Der Versicherer Axa hatte 2006 eine scheinbar gute Idee. Immer mehr Menschen klagten darüber, dass sie sich keine Berufsunfähigkeitsversicherung leisten konnten oder wegen Vorerkrankungen keine bekamen. Deshalb brachte der Versicherer die Unfall-Kombirente auf den Markt und verkaufte sie bis 2010.
Sie zahlt nur in bestimmten Fällen: Wenn ein Unfall oder bestimmte schwere Krankheiten wie Krebs zur Invalidität führen, gibt es, so das Versprechen der Axa, eine lebenslange Rente zwischen 500 Euro und 3000 Euro, je nach Beitragshöhe. Bei anderen Gründen wie zum Beispiel psychischen Erkrankungen leistet die Versicherung nicht, das wird in den Bedingungen klar gesagt. Dennoch schlossen Tausende von Kunden die Police ab. Besser ein reduzierter Schutz als gar keiner, so war offenbar ihre Überlegung. Doch heute kündigt die Axa alle laufenden Verträge. Sie kann sich die versprochene lebenslange Rente nicht mehr leisten.
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"Aufgrund des medizinischen Fortschritts steigen die Kosten in Ihrem Tarif Jahr für Jahr erheblich an", schreibt Vorstand Thierry Daucourt im April 2018 den Kunden. Dazu kommen die niedrigen Zinsen, klagt er. "Dies führt dazu, dass wir unser Leistungsversprechen in diesem Tarif nicht mehr aufrechterhalten können." Die Axa hat sich verrechnet. Die Konsequenzen sollen die Kunden tragen.
Als Alternative bietet die Axa ihre sogenannte Existenzschutzversicherung. Doch sie unterscheidet sich erheblich von der Unfall-Kombirente: Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist schlechter. Und im Notfall erhalten Kunden nur noch Renten bis zum 67. Lebensjahr. Die Axa beruft sich darauf, dass nicht nur die Kunden, sondern auch die Versicherer diese Verträge kündigen können. Das stimmt. Dennoch stößt der Schritt in der Branche auf Unverständnis. Bei Verträgen, bei denen es um die Absicherung der Existenz geht, sei eine Kündigung ganzer Bestände "höchst ungewöhnlich." Denn das Vertrauen in die private Absicherung fördert das nicht gerade. Die Axa hat ohnehin ein Imageproblem. Im Januar hat sie ihre Pro-BAV-Pensionskasse und einen weiteren Bestand an den Abwicklungsspezialisten Frankfurter Leben verkauft, 290 000 Kunden sind betroffen.
Das neue Angebot der Axa ist deutlich teurer
Obwohl die Rente nicht mehr lebenslang läuft, sondern mit 67 endet, ist das neue Angebot teurer. Soll die monatliche Rente genauso hoch sein wie unter der alten Police, müssen Kunden beim neuen Vertrag deutlich höhere Beiträge zahlen. Wollen sie nicht mehr für den Schutz ausgeben, fallen die Renten im Notfall teilweise mehrere Hundert Euro niedriger aus.
Damit möglichst viele Kunden mit der alten Unfall-Kombirente die neue Existenzschutzversicherung kaufen, lockt der Versicherer mit "wesentlichen Erleichterungen und Vergünstigungen". So brauchen sie keinen erneuten Gesundheitscheck. Außerdem kalkuliert Axa den Monatsbeitrag für die neue Police ausgehend von dem Alter, das der Versicherungsnehmer bei Abschluss der Unfall-Kombirente hatte.
Bei seinen Vertretern macht der Konzern Druck, die Umstellungsaktion möglichst erfolgreich anzugehen. Eine Abschlussprovision gibt es nicht - wie bei allen Axa-Angeboten in diesen Sparten. Es fließt eine laufende Bestandsprovision. Aber bei der Punktbewertung der Vertreter, die für Boni, Incentive-Reisen und die allgemeinen Karriereaussichten bei dem Unternehmen wichtig sind, werden die Verträge als Neuabschlüsse gezählt, die Vertreter also für Umdeckungen auf Kosten der Kunden belohnt. Angesichts des Verhaltenskodex der Branche, den auch die Axa unterzeichnet hat, ist das zumindest anrüchig.