Umwidmung von Gebäuden:Lieber wohnen als arbeiten

Deutschlands Städte setzen stark auf den Wohnungsbau. Schon befürchten Experten, dass es bald zu wenig Gewerbeflächen geben könnte. Der Leerstand bei Büros ist kräftig gesunken, und die Mieten steigen.

Von Susanne Osadnik

In den großen deutschen Bürostandorten sinkt der Leerstand weiter. Weil die Konjunktur blüht und die Zahl der Beschäftigten steigt, werden mehr Flächen gebraucht. Das beschert den lokalen Märkten weiterhin hohe Vermietungsumsätze. Weil aber auch immer mehr Menschen in die Metropolen strömen, wird es dort enger. Viele Grundstücke, die eigentlich für Gewerbeimmobilien vorgesehen waren, müssen dem Wohnraum weichen.

Derzeit gibt es ein Wort, auf das Gewerbeimmobilienmakler besonders empfindlich reagieren. Es heißt: Umwidmung. Eigentlich eine gute Sache, steht dieser Amtsbegriff doch meist für positive Veränderung. Da bekommen alte Gebäude neues Leben eingehaucht, werden laute Straßen verkehrsberuhigt oder sogar in Fußgängerzonen umgewandelt. Als die ersten leer stehenden Bürogebäude aus den Siebzigerjahren zu Wohnraum umfunktioniert wurden, stieß das auch in der Branche weitgehend auf Zustimmung. Immerhin war man damit ein paar Sorgen los: Die alten Bürohäuser wollte ohnehin niemand mehr anmieten. Und auf einen Schlag wurde der teils beträchtliche Leerstand abgebaut. Etwa in der brachliegenden Bürostadt Frankfurt Niederrad.

Doch das Blatt hat sich gedreht. Seit nicht nur einzelne Objekte in Wohnraum umgewandelt werden, sondern immer öfter ganze Bürostandorte dem Wohnungsbau Platz machen müssen, sehen vor allem Immobilienmakler die Gefahr, dass es künftig zu wenig Büroflächen geben könnte. Laut Colliers International sind allein in München in den vergangenen drei Jahren 350 000 Quadratmeter Bürofläche zugunsten des Wohnens weggefallen. Der Leerstand an Büroflächen ist auf nur noch 3,4 Prozent gesunken. "Kurzfristige Vermietungen sind vor allem im Stadtgebiet kaum mehr möglich", sagt Peter Bigelmaier von Colliers International. "Was in diesem Jahr in München an Neubauflächen auf den Markt kommt, ist schon im Vorfeld zu 82 Prozent vermietet gewesen." Und auch für 2017 sei nicht mehr viel drin: Die Vorvermietungsquote liege bei 58 Prozent.

Siemens-Hochhaus in München, 2011

Das gut 75 Meter hohe Siemens-Hochhaus in München steht seit mehr als zehn Jahren leer. Nun wird das frühere Bürogebäude, das unter Denkmalschutz steht, umgebaut: Entstehen sollen etwa 270 Wohnungen.

(Foto: Catherina Hess)

In anderen deutschen Metropolen sieht es ähnlich aus: In den sieben größten deutschen Büromärkten (Berlin, Frankfurt, München, Köln, Düsseldorf, Stuttgart und Hamburg) stehen zwar immer noch insgesamt 5,44 Millionen Quadratmeter Bürofläche leer, was einer kumulierten Leerstandsquote von 6,1 Prozent entspricht. Aber laut dem Maklerunternehmen JLL ist das der niedrigste Stand innerhalb der vergangenen zehn Jahre. In (fast) allen "Big 7"-Städten sinkt der Leerstand weiter - wenn auch in sehr unterschiedlichem Maße. Haben Flächennachfrage, Vorvermietungsquoten und Konversionen etwa in Berlin, Stuttgart (je 3,3 Prozent) und München schon zu Leerständen weit unter der Fluktuationsreserve von fünf Prozent geführt, stehen in Düsseldorf noch gut acht Prozent der Büros leer, und in Frankfurt sind es laut Colliers International unverändert noch 11,8 Prozent. Der Grund: In der Bankenstadt haben einige großvolumige Objekte für zusätzliche Flächenangebote gesorgt - wenn auch nur kurzfristig, sind Marktbeobachter überzeugt. Denn in den vergangenen fünf Jahren ist in der Mainmetropole schon gut eine Million Quadratmeter Bürofläche weggefallen, 60 Prozent allein durch Umwidmung. Die Erklärung dafür ist simpel: "Früher hat man im Westend mehr Geld mit der Vermietung von Büroräumen als mit Wohnraum verdient", sagt Stephan Leimbach von JLL. "Heutzutage ist es genau umgekehrt.

