Einkommensungleichheit nicht tut.

So schwer der Gedanke fällt: Die logische Folge aus diesem Trend wäre die Einführung einer Vermögensteuer - allerdings einer, die berechtigte Einwände der Vergangenheit aufgreift. Das gilt vor allem für den Vorwurf der Doppelbesteuerung ein und desselben Eigentums. Die Lösung lautet: Die Vermögensteuer müsste nicht zusätzlich zur, sondern anstelle der Einkommensteuer erhoben werden.

Das klingt unfinanzierbar, ist es aber nicht. Selbst wenn man die Erbschaft- und die Kapitalertragsteuer konsequenterweise gleich mit abschaffte, reichte ein Steuersatz von drei Prozent auf das Gesamtvermögen von etwa neun Billionen Euro aus, um die staatlichen Einnahmeausfälle mehr als zu kompensieren.

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