Süddeutsche Zeitung

Umweltverschmutzung in Island:Björk gegen die Aluminium-Konzerne

Der Aluminium-Boom auf Island und der Bau neuer Schmelzen hat viele Gegner auf den Plan gerufen. Auch Björk singt gegen die Naturzerstörung ihrer Heimat.

Auf Island interessiert sich nicht nur Popsängerin Björk für Aluminiumschmelzen. "Auch beim Kraftwerksbau müssen wir grün denken", sagt die Musikerin. Sie unterstützt die Proteste gegen Pläne für neue Aluminiumfabriken samt dazugehörender Kraftwerke auf der Atlantikinsel - und ist damit das prominente Aushängeschild der Bewegung. An diesem Samstag werden in Reykjavik Zehntausende zu einem "Eco-Konzert" erwartet, bei dem neben Björk auch Islands international erfolgreichste Rockband Sigur Rós auftritt.

In Reydarfjördur an Islands einsamer Ostküste hat der US-Konzern Alcoa eine neue Anlage für jährlich 346.000 Tonnen in Betrieb genommen und sieht den Widerstand aus der Hauptstadt eher gelassen. "Es ist in Ordnung, wenn die Leute in Reykjavik protestieren. Aber hier vor Ort sind sich alle einig, dass die wirtschaftlichen Probleme nur mit unseren Anlagen zu bewältigen sind", meint Alcoa-Sprecherin Erna Indridadóttir.

Der Weltmarktführer will wegen der steigenden Marktpreise für das Leichtmetall und der starken Nachfrage aus Indien und China noch weitere Anlagen auf Island bauen, ebenso wie der Konkurrent Alcan. Auf der gerade mal von 320000 Menschen bewohnten Insel gibt es gigantische Energiereserven in wilden Flussläufen und als thermische Wärme im Untergrund. Für die extrem energiefressende Aluminiumproduktion also ein Eldorado.

Steigende Preise, starke Nachfrage

Aber das bedeutet auch, dass weite Flächen bisher unberührter Natur industriell genutzt werden. Der als Stromlieferant für die erste Alcoa-Fabrik gebaute Kárahnjúkar-Staudamm gilt vielen Isländern als Symbol für rücksichtslosen und auch größenwahnsinnigen Umgang mit der in Europa einmaligen vulkanischen Urlandschaft.

"Sie haben dafür eine ganze Flusslandschaft zerstört, die an Einzigartigkeit den Grand Canyon schlägt", sagt der TV-Filmer Ómar Ragnarsson. Der 67-Jährige ist zum landesweiten Symbol für den Widerstand gegen das Aluminium geworden und fährt vorzugsweise im einem NSU-Prinz, Baujahr 1958, oder seinem offenen Mini-Fiat durch das selten warme Reykjavik. Ragnarsson sieht pessimistisch in die Zukunft: "Sie wollen mit ihren Plänen für fünf weitere Fabriken Natur opfern, die unwiederbringlich weg ist." Als die erste neue Aluminiumanlage im Juni 2007 vom konservativen Ministerpräsidenten Geir Haarde eingeweiht wurde, schlug dieser einen vorsichtigen Ton an - um den Widerstand nicht zu schüren.

Doch die Zeiten haben sich geändert. In den vergangenen zwölf Monaten hat die globale Finanzkrise Island hart getroffen. 12,3 Prozent Inflation, ein Leitzinssatz von 15 Prozent und das Abrutschen der Island-Krone gegenüber dem Euro um 50 Prozent könnten nach Meinung von Beobachtern in Reykjavik neuen Rückenwind für den Ausbau der umstrittenen Aluminiumindustrie bringen. Das kleine Land scheint heute mehr als in den letzten Jahren angewiesen auf zusätzliche Einnahmequellen. "Nur sollten wir dabei an künftige Generationen und nicht nur an die Zahlungsbilanz im nächsten Jahr denken", warnt Ómar Ragnarsson.

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SZ vom 26.06.2008/vw/jkr
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