UN-Welternährungsgipfel in Rom:Der Hunger nährt die Wut

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fordert einen massiven Ausbau der Nahrungsmittel-Produktion. Die Industriestaaten müssten Handelsschranken abschaffen - sonst seien 100 Millionen Menschen zusätzlich von Hunger bedroht.

Judith Raupp und Cerstin Gammelin

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat gefordert, die Lebensmittelproduktion bis zum Jahr 2030 um die Hälfte zu steigern. Zum Auftakt des Welternährungsgipfels sagte er am Dienstag in Rom, die Industriestaaten müssten Agrarsubventionen abbauen und ihre Märkte öffnen.

UN-Welternährungsgipfel in Rom: Notversorgung auf Haiti: In der St.-Claire-Kirche in Port-au-Prince bekommen täglich etwa tausend Menschen ihre Mahlzeit zum Überleben.

Notversorgung auf Haiti: In der St.-Claire-Kirche in Port-au-Prince bekommen täglich etwa tausend Menschen ihre Mahlzeit zum Überleben.

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Sonst seien 100 Millionen Menschen zusätzlich von Hunger bedroht. Die EU-Finanzminister beschlossen in Luxemburg, Spekulanten an den Rohstoffmärkten besser zu kontrollieren.

"Hunger führt zu Wut"

Ban sagte: "Von Menschen verursachter Hunger führt zu Wut, sozialem Verfall und zu wirtschaftlichem Niedergang." Weiter steigende Lebensmittelpreise könnten politische Konflikte auslösen. Besonders betroffen seien die armen Menschen, da sie bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrungsmittel ausgeben müssten.

Ban kritisierte die Staaten, die durch Preiskontrollen und Exportbeschränkungen die Nahrungssicherheit der eigenen Bevölkerung garantieren wollten. "Das treibt die Preise nur noch mehr in die Höhe", sagte er auf dem Gipfeltreffen der UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO). Solche Beschränkungen müssten unverzüglich aufgehoben werden.

FAO-Generalsekretär Jacques Diouf forderte von den Geberstaaten jährlich umgerechnet 20 Milliarden Euro für den Ausbau der Landwirtschaft in den Entwicklungsländern. Er räumte ein, das Ziel der Vereinten Nationen, die Zahl der hungernden Menschen bis 2015 zu halbieren, sei vermutlich nicht mehr zu erreichen. Derzeit gelten laut FAO 860 Millionen Menschen als unterernährt.

"Skandal der Menschheitsgeschichte"

Die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) nannte die hohe Zahl der hungernden Menschen einen "Skandal der Menschheitsgeschichte". Sie kritisierte, ein Teil des Preisanstiegs werde durch den Terminhandel an den Warenbörsen verursacht.

Wer auf eine Ausbreitung des Hungers in den Entwicklungsländern spekuliere, verletze die Menschenrechte. Wieczorek-Zeul kündigte an, die Entwicklungszusammenarbeit stärker auf die Ernährungssicherheit zu konzentrieren und dafür 500 Millionen Euro zu investieren.

Auf der nächsten Seite: Streit über die Biospritproduktion und seine Folgen.

Der Hunger nährt die Wut

Gestritten wurde in Rom über die Auswirkungen der Biosprit-Produktion auf die Lebensmittelpreise. Brasilien und die USA stellten in Abrede, dass sie in großem Ausmaß zu den Preissteigerungen für Lebensmittel beigetragen habe. Dagegen machte die Hilfsorganisation Oxfam die Energiepflanzen für 30 Prozent des Preisanstiegs verantwortlich.

Der Vorsitzende des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Thilo Hoppe (Grüne), begrüßte, dass die Weltgemeinschaft nun erkenne, dass die Landwirtschaft der armen Ländern gestärkt werden müsse.

Rohstoff-Spekulanten sollen beobachtet werden

Wichtig sei aber, nachhaltige Landwirtschaft zu fördern. Hoppe kritisierte, dass der simbabwische Herrscher Robert Mugabe zum FAO-Gipfel reiste. Dies sei zynisch, da er für die Armut in seinem Land verantwortlich sei. Auf dem dreitägigen FAO-Gipfel diskutieren mehr als 40 Staats- und Regierungschefs und Vertreter aus 180 Staaten über Wege aus der Lebensmittelkrise.

Unterdessen unterstützten die EU-Finanzminister auf ihrem Gipfeltreffen in Luxemburg das Vorhaben der EU-Kommission, Finanzinvestoren an den Rohstoffmärkten genauer zu beobachten, um Spekulationen zu identifizieren. Sie lehnten es aber ab , wegen der hohen Lebensmittelpreise in der EU pauschal Steuern zu senken.

Die Finanzminister wollten nicht in die Entwicklung des Marktes eingreifen, sagte Finanzstaatssekretär Thomas Mirow. Auch sollen die durch Kürzung der EU-Agrarsubventionen eingesparten Gelder nicht in die Subvention von Lebensmitteln fließen. Die Minister schlugen vor, die Importabgaben auf Getreide auszusetzen.

Auch müssten die laufenden Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO zügig abgeschlossen und dabei Handelsbarrieren abgeschafft werden. Die Minister forderten auch, die Produktion von Biotreibstoffen solle international nachhaltig organisiert werden.

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