Ungleichheit:Bundesbank verteidigt Draghi

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Seine Politik helfe auch den ärmeren Bürgern, sagt die Bundesbank: EZB-Chef Draghi (Foto: REUTERS)
  • Die EZB-Politik lässt die Aktienkurse steigen. Die Geldpolitik würde nur den Reichen helfen, sagen darum Kritiker.
  • Die Bundesbank stellt sich nun aber vor die EZB. Die Kritiker würden vor allem übersehen, dass die Geldpolitik langfristig auch den anderen hilft.

Von Markus Zydra, Frankfurt

Mario Draghi hat viele Kritiker. Sie werfen dem EZB-Chef vor, die kleinen Sparer zu enteignen, aber den großen Investoren Geld nachzuwerfen. Die Geldpolitik bevorzuge also die reichen Bürger. Die Bundesbank nimmt Draghi nun gegen den Vorwurf in Schutz, die Geldpolitik der EZB würde die Ungleichheit verschärfen. Die Kritiker würden die Sache zu einseitig sehen und mehrere Dinge nicht betrachten.

Das Ergebnis der Bundesbank widerspricht der Intuition. Die EZB greift gerade massiv in die Finanzmärkte ein. Sie hat die Zinsen auf null Prozent gesenkt. Außerdem gibt es das Anleihenprogramm. Die Notenbank kauft massiv Papiere, über die Staaten und Unternehmen Kredite aufnehmen. All das lässt die Aktienkurse steigen. Auf den ersten Blick sieht es somit so aus, als profitieren eher reiche Aktienbesitzer. Das wäre problematisch. Die EZB soll dem Interesse der ganzen Gesellschaft dienen und keine Günstlingspolitik betreiben.

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Die Bundesbank hat nicht nur Vermögen, sondern auch Einkommen analysiert. Die lockere Geldpolitik der Notenbanken reduziere die Arbeitslosigkeit und erhöhe somit die Einkommen vieler Menschen. Das habe die Ungleichheit "eher verringert".

Bei den Vermögen ist der Befund weniger eindeutig. In Deutschland gibt es schon lange eine relativ ungleiche Verteilung des Vermögens. Betrachtet wird dabei das Nettovermögens, das übrig bleibt, wenn alle Kredite schon abgezogen sind. Die Geldpolitik der EZB habe diese Entwicklung laut Bundesbank zumindest nicht verschärft.

Zwar würden die Aktienkurse steigen - aber kurzfristig. Langfristig würden die Vermögen vieler anderer Menschen auch zulegen, vor allem wenn sich die Lage am Arbeitsmarkt durch die Geldpolitik verbessert habe. So hätten die Menschen dann höhere Gehälter, etwa durch Zweiteinkommen, mit denen man sich auch eine Immobilie kaufen könne. So würde Vermögen aufgebaut. "Eine Leitzinssenkung kann kurzfristig Ungleichheit erhöhen, während die positiven realwirtschaftlichen Effekte erst im weiteren Zeitverlauf Ungleichheit senkend wirken", heißt es im Monatsbericht der Bundesbank, für den die Forscher viele ökonomische Studien ausgewertet haben.

Die britische Notenbank hatte im Jahr 2012 in einer Studie noch betont, die Geldpolitik habe die Ungleichheit gefördert ( PDF). Die Bank of England hatte insbesondere die kurzfristigen Folgen analysiert, die die Vermögen steigen lassen. Davon hätten überdurchschnittlich die reichsten fünf Prozent Großbritanniens profitiert, weil sie 40 Prozent des Vermögens besäßen.

"Anstieg der Immobilienpreise kommt dem oberen Bereich zugute"

Im Frühjahr hatte die Bundesbank in einer Studie den Zusammenhang zwischen Immobilienbesitz und Vermögen herausgearbeitet. Auch wer Aktien oder andere Wertpapiere besaß, baute von 2010 bis 2014 sein Nettovermögen zum Teil kräftig aus. Die anderen gingen meist leer aus, unter anderem weil ihnen das nötige Kapital für diese Investitionen fehlte.

Der Immobilienbesitz in Deutschland ist bei den vermögenderen Haushalten konzentriert. "Der Anstieg der Immobilienpreise kommt also den Haushalten im oberen Bereich der Vermögensverteilung zugute", so die Bundesbank. Den reichsten zehn Prozent gehört demnach knapp 60 Prozent des gesamten Nettovermögens in Deutschland. Die ärmsten 50 Prozent besitzen insgesamt nur magere 2,5 Prozent. Die Hälfte aller Deutschen, die Immobilien besitzen, konnten ihr Nettovermögen von 2010 bis 2014 um rund 33 000 Euro steigern. Normale Mieter ohne Wohneigentum wurden meist nur um knapp 1000 Euro reicher. Manche mussten sogar Vermögenseinbußen hinnehmen.

Trotz dieser Daten stellt sich die Bundesbank vor die EZB. Es bleibe nur ein "Teilaspekt", wenn Aktien- und Immobilienbesitzer von der Geldpolitik profitierten. Wichtig sei der Arbeitsmarkt. In einer Wirtschaftskrise würden vor allem die schlecht qualifizierten Arbeiter verlieren. Stemme sich eine Zentralbank dagegen, würde das auch die Ungleichheit bekämpfen.

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