Für Autofahrer ist es ein Traum - ein Traum, der nun die EU-Kommission auf den Plan ruft: In Ungarn kostet der Sprit an Tankstellen nur 1,20 Euro pro Liter. Die autoritäre Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán bestimmte schon im November, dass die Tankstellen im Land ihren Treibstoff für höchstens 480 Forint pro Liter verkaufen dürfen, was umgerechnet eben 1,20 Euro entspricht. Diese Preisobergrenze dient dem Kampf gegen die Inflation und soll bis mindestens Ende September gelten. Allerdings legte die Regierung im Mai fest, dass jetzt nur noch Ungarn von der Regelung profitieren sollen.
Wer dagegen in einem Auto mit ausländischem Kennzeichen tanken will, soll den Marktpreis zahlen, nicht den gedeckelten. Denn die Regierung beklagt ausufernden Tanktourismus aus Nachbarländern. Das könnte aber EU-Recht brechen, genauer: das Diskriminierungsverbot für EU-Ausländer. Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat die Regierung in einem Brief um Informationen und Rechtfertigungen gebeten - und verlangt, dass Ungarn das Verbot aussetzt, bis die Vereinbarkeit mit Brüsseler Regeln geklärt ist. Zudem hat der Franzose über das Problem mit ungarischen Vertretern gesprochen.
Wenn der Bann tatsächlich gegen EU-Gesetze verstößt und die Regierung ihn trotzdem aufrechterhalten sollte, müsse die Kommission "über weitere Schritte nachdenken", erklärt Breton in einem Brief an den CSU-Europaabgeordneten Markus Ferber. Damit dürfte der Franzose ein Vertragsverletzungsverfahren meinen.
Ferber, der wirtschaftspolitische Sprecher der christdemokratischen EVP-Fraktion, hat solch ein Verfahren bereits Anfang Juni in einem Schreiben an Breton gefordert. Jetzt schickte der Kommissar seine Antwort an den Abgeordneten. Ferber rechnet vor, dass in Ungarn Fahrer mit ausländischen Kennzeichen 40 bis 60 Prozent mehr pro Liter Sprit zahlen als Einheimische. Der CSU-Parlamentarier ist über Bretons Erwiderung enttäuscht und wünscht sich ein schnelles, hartes Vorgehen: "Das Textbuchbeispiel für Diskriminierung ist inzwischen zum neuen Status quo an ungarischen Tankstellen geworden", klagt er. "Trotzdem fällt die Kommission einen Monat später immer noch durch Untätigkeit auf."
Mit "freundlichen Briefen und warmen Worten" bringe man Orbán nicht zum Einlenken. Daher müsse "die Option des Vertragsverletzungsverfahrens sofort auf den Tisch", fordert der Christdemokrat.