In fast allen großen Städten sinkt der Leerstand von Büros. Die Mieten dagegen steigen

Frankfurt wächst jedes Jahr in der Größenordnung einer Kleinstadt, Hamburg soll bis 2030 fast 200 000 Bürger mehr besitzen, und Berlin bis dahin eine Stadt mit 3,8 Millionen (aktuell: 3,5 Millionen) Einwohnern sein. Das schafft Arbeitsplätze, privaten und staatlichen Konsum - und steigert die Nachfrage nach Büroraum. Allein in der Bundeshauptstadt soll die Zahl der Bürobeschäftigten bis 2020 um 8,7 Prozent auf 775 000 steigen, sagt eine aktuelle Untersuchung von Bulwiengesa. Die Forscher des Berliner Analysehauses prognostizieren daher: Berlin braucht in den kommenden Jahren etwa 1,6 Millionen Quadratmeter mehr Bürofläche. Schon heute spiegelt sich der durch viele junge Start-ups getragene Boom der Berliner Wirtschaft in rasant gestiegenen Spitzenmieten wider. Aktuell zahlt man 25,30 Euro pro Quadratmeter - zehn Prozent mehr als 2015. Nirgends haben die Preise so heftig angezogen wie in der Hauptstadt. Allerdings spielen Frankfurt mit Spitzenmieten von 38,50 Euro pro Quadratmeter und München mit 33,60 Euro pro Quadratmeter immer noch in einer anderen Liga.

Expo Real

SZ-Grafik; Quelle: JLL

Bei den Durchschnittsmieten sieht es ähnlich aus: In Berlin haben sie mit 12,7 Prozent am stärksten zugelegt. Mit 15,50 Euro pro Quadratmeter ist es hier durchschnittlich schon teurer als in Düsseldorf (15 Euro); nur Frankfurt und München haben mit 19 und 16,20 Euro noch höhere Mieten. Aus Sicht von Marktanalysten wie Thomas Beyerle sind solche Entwicklungen klare Signale. "Die Mieten steigen nicht, weil der Büroraum qualitativ besser wird, sondern weil es immer mehr Engpässe gibt", sagt der Research-Chef der Catella Group. "Unternehmen werden daher künftig auch immer höhere Preise in Bestandsimmobilien akzeptieren müssen - vor allem in den begehrten Innenstadtlagen."

Das scheint bisher zu klappen. Allein in den ersten beiden Quartalen konnten an der Spree laut Colliers International 347 000 Quadratmeter vermietet werden, gut drei Prozent mehr als im Vorjahresvergleich. Damit wurde Berlin nur von der bayerischen Landeshauptstadt getoppt. In München stieg der Flächenumsatz auf 387 000 Quadratmeter - ein Plus von 27 Prozent gegenüber dem ersten Halbjahr 2015. Den größten Sprung machte allerdings Köln mit einem Umsatzzuwachs von gut 43 Prozent auf 192 000 Quadratmeter - vor allem dank des Deals mit der Zurich Versicherung, die Ende 2019 ihre Rheinland-Zentrale in der dann bezugsfertigen Immobilie in der Messe City Deutz mit 60 000 Quadratmetern beziehen wird.

Insgesamt kommen die sieben größten deutschen Büromärkte laut JLL im ersten Halbjahr auf fast 1,8 Millionen vermietete Quadratmeter - ein Wert, der den Fünfjahresdurchschnitt um gut 17 Prozent übertrifft. Bis zum Jahresende könnten es 3,5 Millionen Quadratmeter sein, sofern alle Mietinteressenten auch zum Zuge kommen. Vor allem größere zusammenhängende Flächen in innerstädtischen Lagen werden mancherorts zunehmend knapp. In der Frankfurt City ist es noch möglich, Büroflächen von 10 000 Quadratmetern und mehr anzumieten; in München scheitert man schon an 5000 Quadratmeter großen Büros. "Nutzer müssen ihren Suchradius immer häufiger über die Topteilmärkte hinaus ausdehnen", sagt JLL-Research-Chef Helge Scheunemann. "In Hamburg schaut man sich in der City Süd um, in Berlin rückt der S-Bahnring in den Fokus, und in München geht es in Richtung Umland." Doch nicht immer können die Büromieter flexibel sein. "Viele Unternehmen können sich gar nicht außerhalb der Stadtgrenzen oder sogar an weiter entfernten B-Standorten ansiedeln, weil ihre Mitarbeiter nicht bereit sind, mitzuziehen", sagt JLL-Vermietungsspezialist Stephan Leimbach. "Der war of talents - der Kampf um Talente - gibt in vielen Fällen die Standortwahl vor."

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